Freitag, Juni 30, 2006

Queen Mimi & King Hansen
















Rollt den roten Teppich aus für die Königin
und den König !

Donnerstag, Juni 29, 2006

Eschers Linie 7

Es war ein beliebiger Morgen an einem von zahllosen Werktagen. Als Escher an der Gneisenaustraße in die U-Bahn einstieg, empfand er neben seiner Müdigkeit noch ein anderes ungutes Gefühl, das er jedoch nicht näher bestimmen konnte.

Er setzte sich neben eine alte Frau, die sich über ihre Gehhilfe beugte und ihm einen kurzen Blick durch beschlagene Brillengläser zuwarf. Escher legte die Aktentasche, in der sich nichts weiter als der Flachmann befand, auf seine Oberschenkel und hielt sich mit beiden Händen an dem ledernen Griff fest. Als die U-Bahn losfuhr, drehte sich die Alte ein zweites Mal in seine Richtung und fragte

- Ist das noch Berlin? Nach dem Krieg hat man mir gesagt, das hier sei noch Berlin.

Escher seufzte und schloss die Augen. Im Halbschlaf zählte er die Stationen. Als er an der dritten Haltestelle die Augen aufschlug und aus dem Fenster sah, fuhr die U-Bahn gerade am Bahnhof Mehringdamm ein. Das konnte nicht sein, denn Mehringdamm kam direkt nach Gneisenaustraße und die dritte Station nach Gneisenaustraße an der Linie 7 war Yorckstraße. Er musste sich beim Zählen getäuscht haben. Entweder war der Zug aus technischen Gründen zwischen den beiden Stationen zweimal auf der Strecke stehen geblieben, oder er hat sich das Anhalten im Halbschlaf eingebildet. Escher legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen erneut.

Der Zug fuhr an und beschleunigte seine Geschwindigkeit rasch auf der Fahrt durch den Tunnel. Beim nächsten Halt traute Escher seinen Augen nicht, als er aus dem Fenster sah und das Schild auf dem Bahnsteig las. Mehringdamm. Er runzelte die Stirn und rechnete seinen Alkoholkonsum der letzten zwölf Stunden nach. Nicht weniger, aber auch nicht mehr als sonst. Diesmal behielt er die Augen offen und starrte auf das schwarze Fensterglas. Die alte Frau mit der Gehhilfe war an der letzten Station ausgestiegen. An der letzten Station?

Kurz bevor die Türen schlossen, sprang Escher von der Bank und rannte auf den Bahnsteig. Ohne sich umzudrehen, ging er in Richtung Ausgang. Auf dem Weg nach oben nahm er mit jedem Schritt zwei Stufen gleichzeitig. Am Ende der Treppen führte der Weg nicht etwa ins Freie. Escher stand wieder auf dem Bahnsteig Mehringdamm. Gerade fuhr ein Zug in Richtung Rudow ab. Seine Müdigkeit war verschwunden, aber nun fand er die richtige Bezeichnung für das andere Gefühl, das ihn seit dem Morgengrauen begleitete. Angst.

Er rannte zum entgegengesetzten Ausgang des Bahnsteigs und stürzte die Treppen nach oben. Und stand wieder auf dem Bahnsteig Mehringdamm. Eine Übelkeit überwältigte ihn und Escher übergab sich auf die Gleise. Dabei wurde er von einer kleinen Ratte neugierig beobachtet. Zwei alte Männer wechselten Blicke und schüttelten missbilligend die Köpfe. Die Ratte huschte über die Schwellen in Richtung des Erbrochenen, um daran zu schnuppern. Das bekam Escher nicht mehr mit, denn er hatte eine U-Bahn zurück in Richtung Gneisenaustraße bestiegen. Er hätte beinahe gebetet, aber die Fahrzeit war zu kurz, um sich an längst vergessene Gebete zu erinnern.

Als der Zug hielt, erblickte Escher dasselbe Schild wie im letzten Bahnhof. Stur blieb er sitzen, aber auch die nächsten acht Stationen hielt der Zug jedes Mal am Mehringdamm. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass die Frauenstimme vom Band immer wieder Mehringdamm ansagte. Eschers Panik wuchs von Haltestelle zu Haltestelle. Ihm fiel auf, dass zwar bei jedem Halt Menschen ausstiegen und andere Menschen einstiegen, aber es handelte sich jedes Mal um sehr alte Menschen. An der achten Haltestelle stieg er aus und folgte im Abstand von etwa zehn Metern einem weißhaarigen Mann, der einen eleganten, dunklen Anzug trug.


Der Mann ging in Richtung einer Treppe, die laut Beschilderung zum Bahnsteig Mehringdamm führte. Auf einer weiteren Ausgabe des Bahnsteigs angekommen, bestieg der Mann einen soeben eingefahrenen Zug in Richtung Rathaus Spandau. Escher folgte ihm über dreizehn identische Haltestellen und stieg zusammen mit dem Mann an vier identischen Bahnhöfen um. Dann setzte er sich zitternd auf einen Plastikschalensitz. Seine Aktentasche hatte er längst in einem der Züge vergessen. Er fragte ein Paar, beide weit über Siebzig, nach dem Ausgang. Die zwei sahen sich verwundert an und der Mann zeigte mit seinem Spazierstock in Richtung der Treppe. Als ob sich eine seit Jahren in ihm angestaute Wut löste, brüllte Escher

- Wo ist der Ausgang in eurem Alptraum?

Mit einem ängstlichen Ausdruck in den Gesichtern zog das Paar die Köpfe ein. Es wendete sich ab und beeilte sich, Abstand zu ihm zu gewinnen. Einige der alten Leute auf dem Bahnsteig sahen verlegen in seine Richtung, aber die meisten bemühten sich, den schreienden Irren zu ignorieren.

Plötzlich sah Escher einen letzten Ausweg. Man musste einfach nur die Strecke zwischen zwei Stationen zu Fuß überwinden. Er sprang auf die Gleise. Im Tunnel setzte er behutsam einen Fuß vor den anderen, bis er sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte und mit sicherem Schritt von Schwelle zu Schwelle ging.

Escher sah die U-Bahn auf sich zukommen und blieb mit einer Ahnung der Erkenntnis einfach mitten auf den Gleisen stehen.

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Mittwoch, Juni 28, 2006

Im Tod in Rom wiederentdeckte Poesie eines Sportkommentars

er gibt auf
jeden Fall
alles

eurosport,
3. September 1991,
19:27 Uhr






Notiz auf der Rückseite eines Kassenbons, den ich als Lesezeichen benutzt hatte. Fünfzehn Jahre später flatterte mir der Zettel aus einem Roman von Wolfgang Koeppen (Der Tod in Rom) entgegen.

Dienstag, Juni 27, 2006

Die Taschentuchmaus Herr Jahnke

Ein Kind besitzt die Fähigkeit, unbeseelten Dingen Leben einzuhauchen, indem es Dialoge mit den Dingen führt. Neben der eigenen Rolle spielt das Kind dabei gleichzeitig alle Rollen, die es den Gegenständen in seiner Phantasie zuweist.

