Montag, September 18, 2006

Eine Superheldin in den besten Jahren

Das ständige Pendeln zwischen den beiden Identitäten kostete sie bei jedem Einsatz äußerste Anstrengung. Während der wöchentlichen Sitzungen, die in den letzten Jahren unverzichtbar geworden waren, hielt sie mit Hilfe eines Spezialisten ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten auseinander. Für die mentale Führung bei der Gratwanderung am Rande der Schizophrenie ließ sich der therapeutische Reiseleiter fürstlich entlohnen.

Auf operativer Ebene hatte sie alles im Griff. Im Verlauf der Jahrzehnte war es ihr in Fleisch und Blut übergegangen, die zivile Kleidung innerhalb von Sekunden gegen Maske und Kostüm auszutauschen. Trotz des fortgeschrittenen Alters erlaubte ihre Konstitution, dass sie sich weiterhin auf übermenschliche Weise für das Wohl der Mitbürger einsetzte. Aber die Zeit war auch an ihr nicht spurlos vorüber gegangen.

Im Gegensatz zu manchen Kolleginnen, die ihre Fähigkeiten einer mindestens außerirdischen Abstammung, oder gelegentlichem Kontakt mit energetischen Substanzen verdankten, musste sie Gewichte stemmen und viele Meilen laufen, um jene Grundkondition zu erhalten, die zur Ausübung des Berufs einer Superheldin erforderlich war. Das Training wurde zunehmend beschwerlicher, und wenn sie sich manchmal nackt vor dem großen Spiegel in der Asservatenkammer betrachtete, zeichneten sich ihre Muskeln zwar noch immer in ästhetisch gelungenen Proportionen ab, die darüber gestülpte, faltige und solariumgetönte Haut jedoch stimmte sie traurig.

Obwohl sie den Schnitt und das Design ihres Kostüms aktuellen Modetrends anpasste, kam sie sich häufig lächerlich vor. Besonders schlimm war es, wenn man ihr abfällige Bemerkungen durch heruntergekurbelte Scheiben zurief. Neben Aufmerksamkeit erzeugte das Kostüm früher auch Anerkennung und gebührende Bewunderung. Inzwischen versuchten zwielichtige PR-Büros und Werbeagenturen, ihr Angebote zukommen zu lassen, wie man sie im Bewusstsein der Öffentlichkeit besser positionieren könnte.

Ein weiteres Problem lag darin, dass es immer schwieriger wurde, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Auch in den Reihen der Superhelden hatte man Orientierungsschwierigkeiten inmitten des großen Verlusts der Werte.

Gerne würde sie sich noch einmal einer großen Aufgabe stellen, so wie damals, als sie im Bandenkrieg zwischen den Zuhältern schlichtete. Aber sie konnte froh sein, wenn im Tagesgeschäft der Katastrophen ausreichend Aufgaben anfielen, um der Welt zu helfen und sich selbst über Wasser zu halten. In manchen Nächten war das Superheldendasein deprimierend, aber sie bewahrte ihre Haltung.

Mit Netzstrumpfhosen und einer routinierten Lässigkeit schlenderte Psychowoman über den Straßenstrich. In ihrer Handtasche befanden sich die Waffen einer Frau.

9 Comments:

Anonymous Anonym said...

Rechtzeitig in die Politik gehen!

18.9.06  
Anonymous Anonym said...

Ach, die alte Schlampe Europa.

Manchmal noch gut für'ne Überraschung, aber meist eine aus der alten, abgegriffenen Kiste, die keiner mehr so prickelnd findet.

Zeit für ein frisches Blut!

18.9.06  
Anonymous Anonym said...

Und doch verfügt sie noch immer über zahlreiche Stammfreier, selbst die Laufkundschaft nimmt eher zu.

Wenn das so weitergeht, werden wohl die Waffen einer Frau bald nicht mehr ausreichen, den Ansturm zu bewältigen.

Aber es gibt ja noch die Peitsche in der Rumpelkammer am Hansaplatz und die Tochter im Kloster wird auch bald alt genug sein.

18.9.06  
Anonymous Anonym said...

ja, ja diese Psychowoman... - da kann man froh sein, wenn man keinen mit der Psychokeule übergebraten bekommt...du hast doch nicht etwas...oder doch...?

18.9.06  
Anonymous Anonym said...

Ob Psychowoman noch genug Kraft aufbringen kann, um in den Kampf gegen Eschersche Flatulenz zu ziehen?

18.9.06  
Blogger mq said...

/Eon: ... und dann im Landkreis Ostvorpommern den NPD-Wichsern den Marsch blasen.

/Andie Schlampe: Billighure Asien im Anmarsch.

/Superopa: Die Sadonummer hat hierzulande eine hässliche Tradition. Das frische Blut wünscht man sich nämlich im bereits geronnenen Zustand. (Schwarzes Gold und schwarze Kassen - ja, schwarze Kunden - nein.)

/Chris: Nein. Ich bin naturbreit.

/Der Texttourist: Vielleicht besser, die beiden begegnen sich nicht. Dem Escher würde doch sofort die Luft im Darm versteinern.

18.9.06  
Anonymous Anonym said...

Alla, wolle mer se reilosse? Un emol rächt drüberstraabe?!

19.9.06  
Blogger der Nachbar said...

@markus: meinte mit Psychokeule mehr jene Frauen...

19.9.06  
Blogger mq said...

Dazu besitze ich selbst zu sehr die Eigenschaften einer Psychokeule. Außerdem schlüge das dem Fass der grenzenlosen Langeweile völlig den Boden durch.

19.9.06  

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