Samstag, Juli 30, 2011

Sehr geehrter Busfahrer,

Kompliment für die Blasiertheit, mit der Sie der alten Frau in letzter Sekunde die Tür vor der Nase geschlossen haben. Komplett evil. Auch wenn Sie den Kopf stur geradeaus gerichtet hielten, war am Seitenblick und diesem verächtlichen Grinsen in Ihrem Mundwinkel zu erkennen, dass Sie die Frau wahrgenommen hatten. Weltmeisterlich böse. Gehörte diese professionelle Herablassung zu Ihren Einstellungsvoraussetzungen, oder war das ein Weiterbildungsmodul? Und standen auf Ihrem Ausbildungsplan auch Unterrichtsfächer wie Unfreundlichkeit, Dumpf Gucken oder Unverständlich Nuscheln?

Und warum grüßen Sie grundsätzlich jeden Busfahrer, aber niemals entgegenkommende Straßenbahner, Mofas, Kinderwägen oder Tretroller? Müssen Sie bei Unterlassung des Grußes mit einer empfindlichen Geldstrafe oder kollegialer Kollektivdresche rechnen?

Rätselhaft bleibt auch, warum Sie zwischen zwei Haltestellen Ihre Frau wegen irgendwelcher Einkäufe am Telefon anschreien, aber wenn ein Passagier freundlich nach einer Auskunft fragt, wortlos auf das Schild zeigen, auf dem zu lesen ist, dass es untersagt sei, den Busfahrer während der Fahrt anzusprechen.

Manchmal erscheint mir Ihre Berufsgruppe wie ein Fahrplan mit sieben Siegeln. Und irgendwie will ich das alles überhaupt nicht so genau wissen, sondern wünsche Ihnen aus Eigeninteresse weiterhin eine unfallfreie Fahrt.

Mit fahrgastflüchtigen Grüßen,
mq

Dienstag, Juli 26, 2011

Entzug der Sehnsucht

Während R versuchte, sich seiner Sehnsucht zu entziehen, kam ihm jenes zersetzende Verlangen unbemerkt abhanden. R vermisste das Sehnen und Suchen jedoch erst, als nichts mehr davon übrig war. Und inmitten der plötzlichen Leere stellte R fest, dass es sich nicht um die erwartete Erleichterung, sondern um den größten vorstellbaren Verlust handelte. Denn bis zu diesem Zeitpunkt waren unerfüllte Erwartungen der Kraftstoff für seinen Antrieb. Obwohl R an einem Sonntagmorgen frei von Fragen erwachte, konnte die Sehnsucht doch nicht über Nacht verschwunden sein. Wie ein Langstreckenläufer, der zuletzt ins Ziel kam, empfand R keine Freude über den Erfolg des Ankommens, sondern nur Erschöpfung und am Ende aller Mühen eine weite Leere. R hatte geglaubt, durch den Entzug der Droge Sehnsucht Leichtigkeit zu finden und sein Bewusstsein wie in einem Ballon durch den Abwurf von Ballast in unverhangene Aussichten zu befördern. Aber das Dasein war unerschütterlich auf dem Boden der Tatsachen verankert.

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Mittwoch, Juli 20, 2011

Weg zu sich selbst


(von oben)


(von unten)

Dieser Weg führt zu sich selbst und ist auf dem Gelände des Frankfurter Finanzamts zu bestaunen.

Donnerstag, Juli 14, 2011

Sehr geehrte Außerirdische,

Sie kommen sicher viel herum im Universum. Immer auf Achse, Mathe 1, atonale Gesänge und ein Riesenarsenal an Wunderwaffen. Das nenne ich außerirdisch!

Leider bin ich Ihnen noch nie begegnet. Obwohl ich mir bei dem Typ in der Wohnung schräg unter mir nicht ganz sicher bin. Er trägt zu jeder Jahreszeit Lederhandschuhe und sondert atonale Gesänge ab.