Als ich ein Kind war, unterhielt ich mich ein Jahr lang mit einem hellgrau karierten Taschentuch. Aber es war nicht nur ein Stück Stoff. Ein Kurgast, der in der Pension meiner Großmutter wohnte, hatte das Taschentuch mit einigen geschickten Knoten in eine Maus verwandelt. Der Kurgast hieß Herr Jahnke, er kam aus Berlin und hatte Gallensteine. lch gab der Maus seinen Namen und trug sie immer bei mir. Auch als sich die Knoten längst gelöst hatten, wurde Herr Jahnke nicht wieder zum Taschentuch, sondern blieb die Maus, mit der ich mich unterhielt.

In der folgenden Saison kam der Kurgast wieder. Eines Nachts entwendete meine Großmutter heimlich das Taschentuch, das inzwischen den Schmutz eines Kinderjahres in sich trug. Am nächsten Morgen lag auf dem Frühstückstisch eine neue Maus. Aber es war nicht Herr Jahnke, der da frisch gewaschen und mit neuen Knoten geknüpft vor mir lag. Indem meine Großmutter das Taschentuch wusch und der echte Herr Jahnke neue Knoten knüpfte, kehrte meine Maus zurück in den Zustand eines unbelebten Stoffes, der nicht mehr mit mir sprechen konnte.

So verlor ich meinen ersten Freund durch einen Waschgang bei neunzig Grad. Am Ende seines Daseins war er ein schmutziger Freund, aber schlecht war er nicht.

Montag, Juni 26, 2006

Verständnis

Jeder versteht sich selbst am besten. Aber auch das noch nicht einmal in Ansätzen.

Samstag, Juni 24, 2006

1. FC United Nations


Trotz jahreszeitbedingter Allergie gegen die Farbkombination schwarz/rot/gold sollte man Fahnenschwinger keinesfalls kategorisch mit geistig minderwertigen Nationalisten verwechseln. Und es darf als Erfolg gewertet werden, wenn man zur Fußball-WM 2006 bisher keine einzige Reichskriegsflagge wahrnehmen musste, wie das zu Ballsportereignissen - auch in jüngerer Vergangenheit - zuweilen üblich war.

Überrascht nahm ich zur Kenntnis, dass es sogar Zeitgenossen gibt, die das globale Interesse höher einordnen als ihr Vaterlandsbewusstsein, und diese Gesinnung durch das Aufhängen einer UNO-Flagge am Balkon dokumentieren.

Es wäre eine spannende Variante des internationalen Gedankens und der Globalisierung, wenn an jeder WM eine Mannschaft der Vereinten Nationen teilnähme, die sich aus einer Weltauswahl zusammensetzt.
Die Auswahl der Spieler könnte von einem Komittee getroffen werden, das aus Abgeordneten der Länder bestünde, deren Nationalteams sich nicht für das Turnier qualifizieren konnten. Jedes Land müsste sich im Vorfeld verpflichten, falls die Auswahl auf einen Spieler seiner Nationalität fiele, diesen für das UN-Team freizustellen.

Dass die Idee spätestens an den Interessen der Verbände scheitern würde, ist klar.

Freitag, Juni 23, 2006

Hundehai


Wenn es Katzenhaie gibt, warum sollte es keine Hundehaie geben ..., dachte ich mir letzte Nacht und verwandelte mich in einen solchen, nachdem ich versehentlich die Software zur Bildbearbeitung verschluckt hatte.

Ein Porsche in Tarnfarben (X)

Ich war kaum über der Schwelle, als ich mit einem Einkaufswagen zusammenprallte, der in diesem Moment an der Tür des Last Waterhole vorbeigeschoben wurde. Ein stechender Schmerz durchzuckte mein Schienbein. Auf dem Wagen türmte sich ein Berg von prall gefüllten Plastiksäcken. Alles kippte um, und die Säcke rollten träge auf das Pflaster.

Offenbar gehörte der Wagen einem Verrückten, der mit schwarzen Lumpen behangen war. Der Mann brüllte Verwünschungen und versuchte, mich festzuhalten. Als ich ihn zur Seite stieß, stieg mir ein beißender Gestank von altem Schweiß, Urin und Kot in die Nase. Ich war kurz davor, mich auf der Stelle zu übergeben, aber Ari schrie mich an, ich solle mich beeilen.

Er griff sich die Gitarre und wir rannten los, denn der Verrückte hatte nicht nur einen wirren Blick in seinen Augen, sondern hielt plötzlich ein riesiges Fleischermesser in der Hand. Außerdem war uns der Barmann mit dem Baseballschläger auf die Straße gefolgt.

Wir rannten, so schnell es mit einer Gitarre unter dem Arm und einem geschulterten Seesack ging, durch die engen Gassen des Rotlichtviertels. Mit den zwei Verfolgern auf den Fersen - einem stämmigen Barmann mit Baseballschläger und einem zerlumpten Verrückten mit Fleischermesser - gaben wir ein Bild ab, wie man es sogar in Amsterdam selten zu sehen bekam.

Einige Beobachter der Szene ermunterten uns mit Durchhalteparolen. Als wir an zwei Polizisten vorbeistürmten, die zu Fuß unterwegs auf Streife waren, rief der Barmann ihnen zu, dass wir Mörder seien und sie uns festhalten sollten, aber die beiden Wachtmeister interessierten sich nicht für uns. Unsere bewaffneten Verfolger erweckten eher einen authentischen Eindruck von Mördern, denn als ich mich kurz umdrehte, sah ich, dass sie den Verrückten zu Fall gebracht hatten und ihm das Fleischermesser abnahmen. Der Barmann war ihnen entwischt und keuchte immer noch verbissen hinter uns her.

Auf Höhe des Sex-Museums drehten wir uns beide nach ihm um. Er war ein Stück zurückgefallen und sein Kopf leuchtete rot vor Anstrengung. Wir sahen uns an und bremsten unseren Lauf. Ari hob die Augenbrauen, worauf ich mit den Schultern zuckte. Das bedeutete die Entscheidung, die Richtung zu wechselen. Wir gingen dem Barmann langsam entgegen, bis wir ihm in einem Abstand von zwei Metern gegenüber standen.

Jetzt sah er auf einmal klein und ängstlich aus. Er schaute sich unsicher um und schien sich sehr allein zu fühlen. Dann passierte etwas Unerwartetes. Der Barmann ließ seinen Baseballschläger fallen und lief davon. Dabei drehte er sich mehrfach um und vergewisserte sich, dass wir ihm nicht folgten.

Ari hob den Baseballschläger auf.

- Baseball ist ein Sport für Gestörte,

sagte Ari, während er mit einem Finger gegen die Alukappe des Schlägers schnippte.
(Fortsetzung folgt)

Donnerstag, Juni 22, 2006

Der größte Quatsch aller Zeiten #1


Wieder ein Plastikbeutel - voll mit Steuergeldern - für Scheisse verjuxt.

