Montag, Juni 12, 2006

Über die Verrichtung der geistigen Notdurft

Das menschliche Gehirn ist eine gefräßige Bestie. Mit seinen Sinnesorganen verschlingt der Mensch täglich Millionen Eindrücke, die er am Buffet seiner geistigen Anwesenheit erreichen kann. Diese Nahrung in Form von Worten, Bildern und akustischen Ereignissen wird mehr oder weniger unzerkaut geschluckt und über die körpereigenen Transportsysteme in den Gehirntrakt befördert.

Dort verdauen Gehirnsäuren und gedankliche Enzyme den Brei aus Wortfetten, Bildspurenelementen und Hörhydraten. Die Eindrücke werden zu einer existenziellen Geistesenergie transformiert.

Ausgewogene Eindrücke in Verbindung mit regelmäßiger Gedankenbewegung sind wesentlich an der Erhaltung der geistigen Gesundheit beteiligt. Bei einer erhöhten Aufnahme von Informationskalorien kommt es selten zur gefürchteten Gehirnverfettung. Geistige Unterernährung hingegen kann sich in schmerzhaften Symptomen äußern, die häufigsten Erscheinungsbilder sind Lethargie, materieller Konsum und zwanghafter Ablenkungsbedarf.

Die während des Verdauungsvorgangs entstehenden Abfallprodukte müssen regelmäßig entsorgt werden. Bei den meisten Menschen entleert sich der Verstand über verbale Toilettengänge. Einige Individuen führen ihre geistigen Verdauungsrückstände dem Informationskreislauf zur Wiederverwertung zu, indem sie neue Worte, Bilder und akustische Ereignisse produzieren, um diese dann in den entsprechenden medialen Kloaken zu platzieren.

Störungen des geistigen Verdauungstrakts äußern sich in chronischer Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen oder schweren Durchfallerkrankungen. Vorliegende Ausscheidung ist ein exemplarisches Beispiel für das letztgenannte Symptom.

7 Comments:

Anonymous Anonym said...

Schägg ich net. Iss mia zu hoch.

12.6.06  
Blogger mq said...

Ui ! So hoch wollte ich das Thema gar nicht hängen.

12.6.06  
Anonymous Anonym said...

Also für mich klingt das mit den medialen Kloaken strak nach Bild-zeitung ;)

12.6.06  
Anonymous Anonym said...

stark war das wort was ich suchte...STARK! nicht strak -.-

12.6.06  
Anonymous Anonym said...

Mir gefällt der Artikel gut. Hat Spaß gemacht.

13.6.06  
Blogger der Nachbar said...

wir menschen neigen dazu, das denken von einem leistungsorientierten, einem materiellen standpunkt aus zu betrachten: je mehr wissen, desto besser...je größer der wortschatz, desto intelligenter, etc., etc.; hinzu kommt, meiner meinung nach, dass der wissenserwerb vorwiegend dazu dient, eine lust zu befriedigen, es gibt leute, die nennen das die "lust am aha-Effekt"; der ständige drang zu denken also als folge einer zutiefst materiellen weltanschauung und eines lustgesteuerten menschen...die große gefahr dabei ist, den ursprünglichen gegenstand des denkens - sich selbst - aus den augen zu verlieren, konstrukt um konstrukt zu bauen und sich zu verlieren in aufgeblähten gedankenblasen; ich befürchte, dass alles so weit verdaut werden sollte, dass wir uns in der reduktion selbst finden und die einzige notdurft eine lichte ist, um es vornehm "auszudrücken"

13.6.06  
Blogger mq said...

@tapedeck: die mediale Kloakenlandschaft ist ein weites Feld ...
@nomak: Jemand Spaß bereitet zu haben ist ein guter Grund, zuversichtlich in den Tag zu blicken. Merci!
@chris: Ja. Bewusst oder unbewusst, die Aneignung von Wissen kann auch der Ablenkung vom Wesentlichen dienen. Meistens ist die Ablenkung sogar erwünscht, weil die hohe Kunst der Auseinandersetzung mit sich selbst immer mit Verletzungen verbunden ist. Alles Denken soweit zu verdauen, bis "wir uns in der Reduktion selbst finden und die einzige notdurft eine lichte ist" ist eine gelungene Metapher und wäre eine wohltuende Vorstellung dieses schmerzhaft umzusetzenden Vorgangs.

14.6.06  

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