Bausatz Guru Urug
Auslagen von Schaufenstern erweckten sein Interesse ebenso wenig, wie die anderen Formen der Verbraucherinformation. Aber jedes Mal, wenn Escher am Laden für Modellbauzubehör vorbei kam, hielt er für einen Moment inne, um sich darüber zu wundern, mit welchen bizarren Beschäftigungen manche Artgenossen ihrer Zeit einen Strick drehten. Scheinbar alles existierte in Form von Modellen. Das Angebot reichte von mittelalterlichen Segelflotten, über Schützengrabenszenarien aus dem Ersten Weltkrieg, bis hin zu Fluggeräten jeder Art.
An einem verregneten Septembersonntag leuchtete Escher aus dem Schaufenster des Ladens für Modellbauzubehör eine rote Laufschrift entgegen: +++ verehre nicht die fremden Götzen der anderen +++ bau dir einen Gott, der zu dir passt +++ hier in allen Größen +++ ab 13,- +++
Im ersten Moment versetzte die Unhöflichkeit, von einer wildfremden Laufschrift geduzt zu werden, seiner Eitelkeit einen kleinen Stich. Aber dann begriff er, dass die Laufschrift jeden seltenen Passanten in diesem Winkel der Stadt duzte. Vermutlich konnte man es sich als Verkäufer von Götterbausätzen erlauben, seine Kunden auf Umwegen zu duzen.
Ohne den geringsten Zweifel am Wahnsinn seiner Unternehmung betrat Escher den Laden für Modellbauzubehör. Es roch nach Klebstoff, und ihn überkam ein wohltuendes Schwindelgefühl. Neben dem Verkaufstisch stand eine Chinesin, die ihn hinter dem dünnen Vorhang ihrer langen, schwarzen Haare anlächelte. Vorsichtig erkundigte sich Escher nach den Bausätzen für persönliche Götter. Die Chinesin stellte sich als Angel Ki vor, und Escher fühlte sich sofort in guten Händen. Sie erklärte ihm, dass im Vorfeld des Kaufs eine Ellenbogenanalyse nötig sei, um die passende Modellvariation festzustellen. Dieses Verfahren kam Escher ungewöhnlich vor. Aber aufgrund ihres bezaubernden Namens setzte er ein großes Vertrauen in die Chinesin, zumal ihm ihre schwarzen Augen gefielen und er nicht die geringste Ahnung vom Modellbau hatte.
Die Ellenbogenanalyse erschien ihm routiniert. Im Anschluss daran verkaufte ihm die Chinesin den Bausatz für seinen persönlichen Gott im Wert von 779,-. Mit einer zeremoniell anmutenden Geste und einem tiefschwarzen Blick überreichte sie Escher einen würfelförmigen Karton, der eine Kantenlänge von zwei Handlängen aufwies. Auf der Verpackung prangten die Lettern Guru Urug in orangefarbener Frakturschrift.
Escher bezahlte seinen Gott in bar und erhielt ungefragt einen Preisnachlass von zwei Prozent. Das machte ihm die Chinesin noch symphatischer. Dann musste er einen Haftungsausschluss für spirituelle Folgeschäden unterschreiben. Die Chinesin meinte, diese Formsache sei in der Branche seriöser Händler für Götterbausätze üblich.
Behutsam trug Escher den Karton durch den Sprühregen nach Hause. Der Bausatz seines persönlichen Gottes erhielt einen Ehrenplatz im Eichenregal, unmittelbar neben Brehms Tierleben. Anfangs beobachtete Escher den Karton ebenso argwöhnisch wie respektvoll aus seiner Sitzposition im Ohrensessel. Später legte sich eine pietätvolle Staubschicht über den Bausatz des Guru Urug, in der Art der Staubschicht über dem anderen Inventar seiner Wohnung. Geöffnet hat Escher den Karton nicht, denn er hatte nicht die geringste Ahnung vom Modellbau.
Eine unbestimmte Zeit nach dem Kauf des Guru Urug kam Escher durch einen Zufall wieder an dem Haus vorbei, in dem sich der Laden für Modellbauzubehör befunden hatte. Aus dem Schaufenster starrten ihn Schweinsköpfe aus Plastik an. Der Laden beherbergte eine Metzgerei. Escher fragte eine wuchtige Verkäuferin, die eine Schweinsmaske aus dem Schaufenster zu tragen schien, nach dem Verbleib des Ladens für Modellbauzubehör. Die Frau blickte ihn ausdruckslos an und erwiderte, einen solchen Laden habe es an dieser Stelle nie gegeben. Ihr handwerklicher Traditionsbetrieb befände sich seit vielen Jahrzehnten in diesem Haus.
Das erklärte, warum der Laden für Modellbauzubehör an jenem verregneten Septembersonntag scheinbar geöffnet hatte. Aber es war keine Erklärung für das tatsächliche Vorhandensein des Kartons mit den unsterblichen Bauteilen des Guru Urug, der weiterhin in Eschers Wohnung auf seine Montage wartete.
An einem verregneten Septembersonntag leuchtete Escher aus dem Schaufenster des Ladens für Modellbauzubehör eine rote Laufschrift entgegen: +++ verehre nicht die fremden Götzen der anderen +++ bau dir einen Gott, der zu dir passt +++ hier in allen Größen +++ ab 13,- +++
Im ersten Moment versetzte die Unhöflichkeit, von einer wildfremden Laufschrift geduzt zu werden, seiner Eitelkeit einen kleinen Stich. Aber dann begriff er, dass die Laufschrift jeden seltenen Passanten in diesem Winkel der Stadt duzte. Vermutlich konnte man es sich als Verkäufer von Götterbausätzen erlauben, seine Kunden auf Umwegen zu duzen.