Mittwoch, Juni 21, 2006

Im Dialog mit meiner Urne

Wie geht es Ihnen?

Ich fühle mich derzeit ein wenig grau in schwarz, ansonsten ist mein Befinden es wert, als passabel bezeichnet zu werden.

Seit Ihrer Einäscherung sind elf Tage verstrichen. Was hat sich in dieser Zeit für Sie geändert?

Man betrachtet die Welt von einem völlig neuen Standpunkt. Dinge, die früher eine bedeutende Rolle gespielt haben, treten in den Hintergrund und machen Platz für andere Dinge.

Dann war der äußerliche Wandel verbunden mit einem grundsätzlichen Paradigmenwechsel der Werte?

Bedingt. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob Werte tatsächlich existieren, oder ob die Kategorien der Werte bereits zu Lebzeiten trügerische Wunschvorstellungen verkörpern. Gibt es denn in Ihrem Leben Werte von Bedeutung, die Sie besitzen oder verfolgen?

Ich weiß nicht. Ehrlichkeit, Liebe, Respekt?

Allein dieses Ich weiß nicht und die Formulierung ihrer Antwort als Frage weisen auf eine große Verunsicherung hin.

Es sind doch immer wieder dieselben Werte, von denen der Mensch bewegt wird.

Der Fehler besteht darin, dass von einer Grundsätzlichkeit ausgegangen wird, anstatt alles scheinbar Grundsätzliche zu jedem Zeitpunkt in Frage zu stellen und aufs Neue zu überprüfen.

Wäre dann überhaupt noch eine Orientierung möglich?

Auch die Illusion der Orientierung erscheint mir bezwingbar, sobald erkannt wird, dass in jeder Richtung Trugbilder lauern. Objektivierte Orientierungsmodelle sind nicht notwendig. Wenn die Sinne funktionieren und eine entfesselte Wahrnehmung ermöglicht, das Erfasste im Geist zu bündeln und auszuwerten, findet sich der Weg mittels intuitiver Entscheidungen von selbst. Aber keine Entscheidung kann darüber hinwegtäuschen, dass es weder einen richtigen Weg, noch ein richtiges Ziel gibt.

Hat sich Ihre Wahrnehmung im postmortalen Zustand verbessert?

Die Konzentration auf das Wesentliche, das im Nichts besteht, wurde stärker. Ich weiß jetzt, dass Zeit kein Faktor ist und dass es keine Ordnung der Dinge gibt. Ruhe ist nur dann zu finden, wenn es gelingt, soweit ins Zentrum des Chaos vorzudringen, bis das Chaos verschwindet. Beim Eintritt in den Kern des Chaos offenbart sich die Erkenntnis, dass Alles im Grunde Nichts ist.

Vermissen Sie Ihren Körper?

Zuweilen denke ich an interessante Möglichkeiten, die mit der Körperlichkeit verbunden waren, vor allem an Bewegung und Schmerz. Dabei handelt es sich aber nur um verblassende Melancholie.

Besitzt die Seele eine Erinnerung?

Die Seele ist eine Erinnerung ohne Gedächtnis. Alles ist gleichzeitig präsent, aber nirgends verankert. Da es keine Wahrheit gibt, ist in den Erinnerungen alles frei kombinierbar.

Sie sehen blass aus.

Ich bin müde.

Hier ist es kühl, ich gehe zurück in die Sonne. Schlafen Sie gut.

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Weiterreise.

Montag, Juni 19, 2006

Unverzerrte Blicke auf die Welt


Unverzerrte Blicke auf anteilsmäßige, weltweite Ex- und Importe - zum Beispiel von Spielwaren - bietet das Projekt Worldmapper der University of Sheffield, in Kooperation mit der University of Michigan.

Auf der Website finden sich 106 weitere Karten zu unterschiedlichen Themen, von Land- und Bevölkerungsverhältnissen über Ex- und Importe von medizinischen Produkten bis hin zum Zuwachs und Verlust von Waldressourcen. Auch die Texte zu den Grafiken sind außerordentlich informativ und lesenswert.
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>> Worldmapper

Ein Porsche in Tarnfarben (IX)

Es passierte in dem Moment, als der Ire behauptete, Aris Zeugung beruhe auf einer intimen Begegnung zwischen seiner Mutter, die er in diesem Zusammenhang als miserable, geschlechtskranke Hure bezeichnete, und einem verlausten Straßenköter. Der Berg aus Fleisch verfügte über ein beachtliches Arsenal an Beschimpfungen.

Ari war die ganze Zeit regungslos geblieben. An seiner Gesichtsmuskulatur, die sich deutlich unter der Haut abzeichnete, konnte man seine Anspannung erkennen. Sein Gegenüber hatte den Satz noch nicht vollendet, als Ari sich plötzlich leicht zur Seite drehte und dem Iren mit der Außenkante seines Fußes auf die Kniescheibe trat. Dieser erste Tritt war exakt plaziert und traf den Betrunkenen mit voller Wucht. Ich bildete mir ein, trotz der lauten Musik in der Bar ein häßliches Knacken zu hören. Der Ire kippte nach vorn, wobei er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht ans Bein fasste und gleichzeitig versuchte, mit der Faust nach Ari zu schlagen.

Aber Ari war einen Sekundenbruchteil nach dem Tritt zur Seite gewichen, hatte sich das Bierglas von seinem Tresennachbarn gegriffen und den Inhalt dem anderen Iren mit einer blitzschnellen Bewegung seines Handgelenks ins Gesicht geschüttet. Während sich der zweite Ire an die schmerzenden Augen fasste, traf Ari ihn mit der Handkante an der Schläfe und trat ihm zur Bekräftigung seiner Botschaft zwischen die Beine. Der Mann brach mit einem langgezogenen Stöhnen, das sich anhörte wie das Schließen einer ungeölten Kellertür, zusammen und krümmte sich auf dem Boden.

Zwischen Aris erstem Tritt und dem Zusammensacken des zweiten Mannes lagen maximal zwei Sekunden. Jetzt bearbeitete Ari sein erstes Opfer mit einem Bombardement von gezielten Schlägen und Tritten in Leber und Nieren.

Die Effizienz von Aris schonungsloser Brutalität war beeindruckend. Ein schmächtig und ungelenk erscheinender Mann hatte innerhalb von Sekunden zwei andere Männer niedergestreckt, die zusammen mindestens hundertachzig Kilo auf die Waage brachten. Nach den vorangegangenen Beleidigungen empfand ich kein Mitleid mit den beiden und griff erst ein, als ich bemerkte, dass der Barmann die Szene inzwischen registriert hatte und Anstalten machte, sich am Geschehen zu beteiligen. Er hatte einen Baseballschläger in der Hand.

Es gelang mir, Ari am Arm zu fassen und ihn von dem inzwischen am Boden liegenden Riesen wegzuziehen.

- Wenn du nicht als Mörder eingebuchtet werden willst, wird es Zeit für einen kleinen Sprint!

