Dienstag, November 30, 2010

Hirndekor

Der Schrank am Merianplatz ist als "kleinste Bücherei der Stadt" (Frankfurter Neue Presse) bekannt geworden. Auf den ersten Blick erscheint die Idee - wie einst die weißen Fahrräder in Amsterdam - als Bereicherung des öffentlichen und privaten Lebens. Unbürokratisch und kostenfrei kann sich jeder Passant am Bücherschrank bedienen. Das Prinzip funktioniert unter der Voraussetzung, dass man ein geliehenes Buch entweder zurückbringt oder durch ein anderes ersetzt.



Immerhin steht der Kasten nun schon länger als ein Jahr an dieser Stelle und fiel - im Gegensatz zu den weißen Fahrrädern in Amsterdam - bislang keiner physikalischen Zerstörung zum Opfer. Grundsätzlich funktioniert das System. Aber leider nur in quantitativer Hinsicht. Anfangs stand dort hochwertige Literatur hinter Glas, mit der Zeit wurden diese Bücher zunehmend durch unbrauchbaren Schrott von Konsalik bis Pilcher ersetzt. Dazwischen verstecken sich vergilbte Pamphlete über steuerrechtliche Fragen der 1980er Jahre und ähnlicher Papiermüll.

Bei der inhaltlichen Degenerierung handelt es sich um geistigen Vandalismus, eine grobsinnige bürgerliche Form der Zerstörungswut. Man ist sich offenbar zu fein, die Schillers, Kafkas und Gernhards unverhohlen zu klauen, also werden sie zur Gewissensberuhigung durch wertloses Altpapier ersetzt. Jämmerlich. Aber typisch Mensch.

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>> Abweichende Beobachtungen

Donnerstag, November 18, 2010

Die sechs coolsten Säue

+++ Inder neben mir im Bus zwischen Dharamsala und Manali, auf meine Frage, ob es ihn stören würde, wenn ich rauche: "This is a free country, my friend."

+++ Jugendlicher in der morgendlichen S-Bahn zum Schulkameraden, nachdem er seinen Schokoriegel gegen ein gurkenbelegtes Vollkornbrötchen getauscht hat: "Mit dir mache ich gern Geschäfte."

+++ Türsteher: "Ich fürchte, Ihre Garderobe ist für den heutigen Abend keinesfalls angemessen."

+++ Maximal zwölfjähriger Nepali hinter einer Ladentheke in Kathmandu, auf meine zeichensprachlichen Erklärungsversuche, dass ich auf der Suche nach einer Nagelschere bin: "Are we talking about a nail clipper, sir?"

+++ Stewardess nach Landung: "Viel Spaß noch im wunderschön verregneten Frankfurt."

+++ P., nachdem er seinen Fiat 127 gegen den einzigen Baum an einer verkehrsfreien Landstraße gefahren hat: "Dieses Lied im Radio hat mich so tief berührt, da musste ich einfach das Lenkrad loslassen."

Ich hätte den Beitrag übrigens gern "Die sieben coolsten Säue" betitelt, weil das irgendwie cooler klingt, aber mir fällt momentan ums Verrecken kein weiteres Zitat ein, das es verdient hätte, bei der aktuellen Bestandsaufnahme berücksichtigt zu werden.