Donnerstag, Juni 07, 2007

Audienz beim Wettergott

- Der Chef erwartet Sie jetzt,
meinte der Vorstandsassistent zu dem Besucher im grauen Anzug, der mit einer Aktentasche auf seinem Schoß im Empfangszimmer saß.

Das Büro war geräumig. In einer Ecke hagelte es taubeneigroße Eiskörner, in einem anderen Winkel waberte Bodennebel. Der Wettergott thronte hinter seinem Schreibtisch aus Schäfchenwolken und starrte auf den Bildschirm eines Notebooks, wo Niederschlagsdiagramme flimmerten. Über ihm schien die Sonne, und ein Regenbogen fiel durch die Luftkuppel des Raumes.

- Guten Tag, mein Name ist Schmitz. Ich hatte um diesen Termin gebeten, weil ich mit Ihnen über das Wetter reden wollte.
- Das dachte ich mir, alle wollen ständig über das Wetter reden,
erwiderte der Wettergott und verzog dabei verächtlich einen Mundwinkel, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden.
- In letzter Zeit scheint Ihre Wetterproduktion auf Hochtouren zu laufen. Wenn man sich die Statistiken ansieht, könnte man fast von einer Überproduktion sprechen.
- Die Geschäfte laufen nicht schlecht, unsere diesjährige Wetterabsatzbilanz ist sehr erfreulich. Von Überproduktion kann keine Rede sein, der Bedarf ist groß.

Ein misstrauischer Zug schlich sich in den Mundwinkel des Wettergottes. Er wurde ungeduldig.


- Sie wurden als Mitglied der Wetteraufsichtsbehörde angekündigt. Was ist Ihr Anliegen?
- Innerhalb unserer Behörde bin ich Mitglied im kürzlich gegründeten Sonderausschuss für gewerbesteuerliche Angelegenheiten. Wir arbeiten eng mit den Kollegen im Finanzpantheon zusammen.

Man hatte ihm an diesem Tag schon einige schlechte Nachrichten über unpassend geschneiderte Windhosen und falsch ausgelieferte Orkane übermittelt, aber bei Erwähnung des Begriffs gewerbesteuerliche Angelegenheiten kippte die Laune des Wettergottes vollständig in den regnerischen Bereich.

- Bei der nächsten Göttervollversammung werden wir ein Konzept zur Anpassung der Regentropfensteuer vorlegen. Der Wettergott stöhnte, was sich als entferntes Donnergrollen bemerkbar machte.
- Aber Sie haben doch erst in der letzten Legislaturperiode Steuererhöhungen durchgesetzt! Wollen Sie mich ruinieren?
- Das betraf nur die Nebelschwadensteuer und die Kugelblitzsteuer. Aufgrund Ihrer derzeitigen Monopolstellung können Sie sich nicht beklagen. Aber ich würde mich nicht wundern, wenn demnächst das Kartellrecht zu Ihren Ungunsten geändert würde. Eigentlich eine längst fällige Maßnahme. Aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Der Wettergott erschien plötzlich sehr klein hinter seinem Schreibtisch. Aber nachdem der Beamte gegangen war, wich die Niedergeschlagenheit in seinem Gesicht einem bösartigen Lächeln. Die Sonnenstrahlsteuer. Sie haben die Sonnenstrahlsteuer nicht berücksichtigt.

Die Belastung durch die höhere Regentropfensteuer würde er sowieso mittels der Preisgestaltung auf den Endverbraucher übertragen. Aber vor allem würde es wärmer werden auf der Erde. Dass sich die Kunden daran gewöhnen würden, hing nur von einer gezielten Marketingkampagne ab.

Und um die Monopolstellung seines Konzerns machte er sich keine Sorgen. Sie brauchten ihn. Er war der Wettergott.

14 Comments:

Blogger Oles wirre Welt said...

Der Wettergott selbst ist Polytheist. :)

Feine Idee, clever inszeniert!

7.6.07  
Blogger MudShark said...

wenn sie die regentropfensteuer erhöhen werden die tropischen länder ganz schön stöhnen. man sollte das auch mal in heiligendamm zur sprache bringen.

7.6.07  
Anonymous Anonym said...

Ihr werdet schon sehen, wohin ihr steuert ...

8.6.07  
Anonymous Anonym said...

Genau.

8.6.07  
Blogger stilhäschen said...

Ein Blick bei Wetter-Online läßt mich den Satz erinnern, den mir just gestern jemand als privaten Sommerhit vorsang: "ich habe neun Sonnen gesehen"...
Hat was, finde ich. Vielleicht ja auch des Wettergottes Marketingabteilung.

8.6.07  
Anonymous Anonym said...

Auf jeden Fall gelingt die Marketingkampagne vorzüglich! Da sind halt Experten am Werk.

8.6.07  
Blogger mq said...

/Ole: Womöglich schätzen Götter es nicht, ihre Entscheidungen gegenüber Kollegen verantworten zu müssen. Daher kommt es einem häufig vor, als machten die da oben sowieso, was sie wollen.

/Mudshark: Ich gehe davon aus, dass Hr. Blair die Thematik angesprochen hat, denn England dürfte auch betroffen sein.

/Sah_ara: Von >> Fr. Gobi hat man bereits ähnliche Drohungen vernommen.

/Stilhäschen: Bei der Sichtung von neun Sonnen müssen außer Apfelschorle noch andere Erfrischungsgetränke im Spiel gewesen sein.

/Mkh: Ich kaufe mein Wetter nur noch aus biologischem Anbau.

8.6.07  
Blogger mkh said...

/mudshark
Kleine Dippelschisserei unter Geographen: die ariden Bereiche der Tropenzone ausgenommen! ;)

8.6.07  
Blogger mkh said...

/mq
Wow, du kannst K´s versetzen!

8.6.07  
Blogger MudShark said...

@mkh
logo, ich bin von den immerfeuchten bereichen ausgegangen die ganzjährig in der ITC liegen, nix wechselfeuchtes oder gar arides. ein interessanter ort wäre noch diese eine insel im südatalntik wo es ganzjährig 8° hat und täglich schüttet. leider habe ich den namen vergessen.

8.6.07  
Blogger Lars said...

Wo versteckte sich Al Gore während dies Alles passiert?

9.6.07  
Blogger mq said...

Vielleicht in der Aktentasche des Besuchers mit dem grauen Anzug?

9.6.07  
Blogger frech'n'nett said...

in meinem kopf herrscht immer tiefdruck...da wird auch der geschäftstüchtigste wettergott nicht dran drehen...(leider?)

9.6.07  
Blogger mq said...

Die Beiträge bei dir drüben lassen allerdings eher Antizyklonen prognostizieren.

9.6.07  

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