Mit zwei kurzen Blicken in Richtung des Barmanns und des leblosen Körpers am Boden begriff Ari sofort. Ich hatte meinen Seesack geschultert und Aris Gitarre in der Hand, als wir durch die Schwingtür auf die kleine Seitenstraße stürzten.
(Fortsetzung folgt)

Sonntag, Juni 18, 2006

Shankar Drum Ganesh Machine

Inzwischen gibt es die flash-basierten Musikmaschinen in einigen Varianten. Auf die Punkrock-Version hatte ich schonmal am Ende eines älteren Beitrags verwiesen. Auch wenn das Prinzip immer wieder dasselbe ist, es macht jedes Mal Spaß, an diesen Automaten herumzuspielen.

Wer klassische indische Musik mag, kommt um die Shankar Drum Ganesh Machine nicht herum. Wäre schön, wenn es sowas auch für Hindipop gäbe.

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>> Spielen: Shankar Drum Ganesh Machine

Samstag, Juni 17, 2006

"Ich mahn dich ab"

Nerdcore wurde abgemahnt und Nilzenburger hat nicht nur spontan für den Weltfrieden gebloggt, sondern in Lichtgeschwindigkeit einen Hit dazu geschrieben, produziert und weltweit veröffentlicht.
SOLIDARITÄT + RESPEKT !
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>> Anhören: Ich mahn dich ab (Nilzenburger)

Laborversuchsreihe WM 2006

Viele Phänomene rund um den Fußball sind gleichzeitig Metaphern für die Situationen des menschlichen Lebens außerhalb des Sports. In den Labors der Stadien wird simuliert, was der Fan und Beobachter täglich in vito erlebt.

Das Leben ist ein ständiger, als Spiel getarnter Wettkampf um irgendeine, mehr oder weniger runde Sache. Wenn es gelingt, in ihren Besitz zu gelangen, versuchen die Spieler, die runde Sache mit Taktik, Tricks und Zauberei in ein Tor zu verwandeln, also zum Abschluss zu bringen. Je nach Liga- oder Turnierbegegnung gibt es dabei mehr oder weniger Zuschauer. Der beste Spieler bekommt den größten Applaus und das meiste Geld. Die Ersatzbank ist bequem, aber unbefriedigend, und bei mangelhafter Leistung droht die Auflösung des Vertrags.

Im Wechsel zwischen Sturm und Verteidigung, Angriff und Abwehr kann es bei Konfrontationen mit Gegenspielern zu unterschiedlichen Formen des Fouls kommen, die allerdings in den meisten Standardsituationen des Lebens von keinem Unparteiischen geahndet werden. Strafstöße kommen vor, es werden auch gelegentlich Platzverweise und Sperren für die nächste Begegnung erteilt.

Es gibt allerdings auch wesentliche Unterschiede zwischen dem Fußball und allem übrigen. Das tägliche Leben ist eine Einzelsportart und es existiert kein detailliertes Regelwerk, das auf sämtliche Situationen anwendbar wäre.

Viele Spieler stehen über einen längeren Zeitraum im Abseits und ihre Position hat keine Auswirkung auf den Spielverlauf.

Der Ball ist selten ganz rund, Eigentore fallen ständig, und es gibt keinen festen Rhythmus von vier Jahren für Weltklassebegegnungen.

Selten dauert ein Spiel nur neunzig Minuten. Daher sind im Spiel des Lebens andere Trainingseinheiten erforderlich als im Fußball. Und andere Trainer.

Freitag, Juni 16, 2006

Dringend benötigte Erfindungen

  • Farbdrucker mit kabelloser Verbindung zum Gehirn für die Direktübertragung und den Ausdruck von Gedanken in perfekter Bildschärfe
  • ortsunabhängig funktionierender Teletransporter
  • schalldicht verschließbare Ohrlider (nach der Funktionsweise von Augenlidern)
  • PC-Betriebssystem, das ohne lästigen Bootvorgang sofort arbeitsbereit ist
  • vollwertige vegetarische Ernährung, basierend auf der Einnahme von einer Pille täglich (besser: monatlich)

Auf der Stelle abschaffen

  • Massentierhaltung
  • Geburtstage
  • Kravatten
  • Farbkombination schwarz/rot/gelb
  • persönliche Defizite

Donnerstag, Juni 15, 2006

Last call



Diese Aufnahme entstand am 1. August 2005 auf dem Wiener Zentralfriedhof. Wenn es dann soweit ist, möchte ich bitte kein Mobiltelefon als Grabbeigabe. Und auch keine Kravatte. Auch nicht im testamentarisch verfügten Fall meiner Einäscherung.
Vielen Dank vorab.

Mittwoch, Juni 14, 2006

Enigmaskop (mind. haltbar bis xx / xx / xxxx)

Aries
Nicht alles, was durchsichtig erscheint, ist aus Glas. Beachten Sie entsprechende Hinweise. Das Inhalieren von kontaminierten Luftsplittern kann zu schweren Beschädigungen der Atemwege führen.

Taurus
Optik ist ebenso unbedeutend wie verschwiegene Meinungen. Inhaltliche Relevanz findet sich nur an Wochentagen ohne n zwischen unerreichten Extremen.

Gemini
Bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel empfiehlt es sich, die Schlagzeilen in der Zeitung Ihres Gegenübers zu notieren. Richtig kombiniert, enthalten sie wertvolle Botschaften.

Cancer
Schatten spenden nicht nur Zuflucht vor der Hitze. Nehmen Sie Ihre Ahnungen ernst und wundern Sie sich nicht über Alpträume im scheinbaren Wachzustand.

Leo
Verneigen Sie sich vor einer Chance nicht in Demut, sondern packen Sie die Gelegenheit beim Schopf. Alles weitere ergibt sich von selbst.

Virgo
Nutzen Sie jede Möglichkeit, nach den Sternen zu greifen und lassen Sie sich überraschen, was in völlig unerwarteten Momenten passieren kann.

Libra
Lagern Sie Erfrischungsgetränke nicht im Keller. Falls dies aus logistischen Gründen unvermeidbar sein sollte, sorgen Sie für eine normgerechte Ausleuchtung.

Scorpius
Sie neigen dazu, manche Gedanken an unbekannten Orten liegen zu lassen. Trauern Sie diesen Gedanken nicht hinterher, sondern betrachten Sie den Verlust als Befreiung.

Sagittarius
Meiden Sie hohe Gebäude. Falls das Betreten unvermeidbar ist, stellen Sie sich im Fahrstuhl nicht mit dem Gesicht zur Tür.

Capricornus
Solange es lhnen gelingt, sich nach den überlieferten Himmelsrichtungen zu orientieren, bieten die derzeit vorhandenen drei Dimensionen des Raumes hinreichende Fluchtmöglichkeiten.

Aquarius
Benutzen Sie beim Überqueren einer Straße nur die weißen Teile des Zebrastreifens. Auf den Abschnitten dazwischen könnten Sie im Asphalt versinken.

