Hirndekor
Der Schrank am Merianplatz ist als "kleinste Bücherei der Stadt" (Frankfurter Neue Presse) bekannt geworden. Auf den ersten Blick erscheint die Idee - wie einst die weißen Fahrräder in Amsterdam - als Bereicherung des öffentlichen und privaten Lebens. Unbürokratisch und kostenfrei kann sich jeder Passant am Bücherschrank bedienen. Das Prinzip funktioniert unter der Voraussetzung, dass man ein geliehenes Buch entweder zurückbringt oder durch ein anderes ersetzt.
Immerhin steht der Kasten nun schon länger als ein Jahr an dieser Stelle und fiel - im Gegensatz zu den weißen Fahrrädern in Amsterdam - bislang keiner physikalischen Zerstörung zum Opfer. Grundsätzlich funktioniert das System. Aber leider nur in quantitativer Hinsicht. Anfangs stand dort hochwertige Literatur hinter Glas, mit der Zeit wurden diese Bücher zunehmend durch unbrauchbaren Schrott von Konsalik bis Pilcher ersetzt. Dazwischen verstecken sich vergilbte Pamphlete über steuerrechtliche Fragen der 1980er Jahre und ähnlicher Papiermüll.
Bei der inhaltlichen Degenerierung handelt es sich um geistigen Vandalismus, eine grobsinnige bürgerliche Form der Zerstörungswut. Man ist sich offenbar zu fein, die Schillers, Kafkas und Gernhards unverhohlen zu klauen, also werden sie zur Gewissensberuhigung durch wertloses Altpapier ersetzt. Jämmerlich. Aber typisch Mensch.
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>> Abweichende Beobachtungen
Immerhin steht der Kasten nun schon länger als ein Jahr an dieser Stelle und fiel - im Gegensatz zu den weißen Fahrrädern in Amsterdam - bislang keiner physikalischen Zerstörung zum Opfer. Grundsätzlich funktioniert das System. Aber leider nur in quantitativer Hinsicht. Anfangs stand dort hochwertige Literatur hinter Glas, mit der Zeit wurden diese Bücher zunehmend durch unbrauchbaren Schrott von Konsalik bis Pilcher ersetzt. Dazwischen verstecken sich vergilbte Pamphlete über steuerrechtliche Fragen der 1980er Jahre und ähnlicher Papiermüll.
Bei der inhaltlichen Degenerierung handelt es sich um geistigen Vandalismus, eine grobsinnige bürgerliche Form der Zerstörungswut. Man ist sich offenbar zu fein, die Schillers, Kafkas und Gernhards unverhohlen zu klauen, also werden sie zur Gewissensberuhigung durch wertloses Altpapier ersetzt. Jämmerlich. Aber typisch Mensch.
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