Bleiwüstenblumenpflücker
Auf der ausgetrockneten Haut seiner Zunge bildeten sich Risse mit scharfen Kanten. Das Blut schmeckte nach Druckerschwärze und klebte wie Honig am Gaumen. Verklärende Sonnen brannten auf der Tagseite, diffuses Licht ließ die Konturen der Bleiwüste verschwimmen. Die gleichförmige Umgebung, deren Graustufen R. durchstreifte, glich einer inneren Tundra.
Sein geistiges Auge fand kaum Anhaltspunkte in den verödeten Wortlandschaften, aber R. nahm jenen Durst während seiner Suche nach klaren Quellen in Kauf. Der Sud, den man ihm in Kristallkelchen servierte, schmeckte wie süßliches Gift. Begreifbar sollte alles sein in dieser Welt der simulierten Übersichtlichkeit. Informationsflüsse wurden begradigt, bis jeder Nichtschwimmer in eine beliebige Strömung eintauchen und sich mitreißen lassen konnte, ohne zu ertrinken.
R. vermisste die Anstrengung. Schrebergärtner hatten blühende Unterhaltungslandschaften erschaffen, aber ohne die Anstrengung als Gegenentwurf zur Ablenkung ist alles wertlos. Das Verständnis flüchtet vor dem Verstand durch Labyrinthe aus dicht beschriebenen Zeichenträgern. Man musste in die Archive der Bibliotheken steigen und in die ausgelagerten Bereiche der Archive, bis in die entferntesten Winkel des Gedächtnisses. Denn dort war alles vorhanden.
Etwas unterschied ihn von dem früheren Tier aus seinem persönlichen Paläozoikum. Und der Unterschied lag weder in Raum noch Zeit, sondern in einer anderen Größe, für die es noch keinen Begriff gab. R. hatte in der Suche nach diesem Begriff sein Ziel bestimmt.Labels: R