Pisces
Lügen haben keine Beine, keinen Rumpf und schon gar keinen Kopf, sondern bestehen aus einem einzigen Körperteil, nämlich der Nase. Sehen Sie sich jede Nase genau an, bevor Sie ihr ein Taschentuch anbieten.

Dienstag, Juni 13, 2006

Ein Porsche in Tarnfarben (VIII)

Aris Bierglas war noch dreiviertel voll. Er betrachtete den Inhalt mit gerunzelter Stirn, als ob es sich um einen rätselhaften Forschungsgegenstand handelte und trank das Bier dann mit geschlossenen Augen in einem Zug leer.

- Lass uns abhauen. Ich zeige dir, wo ich wohne. Unterwegs holen wir deinen Kram, du kannst bei mir pennen.

Er griff sich seine Gitarre und stürzte aus der Tür. Ari hatte es plötzlich sehr eilig und ich konnte auf dem Weg zum Last Waterhole kaum Schritt mit ihm halten. Obwohl wir uns erst seit zwei Stunden kannten, erschien es mir nicht sonderbar, dass Ari mir das Angebot machte, bei ihm zu übernachten. Wir schienen beide eine Art Seelenverwandschaft zu empfinden.

Durch den Schlafraum im zweiten Stock waberte der übliche Haschischnebel. Eine schwarze Frau mit Glatze und zahlreichen Einstichen an den Armen bot mir Sex für zehn Gulden an. Es wurde höchste Zeit für mich, zu verschwinden. Während ich meinen Seesack aus dem verbeulten Spind holte, wartete Ari in der Bar des Last Waterhole und trank Genever.

Als ich wieder nach unten in die Bar kam, war Ari in eine Auseinandersetzung mit zwei sturzbetrunkenen Iren verwickelt. Die sich anbahnende Schlägerei befand sich noch in der Droh- und Schubsphase. Diese Art von Situation entwickelte sich immer nach dem gleichen Muster.

Ich bemühte mich, die erhitzten Gemüter der Iren zu beruhigen. Ari starrte dem größeren der beiden mit kaltem Blick unentwegt in die Augen, was den Iren weiter anstachelte und zu immer obszöneren Beleidigungen provozierte.

Wenige Augenblicke später erlebte ich, wie der blasse, magere und sanft wirkende Ari in einer gewaltigen Entladung von Brutalität explodierte.
(Fortsetzung folgt)

Montag, Juni 12, 2006

Über die Verrichtung der geistigen Notdurft

Das menschliche Gehirn ist eine gefräßige Bestie. Mit seinen Sinnesorganen verschlingt der Mensch täglich Millionen Eindrücke, die er am Buffet seiner geistigen Anwesenheit erreichen kann. Diese Nahrung in Form von Worten, Bildern und akustischen Ereignissen wird mehr oder weniger unzerkaut geschluckt und über die körpereigenen Transportsysteme in den Gehirntrakt befördert.

Dort verdauen Gehirnsäuren und gedankliche Enzyme den Brei aus Wortfetten, Bildspurenelementen und Hörhydraten. Die Eindrücke werden zu einer existenziellen Geistesenergie transformiert.

Ausgewogene Eindrücke in Verbindung mit regelmäßiger Gedankenbewegung sind wesentlich an der Erhaltung der geistigen Gesundheit beteiligt. Bei einer erhöhten Aufnahme von Informationskalorien kommt es selten zur gefürchteten Gehirnverfettung. Geistige Unterernährung hingegen kann sich in schmerzhaften Symptomen äußern, die häufigsten Erscheinungsbilder sind Lethargie, materieller Konsum und zwanghafter Ablenkungsbedarf.

Die während des Verdauungsvorgangs entstehenden Abfallprodukte müssen regelmäßig entsorgt werden. Bei den meisten Menschen entleert sich der Verstand über verbale Toilettengänge. Einige Individuen führen ihre geistigen Verdauungsrückstände dem Informationskreislauf zur Wiederverwertung zu, indem sie neue Worte, Bilder und akustische Ereignisse produzieren, um diese dann in den entsprechenden medialen Kloaken zu platzieren.

Störungen des geistigen Verdauungstrakts äußern sich in chronischer Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen oder schweren Durchfallerkrankungen. Vorliegende Ausscheidung ist ein exemplarisches Beispiel für das letztgenannte Symptom.

Sonntag, Juni 11, 2006

Schamhaarverpflanzung, Var. Gott

Schamhaarverpflanzung, Var. Netzer

Schamhaarverpflanzung, Var. Adohi

Tattoo des Tages

Dieser Herr wird selten mit anderen Zeitgenossen verwechselt.

Samstag, Juni 10, 2006

Ein Porsche in Tarnfarben (VII)

Bier diente eigentlich nie der Inspiration, und Leute, die unter dem Einfluss von Alkohol kreative Gedanken fassen konnten, verdienten Respekt. Tony war stocknüchtern.

- Wirst du in Deutschland von den Bullen gesucht?
- Nein, antwortete ich und wusste nicht, ob das gut oder schlecht war.
- Das ist gut, sagte Tony und fragte, ob ich einen Führerschein besaß. Aus der Jukebox dröhnte inzwischen Born to be wild, ein Song, der mir noch nie gefallen hatte.

- Klar kann ich fahren.

Das war nicht gelogen, denn ich konnte ein Auto fahren und war auch schon auf verschiedenen Motorrädern unterwegs gewesen. Aber für den Führerschein war ich zu jung.

Tony schüttelte langsam den Kopf. Er drückte Ari einen kleinen Gegenstand in die Hand und verließ das Other Place, ohne sich zu verabschieden. Als er uns den Rücken zukehrte, stellte ich erstaunt fest, dass Tony kein Backpatch der Hells Angels auf seiner Lederjacke trug. Kurz, nachdem Tony den Coffee Shop verlassen hatte, hörte man das bösartige Knurren der schwarzen Harley.
(Fortsetzung folgt)

Phantombildgenerator

... irgendwo habe ich den schonmal gesehen ... oder war es eine Frau ... endlich kann der Bürger zuhause nachvollziehen, warum die Kripo soviel Spaß bei der Arbeit hat.
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>> Phantombildgenerator

Freitag, Juni 09, 2006

Highway to hell (AC/DC, 1979)

Bretagne, 19. Februar 1980
Pauline Simon fuhr in ihrem R4 auf der Route Nationale 164, irgendwo zwischen Pleyben und Gwennili. Die Scheibenwischer ruderten im schnellsten Takt und trotzdem verwandelte der Regen die Windschutzscheibe in Milchglas. Pauline hatte die verschwommene Gestalt am Straßenrand in der Dunkelheit nicht sofort wahrgenommen, aber sie bremste und setzte den Kastenwagen etwa hundert Meter zurück.

Der Junge öffnete die Beifahrertür und fragte, ob sie ihn ein Stück in Richtung Brest mitnehmen könnte. Seine Lederjacke war aufgeweicht, was ihm aber trotz der Februarkälte nichts auszumachen schien. Über seine Stirn fielen lange, schwarze Locken, die im Licht der Innenbeleuchtung glänzten und von denen das Regenwasser tropfte. Pauline sagte, er solle einsteigen.

