Sa-gen-haft
Und dann gibt es Leute, die ständig "genau" sagen. Gespräche verlaufen ungefähr so:
- Am Sonntag
- Genau.
- war krass schönes Wetter.
- Ja. Genau.
- Ideal für einen Spaziergang.
- Genau.
- Ich bin in den Wald
- Genau.
- gegangen.
- Ich auch, genau.
- Leider waren noch andere Leute im Wald.
- Genau, andere Leute.
- Das hat krass genervt.
- Genervt, ganz genau.
- Aber zum Glück hatte ich meine Heckler & Koch
- Genau, Heckler & Koch, genau.
- dabei.
(Peng.)
Bei diesem Sprachverhalten mit Penetration des Adjektivs "genau" liegt die Absicht, ähnlich wie bei Heckler & Koch, in der Präzision. Aber die Wirkung entspricht vielmehr einer Streubombe. Sprache wird zur Massenvernichtungswaffe. Jedes "Genau" trifft wie ein gezielter Schuss ins Blaue und verursacht kommunikative Kollateralschäden.
In Heimatfilmen der 1950er Jahre pflegten die Hauptdarsteller bei aufkeimender Naturbegeisterung ein volltönendes "herrlichherrlich" in die Gebirgslandschaft zu posaunen. Von "herrlichherrlich" über "knorke" und "dufte" bis zu "geil", "cool" und "porno" - keine Epoche ohne ihre Sprachmarotten. Und egal, ob Leute jede unwichtige Bemerkung mit "nicht wirklich" kommentieren, zwanghaft mit fragenden "Hallos" die akustische Landschaft verschandeln oder alles "krass" finden, dieses Füllwörtergeschwätz verbreitet sich virulent und flächendeckend wie eine Seuche.
Neulich im Zug entgegnete ein alter Mann der Lautsprecheransage zu einer weiteren Verspätung, die Deutsche Bundesbahn sei "sagenhaft". Dabei sezierte er das Wort in die drei Silben, wovon er die beiden ersten jeweils genüsslich dehnte, um das Ganze dann mit einem zynischen "haft" auszischen zu lassen. Vermutlich war "sagenhaft" eine Art "krass" der Vorkriegszeit und stand in einer Reihe mit umgangssprachlichem Fallobst wie "fa-bel-haft", "mär-chen-haft" oder "ein-fach-traum-haft". Ich finde das alles jedenfalls grauenhaft. Grau-en-haft. Genau.
- Am Sonntag
- Genau.
- war krass schönes Wetter.
- Ja. Genau.
- Ideal für einen Spaziergang.
- Genau.
- Ich bin in den Wald
- Genau.
- gegangen.
- Ich auch, genau.
- Leider waren noch andere Leute im Wald.
- Genau, andere Leute.
- Das hat krass genervt.
- Genervt, ganz genau.
- Aber zum Glück hatte ich meine Heckler & Koch
- Genau, Heckler & Koch, genau.
- dabei.
(Peng.)
Bei diesem Sprachverhalten mit Penetration des Adjektivs "genau" liegt die Absicht, ähnlich wie bei Heckler & Koch, in der Präzision. Aber die Wirkung entspricht vielmehr einer Streubombe. Sprache wird zur Massenvernichtungswaffe. Jedes "Genau" trifft wie ein gezielter Schuss ins Blaue und verursacht kommunikative Kollateralschäden.
In Heimatfilmen der 1950er Jahre pflegten die Hauptdarsteller bei aufkeimender Naturbegeisterung ein volltönendes "herrlichherrlich" in die Gebirgslandschaft zu posaunen. Von "herrlichherrlich" über "knorke" und "dufte" bis zu "geil", "cool" und "porno" - keine Epoche ohne ihre Sprachmarotten. Und egal, ob Leute jede unwichtige Bemerkung mit "nicht wirklich" kommentieren, zwanghaft mit fragenden "Hallos" die akustische Landschaft verschandeln oder alles "krass" finden, dieses Füllwörtergeschwätz verbreitet sich virulent und flächendeckend wie eine Seuche.