Gewiss haben Sie einen prallen Terminkalender, aber sollten Sie irgendwann einmal in geringer Distanz von wenigen Lichtjahren, also einen Katzensprung von unserer Galaxie entfernt, mit Ihrem Raumschiff herumgondeln und überlegen, wie Sie den freien Sonntagnachmittag verbringen wollen, würde ich Sie gerne auf ein Getränk Ihrer Wahl einladen. Man könnte das mit einer Mission verbinden, da Sie unentwegt auf Missionen sind. So lehrt es zumindest die einschlägige Fachliteratur.

Über die kleine Installation, die wir Erde nennen, kann man sich nicht grundsätzlich beschweren. Das Ganze wurde zwar im Hobbykeller Gottes in nur einer Woche gebastelt, aber es gibt unwirtlichere Gegenden im Universum. Störend sind hier nur einige Fehlentwicklungen wie Aufsitzrasenmäher, Kunstledermäntel, Risikolebensversicherungen, kalorienlose Limonade, Raumsprays, Sonnenstudios und MP3-Player im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Könnten Sie solchen Unsinn gelegentlich unter Einsatz Ihrer Wunderwaffen korrigieren? Es wäre ein kleiner Schritt für Sie, ein großer für die Menschheit. Wie gesagt, die Getränke gehen aufs Haus.

Und wenn Sie anschließend wieder verduften, bitte vergessen Sie nicht, den Typ aus der Wohnung schräg unter mir mitzunehmen.

Mit intergalaktischen Grüßen,
mq

Montag, Juli 11, 2011

Kängurus in Radebeul

Freitag, Juli 08, 2011

Sa-gen-haft

Und dann gibt es Leute, die ständig "genau" sagen. Gespräche verlaufen ungefähr so:
- Am Sonntag
- Genau.
- war krass schönes Wetter.
- Ja. Genau.
- Ideal für einen Spaziergang.
- Genau.
- Ich bin in den Wald
- Genau.
- gegangen.
- Ich auch, genau.
- Leider waren noch andere Leute im Wald.
- Genau, andere Leute.
- Das hat krass genervt.
- Genervt, ganz genau.
- Aber zum Glück hatte ich meine Heckler & Koch
- Genau, Heckler & Koch, genau.
- dabei.
(Peng.)


Bei diesem Sprachverhalten mit Penetration des Adjektivs "genau" liegt die Absicht, ähnlich wie bei Heckler & Koch, in der Präzision. Aber die Wirkung entspricht vielmehr einer Streubombe. Sprache wird zur Massenvernichtungswaffe. Jedes "Genau" trifft wie ein gezielter Schuss ins Blaue und verursacht kommunikative Kollateralschäden.

In Heimatfilmen der 1950er Jahre pflegten die Hauptdarsteller bei aufkeimender Naturbegeisterung ein volltönendes "herrlichherrlich" in die Gebirgslandschaft zu posaunen. Von "herrlichherrlich" über "knorke" und "dufte" bis zu "geil", "cool" und "porno" - keine Epoche ohne ihre Sprachmarotten. Und egal, ob Leute jede unwichtige Bemerkung mit "nicht wirklich" kommentieren, zwanghaft mit fragenden "Hallos" die akustische Landschaft verschandeln oder alles "krass" finden, dieses Füllwörtergeschwätz verbreitet sich virulent und flächendeckend wie eine Seuche.

Neulich im Zug entgegnete ein alter Mann der Lautsprecheransage zu einer weiteren Verspätung, die Deutsche Bundesbahn sei "sagenhaft". Dabei sezierte er das Wort in die drei Silben, wovon er die beiden ersten jeweils genüsslich dehnte, um das Ganze dann mit einem zynischen "haft" auszischen zu lassen. Vermutlich war "sagenhaft" eine Art "krass" der Vorkriegszeit und stand in einer Reihe mit umgangssprachlichem Fallobst wie "fa-bel-haft", "mär-chen-haft" oder "ein-fach-traum-haft". Ich finde das alles jedenfalls grauenhaft. Grau-en-haft. Genau.