Während er seinen Seesack auf die Rückbank legte, sah sie sich den Jungen genauer an. Sie fand ihn außergewöhnlich hübsch. Er besaß ein schmales Gesicht und funkelnde Augen in der Farbe seiner Haare. Seine Lippen schimmerten wegen der Kälte bläulich und um seinen Mund hatte er einen traurigen Zug. Das lag an seinem rechten Mundwinkel, der leicht nach unten gezogen war.

Sie hätte nicht sagen können, warum sie in diesem Moment bereute, dass sie angehalten hatte. Vielleicht wegen der langen, hellrosa Narbe, die sich entlang der linken Seite seines Halses zog und irgendwie beunruhigend auf sie wirkte.

- Wir können jetzt losfahren, meinte der Junge, als er neben ihr saß und die Tür zugezogen hatte.
- Sobald du dich angeschnallt hast.
- Bei Ihnen muss man sich nicht anschnallen, Sie sehen aus wie eine sehr vernünftige Fahrerin.
- Wenn du denkst, du kannst mir mit sowas schmeicheln, steigst du gleich wieder aus.

Er sah mit hochgezogenen Augenbrauen in ihre Richtung, verzog das Gesicht zu einem Grinsen und legte den Sicherheitsgurt an.

- Woher kommst du?
- Aus Paris. Ich will nach Brest, weil ich auf einem Schiff anheuern und Matrose werden will.

Ein Ausreißer, dachte Pauline und lächelte.

- Und welchen Namen haben dir deine Eltern gegeben, die jetzt in Paris sitzen und auf dich warten?
- Ich heiße Benoît und meine Eltern sind mir noch nie begegnet. Hat man Ihnen auch irgendwann einen Namen gegeben?
- Pauline Simon.
- Ok, Madame Simon, dann zeige ich Ihnen jetzt mal, was gute Musik ist.

Er fasste an das Tapedeck, in dem sich eine Kassette von Fleetwood Mac befand und stoppte ihren Lieblingssong, Like a Gypsy.

- Moment. Über die Musik in meinem Auto bestimme ich.
- Bleiben Sie doch einfach entspannt. Ihr Althippies meint immer, ihr seid sensationell weltoffen und tolerant, aber am Ende interessiert ihr euch nichtmal für musikalischen Fortschritt.
- Dafür, dass ich dich vor zwei Minuten im Regen aufgelesen habe, wirst du gerade ziemlich frech.
- Also, sind Sie jetzt weltoffen oder nicht?

Pauline wollte ihm sagen, dass sie keineswegs weltoffen sei, was die musikalische Untermalung ihrer Autofahrten betraf. Aber da war bereits eine Kassette, die er zuvor aus seiner Jackentasche gefischt hatte,
im Tapedeck verschwunden. Er drehte den Lautstärkeregler bis zum Anschlag nach rechts. Ein monolithischer Gitarrenriff dröhnte aus den beiden Lautsprechern, die im hinteren Teil des Kastenwagens angebracht waren.

Living easy, living free
Season ticket on a one-way ride

Pauline versuchte, ruhig zu bleiben. Aber der Gesang, eine Mischung aus Schreien und Quengeln, brachte sie aus der Fassung.

No stop signs, speed limit
Nobody's gonna slow me down

- Nimm sofort die Kassette aus dem Tapedeck!
Sie erschrak über die Aggressivität in ihrer Stimme.

Like a wheel, gonna spin it
Nobody's gonna mess me round

- AC/DC, erstklassiger Rock 'n' Roll. Heute vor einem Jahr ist Bon Scott, der Sänger der Band, gestorben. Lassen Sie uns das Tape zu seinen Ehren anhören!

Pauline war anderer Meinung, wütend griff sie zum Tapedeck. Der Junge versuchte, sie daran zu hindern und es kam zu einem Handgemenge. Dabei lachte und schrie er plötzlich wie ein Geisteskranker.


Das letzte, was Pauline Simon in ihrem Leben sah, waren die Fernlichter eines 32 Tonnen schweren Lkw.

Als man ihre Leiche aus dem zerquetschten Blech barg, fand man zwischen Beifahrersitz und Rückbank einen mit nassem Zeitungspapier vollgestopften Seesack. Keiner ihrer Angehörigen hatte eine Erklärung für die Herkunft des Gepäckstücks.

In der Werkstatt des Schrotthändlers lief Ride on von AC/DC. Er baute das Tapedeck aus, und nachdem er es vom
Bandsalat einer Fleetwood Mac Kassette befreit hatte, konnte er es neun Tage später für 33 Francs weiterverkaufen.

Donnerstag, Juni 08, 2006

Ein Porsche in Tarnfarben (VI)

Ari redete ununterbrochen. Er machte einen aufgeregten Eindruck und seine Hände flatterten zur Illustration des Gesagten wie Nachtfalter durch die Luft. Ich war zwar in der Lage, die Volkskrant zu lesen und konnte den Sinn der meisten Beiträge erfassen, aber von dem, was Ari in seinem Amsterdamer Dialekt sagte, verstand ich kein Wort.

Tony schwieg und konzentrierte sich mit halb zugekniffenen Augen auf einen Fixpunkt in der Ferne, den nur er sehen konnte. Plötzlich hob er in einer kaum bemerkbaren Bewegung Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand, was für Ari ein unmissverständliches Zeichen war, zu schweigen. Jemand hatte die Jukebox gefüttert und gerade lief Whole lotta love von Led Zeppelin.

Nach einer langen Pause fragte Tony mich unvermittelt
- Was hast du hier verloren?

Er sagte das in einem leidenschaftslosen Ton, ohne erkennbare Feindseligkeit. Dennoch klang die Frage nicht nur wegen ihres Inhalts bedrohlich. Tony hatte eine dunkle Stimme, er sprach sehr langsam und undeutlich. Später erfuhr ich, dass er bei einem Motorradunfall achtzig Prozent seines Gehörs verloren hatte.

Ich antwortete
- Nichts.

Das klang banal, aber es entsprach der Wahrheit, die in den meisten Fällen banal ist.

- Bist du wegen Drogen in Amsterdam?
- Nein.

Auch das entsprach der Wahrheit. Ich habe nie verstanden, warum so viele Deutsche nach Holland reisten, um sich zu betäuben. Wahrscheinlich wegen der günstigeren Preise. Aber das rentierte sich nur beim Kauf größerer Mengen, denn wenn man die Reisekosten berücksichtigte, konnte man fast jeden Stoff mit ähnlichem Aufwand auch in Deutschland besorgen.

Dann gab es natürlich noch die vielen Deutschen, die über Pfingsten oder Ostern und andere verlängerte Wochenenden nach Amsterdam kamen, weil sie es lässig fanden, dass es toleriert wurde, wenn man in der Öffentlichkeit sogenannte weiche Drogen konsumierte. Alberne Haschtouristen.