Ohne den geringsten Zweifel am Wahnsinn seiner Unternehmung betrat Escher den Laden für Modellbauzubehör. Es roch nach Klebstoff, und ihn überkam ein wohltuendes Schwindelgefühl. Neben dem Verkaufstisch stand eine Chinesin, die ihn hinter dem dünnen Vorhang ihrer langen, schwarzen Haare anlächelte. Vorsichtig erkundigte sich Escher nach den Bausätzen für persönliche Götter. Die Chinesin stellte sich als Angel Ki vor, und Escher fühlte sich sofort in guten Händen. Sie erklärte ihm, dass im Vorfeld des Kaufs eine Ellenbogenanalyse nötig sei, um die passende Modellvariation festzustellen. Dieses Verfahren kam Escher ungewöhnlich vor. Aber aufgrund ihres bezaubernden Namens setzte er ein großes Vertrauen in die Chinesin, zumal ihm ihre schwarzen Augen gefielen und er nicht die geringste Ahnung vom Modellbau hatte.
Die Ellenbogenanalyse erschien ihm routiniert. Im Anschluss daran verkaufte ihm die Chinesin den Bausatz für seinen persönlichen Gott im Wert von 779,-. Mit einer zeremoniell anmutenden Geste und einem tiefschwarzen Blick überreichte sie Escher einen würfelförmigen Karton, der eine Kantenlänge von zwei Handlängen aufwies. Auf der Verpackung prangten die Lettern Guru Urug in orangefarbener Frakturschrift.
Escher bezahlte seinen Gott in bar und erhielt ungefragt einen Preisnachlass von zwei Prozent. Das machte ihm die Chinesin noch symphatischer. Dann musste er einen Haftungsausschluss für spirituelle Folgeschäden unterschreiben. Die Chinesin meinte, diese Formsache sei in der Branche seriöser Händler für Götterbausätze üblich.
Behutsam trug Escher den Karton durch den Sprühregen nach Hause. Der Bausatz seines persönlichen Gottes erhielt einen Ehrenplatz im Eichenregal, unmittelbar neben Brehms Tierleben. Anfangs beobachtete Escher den Karton ebenso argwöhnisch wie respektvoll aus seiner Sitzposition im Ohrensessel. Später legte sich eine pietätvolle Staubschicht über den Bausatz des Guru Urug, in der Art der Staubschicht über dem anderen Inventar seiner Wohnung. Geöffnet hat Escher den Karton nicht, denn er hatte nicht die geringste Ahnung vom Modellbau.
Eine unbestimmte Zeit nach dem Kauf des Guru Urug kam Escher durch einen Zufall wieder an dem Haus vorbei, in dem sich der Laden für Modellbauzubehör befunden hatte. Aus dem Schaufenster starrten ihn Schweinsköpfe aus Plastik an. Der Laden beherbergte eine Metzgerei. Escher fragte eine wuchtige Verkäuferin, die eine Schweinsmaske aus dem Schaufenster zu tragen schien, nach dem Verbleib des Ladens für Modellbauzubehör. Die Frau blickte ihn ausdruckslos an und erwiderte, einen solchen Laden habe es an dieser Stelle nie gegeben. Ihr handwerklicher Traditionsbetrieb befände sich seit vielen Jahrzehnten in diesem Haus.
Das erklärte, warum der Laden für Modellbauzubehör an jenem verregneten Septembersonntag scheinbar geöffnet hatte. Aber es war keine Erklärung für das tatsächliche Vorhandensein des Kartons mit den unsterblichen Bauteilen des Guru Urug, der weiterhin in Eschers Wohnung auf seine Montage wartete.
Labels: Escher
7 Comments:
Wahrscheinlich ist in dem Karton eine Treppe, die in Eschers Kopf führt und er findet sich in dem Modellbauladen wieder, in dem Moment als er gerade den Haftungsausschluss unterschrieben hat.
Die Idee von Gott als Treppe gefällt mir. Solange es keine Rolltreppe wäre.
Ich habe mir den gleichen Bausatz gekauft und vor ein paar Tagen erst zusammengebastelt.
Es wurde ... ein Spiegel.
Ich befürchte, bei mir wäre der gleiche Inhalt im Packerl. Deswegen schließe ich immer die Augen, wenn ich an solchen Läden vorbei komme ... und führe mich nicht in Versuchung. Obwohl Spiegel der Erkenntnis dienende Gegenstände sind.
und sei es nur die erkenntnis das das clerasil alle ist ...
... oder der Zahnarzt versagt hat.
An dieser Stelle muss allerdings hingewiesen werden auf den Umstand, dass es ein Unterschied ist zwischen dem Bau eines ganzen Gottes und dem Bau eines Götter-Modells¹. Genauso wie ein Unterschied ist zwischen einem Flugzeugträger und seinem Modell - wenn man das denn in seinem Wohnzimmer aufstellen will.
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¹ welchen Maßstab haben Deine Götter-Modelle eigentlich? 1:72, wie die Spur H0? Und: Sind so kleine Modelle denn genauso wirksam wie das Original?
Ich persönlich finde übrigens gerade die Idee von Gott als Rolltreppe spannend.
(hihi, das ist bestimmt lustig, wenn die automatische Weiterleitung all meine Kommentare von heute gleichzeitig ins Postfach vom Autor schiebt)
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