Neulich im Zug entgegnete ein alter Mann der Lautsprecheransage zu einer weiteren Verspätung, die Deutsche Bundesbahn sei "sagenhaft". Dabei sezierte er das Wort in die drei Silben, wovon er die beiden ersten jeweils genüsslich dehnte, um das Ganze dann mit einem zynischen "haft" auszischen zu lassen. Vermutlich war "sagenhaft" eine Art "krass" der Vorkriegszeit und stand in einer Reihe mit umgangssprachlichem Fallobst wie "fa-bel-haft", "mär-chen-haft" oder "ein-fach-traum-haft". Ich finde das alles jedenfalls grauenhaft. Grau-en-haft. Genau.
15 Comments:
Ähnlich inflationär werden heutzutage leider auch Worte wie GRANDIOS und SENSATIONELL und SPANNEND benutzt.
Gerne von denjenigen, die in der Zeit Teenager waren, in der DUFTE von COOL abgelöst wurde.
boah ey, aber hallo! krass geil alter!
finde es beruhigend, dass sich die Menschen überhaupt nicht verändern, sondern nur die Worte, die sie benutzen.
Und ich gebe zähneknirschend zu, dass mir mitunter ein "irgendwie", "krass" oder "heftig" herausrutscht. Voll abgefahren!
- Ja, richtig!
- Oder?
- Genau.
Spannend!
Früher sagte ich: Wir könnten einfach mal schweigen. Heute schweige ich ...
Sprachbilder: Die "Verschandelung der akustischen Landschaft" bewerte ich mit zehn Punkten.
Ach, lange Zeit ging es mir da wie Ihnen...bis dann die Wende kam (ich glaube, es war das Wort "Supi", das plötzlich alle und alles begleitete - grottuös!). Seitdem nehme ich es mit Humor und setze dererlei bei Gelegenheit selbst ein, gerne völlig unpassend. Das ist so, wie mit den Fahrstuhlgesprächen übers Wetter: Entweder man leidet oder man macht sich einen Spaß draus ... So what?
Für mich war die größte Pein der letzten Jahre die inflationäre Verwendung des Wortes "Kult" für jeden egal woher gelaufenkommenden Scheißdreck und die sogenannte "Kanak Sprack"- Welle Mitte der 90er, die spätestens nach dem dritten Imitator nicht mehr witzig war, und der Terminus "Sinn machen", der auch nicht richtiger dadurch wird, daß er jetzt Einzug in die Medien gehalten hat. Solche Dumpfbackendialoge wie der obige finden wenigstens noch unter weitestgehendem Ausschluß der Öffentlichkeit statt...
Schachtelsatzinferno, bemerke ich grad.Sorry.
/JULiANE: Absolut, JULiANE, ab-so-lut.
/MudShark: o, Oh.
/sonali: Ich finde es, ehrlich gesagt, sehr beunruhigend, wenn Menschen sich überhaupt nicht verändern.
/f'n'n:
- Möglich.
- Vielleicht.
- Klar.
/mkh: Reden ist Blech, Schweigen ist Dynamit.
/Frau H.: Gibt es einen größeren Spaß als Fahrstuhlgespräche übers Wetter?
/King Bronkowitz: Ich stimme mit jeder Faser meines Verstandes zu! Nichts ist Kult. Außer der Totempfahl, den wir vor 13 Jahren in einer windgepeitschten Nacht errichtet hatten.
Sie wollen mir doch damit jetzt nicht sagen, dass SIE Spaß machen? Wo ist denn Ihre bitte hochgerühmte Humorlosigkeit geblieben, hmmm?
Ich bin enttäuscht. Aber echt jetzt, MAL ;)
Allerbeste Frau H.: Spaß ist ein dehnbarer Begriff und bereitet in vielen Fällen grausame Schmerzen.
Ein Satz für die Ewigkeit. Besten Dank.
@mq/beunruhigend: ja und nein. Das schafft eine gewisse Sicherheit und erstickt diese ganzen merkwürdigen Ideen im Keim, der Mensch würde unentwegt über sich selbst hinaus wachsen. Im Grunde unterscheiden sich doch die elementaren Handlungsmotive heute überhaupt nicht von denen aus der jeder anderen Zeit. Das kann man deprimierend, aber auch durchaus beruhigend finden. Um jetzt mal völlig vom Thema des Textes abzukommen.
Fragende 'Hallos' sind das Schlimmste! Das Schlimmste, sag ich Ihnen!
/sonali: Danke für die nähere Ausführung. Ich verstehe Ihren Kommentar nun besser, und hinsichtlich der elementaren Handlungsmotive stimme ich vollkommen zu.
/eon: Ächt jetzt?
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