Ergänzend fügte ich hinzu
- Die beste Droge ist ein klarer Verstand.
- Aber du befeuchtest deinen klaren Verstand gerne mit Bier?
- Wenn es der Inspiration dient.
(Fortsetzung folgt)

Mittwoch, Juni 07, 2006

Sergeant Slaughter

Sergeant SlaughterHier ist meine Lieblingskarte aus dem Wrestling-Quartettspiel zu sehen, das ich 1996 in Kuala Lumpur gekauft habe, um mich während einer langen Busreise bei Laune zu halten.

Sergeant Slaughter hatte zum damaligen Zeitpunkt trotz seines bescheidenen Gewichts (
299 Pfund) immerhin 13 von 17 Kämpfen gewonnen. Ist aber völlig unerheblich, weil man Wrestling getrost als zweitgrößten Quatsch aller Zeiten bezeichnen kann. Für den Ehrentitel Größter Quatsch aller Zeiten werde ich mir wechselweise andere Themen vorbehalten.

Dienstag, Juni 06, 2006

Das Leben ist eine Wartehalle

Boarding Pass AlgierDu sitzt auf einem geduldigen Stuhl und beobachtest die Zeit, die wie eine hungrige Raubkatze durch den Raum schleicht.

Während du auf die nächste verpasste Gelegenheit wartest, stehen andere Fahrgäste in einer endlosen Schlange am Schalter der Hoffnung. Hinter der Milchglasscheibe hängt seit Jahren ein Schild mit der Aufschrift komme gleich wieder, von einem pensionierten Beamten irgendwann zwischen Kaffeepause und Feierabend mit der unbeholfenen Schrift eines Kindes geschrieben.

Zum Glück hast du deine Fahrkarte bei einer günstigeren Gelegenheit erstanden, obwohl der Preis unerschwinglich war. In der Zwischenzeit sind so viele Züge ohne dich abgefahren, dass du beim Gedanken an den reservierten Fensterplatz lächelst.

Keine der befugten Personen konnte dir Auskunft darüber erteilen, ob deine Fahrkarte noch Gültigkeit besitzt. Aber das ist dir inzwischen egal, denn du wärst ein Schwarzfahrer in jedem Verkehrsmittel mit einem glaubhaft ausgewiesenen Ziel.
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Abflughalle Houari Boumediene Airport,
Algier, 6. Juni 2006

Sonntag, Juni 04, 2006

Ein Porsche in Tarnfarben (V)

Ari stellte seine Gitarre hinter die Bar und ging zu einer riesigen Gestalt, die regungslos im Halbschatten einer hinteren Ecke des Coffee Shops stand. Ich bestellte zwei Bier, lehnte mich an die Wand und beobachtete die beiden aus dem Augenwinkel.

Der Riese musste Tony sein. Während Ari im Verlauf des Gesprächs immer aufgeregter gestikulierte, blieb Tony starr wie eine von Rodin in Bronze gegossene Skulptur. Er hatte seine Arme vor der Brust verschränkt, hin und wieder schien er langsam und zustimmend mit dem Kopf zu nicken.

Irgendwann drehte sich Ari um und winkte mich zu sich. Ich drückte ihm das zweite Bier in die Hand und er stellte mich seinem Cousin vor. Tony nickte kurz, wobei er zwar in Richtung meines Gesichts, aber an mir vorbei sah. Später fiel mir auf, dass er auch Ari nie direkt in die Augen, sondern immer knapp an ihm vorbei sah. Das hatte jedoch nichts Ausweichendes, da sein Blick die ganze Zeit über konzentriert war und irgendeinen Punkt in weiter Ferne zu fixieren schien.

Tony hatte einen großen Kopf, der in Relation und Wuchtigkeit zum Rest seines Körpers passte. Sein Hals, sowie die rechte Gesichtshälfte und der rasierte Schädel waren nach Art der Maori mit geometrischen Mustern tätowiert. Über die linke Gesichtshälfte erstreckte sich ein dunkelrotes Brandmal, das in seinen Umrissen an einen unbekannten Kontinent erinnerte.
(Fortsetzung folgt)

Die letzte Kriegerin>> Filmtipp:
Die letzte Kriegerin
(Once were warriors, Neuseeland, 1994)

Samstag, Juni 03, 2006

Das abgefackelte Ohr

Während eines Frisörbesuchs im Frankfurter Bahnhofsviertel habe ich möglicherweise herausgefunden, wie Elias Canetti auf seinen Romantitel Die Fackel im Ohr kam. Canettis Frisör muss Türke gewesen sein.

Der junge Mann, der mir die Haare schneiden sollte, war sehr ambitioniert und schien seinen Beruf zu mögen. Er sprach zwar kein Deutsch, aber sein Kollege übersetzte meine Wünsche nahezu fließend in ihre gemeinsame türkische Muttersprache.

Ich bekam nicht nur einen gelungenen Haarschnitt für zehn Euro, sondern auch noch ungefragt eine offenbar im Preis enthaltene Gesichtsmassage verpasst.

Anschließend kürzte mir der Frisör mit einer winzigen Schere die Nasenhaare, wobei man erwähnen könnte, dass sich mein äußeres Erscheinungsbild nicht gerade durch eine übertriebene Länge der Nasenhaare auszeichnet. Aber die Nasenhaarstutzung gehörte ebenfalls zum Service und auch das ließ ich mir noch gefallen.

Im weiteren Verlauf der Sitzung ergriff der Haarkünstler einen dünnen, etwa 20 Zentimeter langen Stab, den er an einem Ende mit einem Wattebausch umwickelte. Die Watte besprühte er mit einem Spray, das ich später als Motorradkettenreiniger identifizieren konnte. Ich begann, mir ernsthafte Sorgen zu machen, als er den getränkten Wattebausch mit Hilfe eines Feuerzeugs entzündete. Die Sorgen kumulierten in einer Panikattacke, als der furchtlose Frisör sich mit seiner Fackel meinem Ohr näherte und in einem Blitzangriff begann, den feinen Flaum auf meiner Ohrmuschel zu versengen.

Ich bin einem interkulturellen Erfahrungsaustausch nicht grundsätzlich abgeneigt, aber es gibt Grenzen. Die Abfackelung meines Ohrs erschien mir aus westeuropäischer Sicht als Tabubruch und ich sprang mit einem Schrei vom Frisiersessel auf.

Ein Geruch von verbrannter Haut lag in der Luft des türkischen Salons. Bärtige Männer, die nach dem Besuch einer nahe gelegenen Hinterhofmoschee auf einen Haarschnitt vorbeigekommen waren, hielten beim Teetrinken inne. Der Brandstifter war von meiner Reaktion ebenso geschockt wie ich. Er stammelte irgendetwas auf Türkisch und sein Kollege entschuldigte sich bei mir für den unerwarteten Schrecken.

Zur Versöhnung schmierte man mir einen Klumpen Gel in die neue Frisur.

