Langweilige Mordmethode
Das menschliche Gesicht kann über ein Zusammenspiel von Kontraktionen viertausend verschiedene Ausdrücke annehmen, unter seiner Haut befinden sich mehr Muskeln als in jedem anderen Körperteil.
Bormann kannte den Tod. Er hatte schon viele Leichen gesehen. Aber dieses Opfer besaß einen Gesichtsausdruck, wie er ihm noch nie bei einem Toten begegnet war. Einigen war die Panik ihrer letzten Sekunden ins Gesicht geschrieben. Andere wirkten, als hätten sie ihren Mörder mit einem Lächeln im Augenblick des Todes verspottet. Obwohl ihm die Mimik beinahe geläufig erschien, fand Bormann nicht die richtige Bezeichnung für den Ausdruck im Gesicht des Mannes, der in einem schwarzen Kunstledersessel versunken war und trotz der einsetzenden Leichenstarre vollkommen entspannt wirkte.
- Wenn ich nur wüsste, woran mich dieser Gesichtsausdruck erinnert, murmelte Bormann in Richtung seines Kollegen Grimm, ohne ihn dabei anzusehen.
- Schwer zu sagen, meinte Hauptkommissar Grimm und gähnte, ich habe sowas noch nie gesehen. Dabei kommt mir dieser Blick bekannt vor. Ich kann es nicht begründen, aber ich werde das Gefühl nicht los, als sei hier eine außergewöhnliche Grausamkeit geschehen. Obwohl alles friedlich wirkt. Störend friedlich. Warum stirbt ein augenscheinlich kerngesunder Mann in diesem Alter so plötzlich?
Während er sprach, ereilte Grimm ein weiterer Gähnanfall. Bormann musste auch gähnen. Die beiden Polizeibeamten nahmen die Hände nicht aus den Taschen ihrer Mäntel und standen mit gähnenden Mündern vor dem Toten. Einem Außenstehenden wäre die Situation befremdlich erschienen. Aber es befand sich kein Außenstehender im Raum. Die Kollegen von der Spurensicherung und der Pathologe waren mit routinierten Handgriffen damit beschäftigt, ihre Arbeit zu erledigen. Sie kannten die gesamte Bandbreite der Befremdlichkeit. Zwei gähnende Männer neben einer Leiche kamen ihnen nicht befremdlich vor.
Bormann fragte den Mediziner, woran der Mann gestorben sein könnte.
- Das kann ich dir sagen, sobald ich die Leiche auf meinem Obduktionstisch vernommen habe, erwiderte Fettler mürrisch.
Bormann hob die linke Augenbraue und schaute fragend in Grimms Richtung. Der zuckte mit den Achseln.
- Fettler, bei deiner pathologischen Kreativität hast du doch bestimmt eine Idee, provozierte Bormann.
- Bei meiner pathologischen Kreativität habe ich jede Menge Ideen, was ich am liebsten mit Kollegen tun würde, die mir um diese Uhrzeit dumme Fragen stellen.
Bormann gab auf. Fettlers Einsilbigkeit war legendär, und wenn er nicht reden wollte, konnte niemand außer Fettlers Siamkatze diesen Zustand auf unbestimmte Zeit ändern.
Sechs Stunden später konnte Fettler nicht mehr reden, und dieser Zustand war endgültig. Wieder standen Bormann und Grimm gähnend neben dem Tod. Diesmal war außer ihnen niemand im Raum. Sie hatten Fettler neben dem Obduktionstisch auf dem Boden gefunden. Auf dem Tisch lag der Grund ihres Besuchs. Mit geöffnetem Schädel.
- Mensch, Bormann, der Fettler hat den gleichen Gesichtsausdruck wie dieser Kerl hier auf dem Tisch. Beide mausetot, aber sie wirken absolut unversehrt, sagte Grimm fassungslos.
- Bis auf den kleinen Sprung in der Schüssel, fügte Bormann gähnend hinzu.
Am Nachmittag rief Bormann an und bat Grimm, in seinem Büro vorbeizukommen. Eine Zeugin des Mordes an dem Mann im schwarzen Kunstledersessel habe sich gemeldet, sie werde gleich bei ihm sein.
Als Grimm das Büro des Kollegen betrat, saß die Besucherin unbeweglich mit dem Rücken zur Tür. Bormann starrte ihn von der anderen Seite des Schreibtisches mit halb geöffneten Augen an. Er wirkte auf eine leblose Weise entspannt. Obwohl Grimm spürte, dass sein Kollege tot war, musste er unwillkürlich gähnen und empfand nichts als eine betäubende Langeweile, die sich wie ein Gift in ihm breit machte. Plötzlich wusste Grimm, woran ihn der Gesichtsausdruck von Bormann und den beiden anderen Toten erinnerte. Es war ein Ausdruck der vollkommenen Langeweile.
Langsam wendet die Zeugin ihren Kopf in Grimms Richtung. Und er spürt, wie das Blut aus seinen Schläfen weicht. Die Zeugin hat kein Gesicht.
