Montag, Dezember 31, 2007

Revolución ...

... bekleidet mit amerikanischen Jeans und einem T-Shirt, das in Vietnam mit dem Namen einer britischen Band bedruckt wurde in Havanna Mochitos aus Ikea-Gläsern mit Prägung Made in Turkey trinken, ohne dabei den deutschen Winter zu vermissen.

Samstag, Dezember 01, 2007

Doppelt einfach

Unauffällig folgte Escher dem anderen, während er ihn in den Spiegelbildern der Schaufenster verstohlen beobachtete. Die Größe passte. Der andere hatte auch dieselbe Figur und Kopfform. Sein Haarschnitt gefiel ihm nicht, aber es sollte kein Problem sein, die Frisur zu ändern.

Er bewegte sich offenbar ziellos durch die Straßen der großen Stadt. Am Rand eines Viertels, das Escher vertraut war, verschwand der Verfolgte in einen dunklen Hinterhof. Escher brach die Observation ab und ging zu seiner Wohnung. Dort stellte er sich vor, wie der andere seinen grauen Mantel auszog und vielleicht in eine kleine Küche ging, um sich einen doppelten Espresso zu kochen. Amüsiert zog auch er seinen grauen Mantel aus, ging in seine kleine Küche und kochte sich einen doppelten Espresso.

Escher stellte sich vor, wie es wäre, ein neues Leben zu beginnen, mit einer anderen Identität von vorne anzufangen. Irgendwo hatte er gelesen, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit von jedem Menschen ein fast identisches Ebenbild gibt. Die Theorie erschien ihm einleuchtend, zumal es von vielen berühmten Persönlichkeiten Doppelgänger gab. Aufgrund der Berühmtheit dieser Menschen war es einfach, ihre Doppelgänger ausfindig zu machen. Wenn man jedoch nicht in den Medien abgelichtet wurde, bedurfte es eines Zufalls, um den Doppelgänger zu finden.

Endlich war er ihm begegnet. Seit Wochen überlegte Escher, wie es ihm gelänge, sich unbemerkt das Leben des anderen anzueignen. Er kam immer wieder zu dem Ergebnis, dass er den anderen vernichten musste, um ihn seiner Rolle zu berauben und seine Identität zu übernehmen. Dabei durfte keiner merken, dass es den anderen nicht mehr gab. Nur Eschers eigenes Verschwinden würde den Behörden Rätsel aufgeben.

Escher hatte sich für den Zweck der Vernichtung eine Schusswaffe besorgt. An einem milchtrüben Novembertag nahm er den Revolver aus einer Schublade und steckte ihn in die Innentasche seines grauen Mantels. Die Kälte des Metalls drang durch den Stoff an seine Brust.

Vor dem Haus mit dem dunklen Hinterhof musste er nicht lange auf den anderen warten. Wie die vielen Male zuvor verfolgte er ihn durch das Labyrinth aus Beton. Dabei ließ er die flüchtigen Reflexionen der Gestalt auf den Schaufensterscheiben nicht aus den Augenwinkeln.

Escher folgte dem anderen durch den dunklen Hinterhof in das Treppenhaus einer Mietskaserne. Der Mann im grauen Mantel schien die Anwesenheit seines Verfolgers zu spüren, er drehte sich mehrmals um. Escher fühlte eine tiefe Verbundenheit mit dem anderen, sogar die fremde Umgebung erschien ihm vertraut.

- Ich habe Sie erwartet,
sagte der andere, als sie sich in der Wohnung gegenüberstanden. Er lächelte ihn dabei milde an. Escher hob den Arm und zielte mit dem Revolver in der Faust auf sein Gegenüber. In wenigen Momenten würde er ein Leben auslöschen, aber dafür ein neues beginnen. Der andere schien keine Angst zu empfinden, als er den Lauf des Revolvers auf seine Stirn gerichtet sah.

Auf den lautlosen Schuss folgte ein Klirren. Escher betrachtete die Scherben auf dem Teppich und beschloss, für sein neues Leben keinen Spiegel mehr an der Wand anzubringen. Für einen Moment schloss er befreit die Augen.

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