Beim nächsten Frisörbesuch ging ich wieder zu Johan, dem akklimatisierten Rumänen in meiner Straße. Dort gab es zwar keine Gesichtsmassage, aber Nase und Ohren befanden sich in der Sicherheit einer quasi westeuropäischen Tabuzone.
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Der neue westeuropäische Trend zur gewagten Ohrfrisur:
Ohrbewuchs

Freitag, Juni 02, 2006

Ace of Spades (Motörhead, 1980)

Ace of spadesDas Pik-Ass begleitet mich durchs Leben. Als Songtitel einer monumentalen Rockformation und in Gestalt einer Spielkarte, die mir ein Zauberer im Tigerpalast zuwarf.

Meine erste Begegnung mit Johnny Klinkes Tigerpalast hatte ich Mitte der Neunziger, kurz nach dem Umzug ins Frankfurter Ostend. Ich war abends in Bornheim unterwegs, hatte einen halben Schluck Bier zuviel getrunken und suchte meinen Weg nach Hause. Ich weiß nicht mehr, wie spät es war, als mir plötzlich ein Tiger ins Ohr fauchte.

Ich blieb stehen und dachte, jetzt sei es mittels surrealistischer Zwangsvorstellungen an diesem Abend endgültig um den letzten Rest objektiver Wahrnehmung der mich umgebenden Welt geschehen. Langsam drehte ich meinen Kopf nach rechts und blickte direkt in die geweiteten Pupillen des Tigers. Ich schloss meine Augen, aber ich hörte weiterhin das durchdringende Schnurren der Katze.

Aufgrund des Alkoholspiegels konnte ich die Augen nicht lange geschlossen halten, da sich sofort ein Schwindelgefühl einstellte. Die kurze, kognitiv genutzte Pause reichte jedoch für die Erkenntnis, dass es sich um einen realen Tiger handelte und dass sich die Raubkatze hinter Gitterstäben befand. Sofort fiel mir Rilke ein. Und dann fiel mir ein, dass es in Rilkes Gedicht kein Tiger, sondern ein Panther war. Verfluchter Alkohol.

Ich schaute mich um und stellte anhand der Leuchtreklame fest, dass ich mich ungefähr auf Höhe des Eingangs zum Tigerpalast befand. Der notorische Palasttiger war in einer Art Zirkuswagen neben dem Bordstein geparkt und wartete auf seine Spätvorstellung in dem Variete zwischen Konstablerwache und Zoo. Die Wartezeit vertrieb sich das Tier auf- und abschleichend mit Fauchen und Schnurren.

Etwa ein Jahr später arbeitete ich für eine amerikanische Unternehmensberatung, die ihre Mitarbeiter zu einer Weihnachtsfeier in den Tigerpalast einlud. Die Firma konnte sich das leisten, weil der kleine, spitzbübische Schwindel mit einer angeblich neuen Ökonomie zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgeflogen war und die sogenannten neuen Märkte sich fröhlichster Sektlaune erfreuten.

Die Darbietungen der überwiegend osteuropäischen Artisten waren beeindruckend. An diesem Abend sah ich auch den Tiger wieder, der an einer Kette zwischen dem Publikum durch den Raum geführt wurde. Er tat so, als würde er mich nicht kennen und schaute in eine andere Richtung.

Mein Pik-Ass-Schlüsselerlebnis aber war ein Zauberer aus Las Vegas, der Kartentricks zeigte und nach jedem Trick einzelne Karten treffsicher bestimmten Personen im Raum zuwarf. Wie er das anstellte, weiss ich nicht. Fest steht, dass er eine Zielperson im halb abgedunkelten Raum auswählte und die Spielkarte dann in einem weiten Bogen der anvisierten Person auf den Schoß warf.

Ich saß über zehn Meter von der Bühne entfernt. Als der Zauberer mich ansah und mit ausgestrecktem Arm auf mich zeigte, hielt ich es für unmöglich, dass er treffen könnte. Er hob den Arm und schnippste die Karte aus seinen Fingern. Ohne dass ich die Flugbahn verfolgen konnte, kam die Karte von links aus dem düsteren Raum, traf mich auf der Brust und fiel in meinen Schoß.

Um den Applaus für den Zauberer zu bekräftigen, hielt ich die Karte hoch. Im Licht des auf mich gerichteten Scheinwerfers konnte man erkennen, dass es das Pik-Ass war. Die Rückseite war mit Werbung eines Spirituosenherstellers bedruckt: Kornbrenner für Kornkenner.Korn

Die Karte war einige Jahre verschollen. Vor kurzem fand ich sie wieder, als Lesezeichen in der Fassbinder-Biografie Schlafen kann ich wenn ich tot bin.
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>> Ace of Spades

Donnerstag, Juni 01, 2006

+++ newsflash +++

MQ´s Gerhirnphasen+++ der himmel begegnet einem zwei meter unter der erde und der sommer liegt in diesem jahr noch tiefer begraben +++ auf dem weg zur arbeit gehirn in u-Bahn vergessen +++ glück gehabt. gehirn auf dem heimweg in der u-bahn wieder gefunden. es lag noch am selben platz, wahrscheinlich wollte es keiner haben +++ das leben ist ein kreuzworträtsel +++

Ein Porsche in Tarnfarben (IV)

Vor dem Other Place stand eine Harley Fat Bob, die mir schon am Tag zuvor aufgefallen war. Die Maschine war einschließlich des Motors schwarz lackiert. Das Besondere an dem Motorrad war der Tank. Er war mit schwarzem Tropenholz verkleidet und hatte die Form eines Sarges. Im Sargdeckel war ein silbernes Kreuz eingelassen, auf dem die kunstvoll gravierten Worte Lucifer in caelum aeternum zu lesen waren. Luzifer im ewigen Himmel.

- Das ist Tonys Bike, sagte Ari und zeigte auf die schwarze Maschine.

Tony gefiel mir, bevor ich ihn gesehen hatte und ich folgte Ari ins Innere des Other Place. Dort standen mehrere Hells Angels an der Bar und tranken Bier. In der Jukebox lief On the Road again von den Grateful Dead. Am Tisch vor dem Fenster saßen drei Huren. Die schönen Mädchen rauchten einen Joint im Coffee Shop, um nach der Pause zurück an ihre Arbeitsplätze hinter den neonrot beleuchteten Schaufenstern des Viertels oder in anderen Bordellen zu schweben.

Die Stimmung war beherrscht aggressiv und es wurde nicht viel gesprochen. Ari meinte, in der vergangenen Nacht sei es zu Auseinandersetzungen mit einem Chapter der Bandidos aus Kopenhagen gekommen.

Was mir an den Hells Angels im Gegensatz zu anderen Motorradgangs imponierte, war ihre Unnahbarkeit. Es waren große Kerle mit harten Gesichtern und scharfen Blicken, von denen man nicht getroffen werden wollte. Mir gefiel ihre Größe und ihre Härte und dass sie allein durch ihr Auftauchen Respekt einflößten. (Fortsetzung folgt)
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>> Sonny Barger