Grimm dreht sich um. Jetzt schaut er mit wässrigen Augen mitten im Satz dem Leser dieses Textes ins Gesicht. Dir. Und du musst gähnen.
Bormann kannte den Tod. Er hatte schon viele Leichen gesehen. Aber dieses Opfer besaß einen Gesichtsausdruck, wie er ihm noch nie bei einem Toten begegnet war. Einigen war die Panik ihrer letzten Sekunden ins Gesicht geschrieben. Andere wirkten, als hätten sie ihren Mörder mit einem Lächeln im Augenblick des Todes verspottet. Obwohl ihm die Mimik beinahe geläufig erschien, fand Bormann nicht die richtige Bezeichnung für den Ausdruck im Gesicht des Mannes, der in einem schwarzen Kunstledersessel versunken war und trotz der einsetzenden Leichenstarre vollkommen entspannt wirkte.
- Wenn ich nur wüsste, woran mich dieser Gesichtsausdruck erinnert, murmelte Bormann in Richtung seines Kollegen Grimm, ohne ihn dabei anzusehen.
- Schwer zu sagen, meinte Hauptkommissar Grimm und gähnte, ich habe sowas noch nie gesehen. Dabei kommt mir dieser Blick bekannt vor. Ich kann es nicht begründen, aber ich werde das Gefühl nicht los, als sei hier eine außergewöhnliche Grausamkeit geschehen. Obwohl alles friedlich wirkt. Störend friedlich. Warum stirbt ein augenscheinlich kerngesunder Mann in diesem Alter so plötzlich?
Während er sprach, ereilte Grimm ein weiterer Gähnanfall. Bormann musste auch gähnen. Die beiden Polizeibeamten nahmen die Hände nicht aus den Taschen ihrer Mäntel und standen mit gähnenden Mündern vor dem Toten. Einem Außenstehenden wäre die Situation befremdlich erschienen. Aber es befand sich kein Außenstehender im Raum. Die Kollegen von der Spurensicherung und der Pathologe waren mit routinierten Handgriffen damit beschäftigt, ihre Arbeit zu erledigen. Sie kannten die gesamte Bandbreite der Befremdlichkeit. Zwei gähnende Männer neben einer Leiche kamen ihnen nicht befremdlich vor.
Bormann fragte den Mediziner, woran der Mann gestorben sein könnte.
- Das kann ich dir sagen, sobald ich die Leiche auf meinem Obduktionstisch vernommen habe, erwiderte Fettler mürrisch.
Bormann hob die linke Augenbraue und schaute fragend in Grimms Richtung. Der zuckte mit den Achseln.
- Fettler, bei deiner pathologischen Kreativität hast du doch bestimmt eine Idee, provozierte Bormann.
- Bei meiner pathologischen Kreativität habe ich jede Menge Ideen, was ich am liebsten mit Kollegen tun würde, die mir um diese Uhrzeit dumme Fragen stellen.
Bormann gab auf. Fettlers Einsilbigkeit war legendär, und wenn er nicht reden wollte, konnte niemand außer Fettlers Siamkatze diesen Zustand auf unbestimmte Zeit ändern.
Sechs Stunden später konnte Fettler nicht mehr reden, und dieser Zustand war endgültig. Wieder standen Bormann und Grimm gähnend neben dem Tod. Diesmal war außer ihnen niemand im Raum. Sie hatten Fettler neben dem Obduktionstisch auf dem Boden gefunden. Auf dem Tisch lag der Grund ihres Besuchs. Mit geöffnetem Schädel.
- Mensch, Bormann, der Fettler hat den gleichen Gesichtsausdruck wie dieser Kerl hier auf dem Tisch. Beide mausetot, aber sie wirken absolut unversehrt, sagte Grimm fassungslos.
- Bis auf den kleinen Sprung in der Schüssel, fügte Bormann gähnend hinzu.
Am Nachmittag rief Bormann an und bat Grimm, in seinem Büro vorbeizukommen. Eine Zeugin des Mordes an dem Mann im schwarzen Kunstledersessel habe sich gemeldet, sie werde gleich bei ihm sein.
Als Grimm das Büro des Kollegen betrat, saß die Besucherin unbeweglich mit dem Rücken zur Tür. Bormann starrte ihn von der anderen Seite des Schreibtisches mit halb geöffneten Augen an. Er wirkte auf eine leblose Weise entspannt. Obwohl Grimm spürte, dass sein Kollege tot war, musste er unwillkürlich gähnen und empfand nichts als eine betäubende Langeweile, die sich wie ein Gift in ihm breit machte. Plötzlich wusste Grimm, woran ihn der Gesichtsausdruck von Bormann und den beiden anderen Toten erinnerte. Es war ein Ausdruck der vollkommenen Langeweile.
Langsam wendet die Zeugin ihren Kopf in Grimms Richtung. Und er spürt, wie das Blut aus seinen Schläfen weicht. Die Zeugin hat kein Gesicht.
Grimm dreht sich um. Jetzt schaut er mit wässrigen Augen mitten im Satz dem Leser dieses Textes ins Gesicht. Dir. Und du musst gähnen.