Der untergehende Tod
Nachdem sich die ersten organischen Substanzen zu einer Lebensform zusammengeschlossen hatten, versalzte er die Ursuppe, und seither sorgte der Tod dafür, dass die Klinge seiner Sense scharf blieb. Trotz der anstrengenden Aufgabe, und obwohl er stets sein lachendes Gebiss zur Schau trug, empfand er nicht immer Vergnügen bei der Arbeit.
Der Tod verstand sich als Dienstleister. Für seinen professionellen Service erwartete er keine Gegenleistung. Dank erntete er selten, er war schon froh, wenn man ihm Einsicht entgegenbrachte. Die wenigsten hatten einen Sinn für den Nutzen seiner Arbeit. Auch wenn sie begriffen, dass es ihn geben musste, akzeptierten sie ihn nur als notwendiges Übel. Sie bekämpften ihn und versuchten bis zur letzten Sekunde, die Erfüllung seiner Pflicht zu behindern. Seine Überstunden blieben ungezählt.
Er wurde manchmal gefragt, wohin er sie bringen würde. Aber für den Transport war er nicht zuständig. Er verteilte nur unbeschriftete Fahrkarten. Das Reiseziel kannte auch er nicht, denn selbst hatte der Tod die einschneidende Begegnung mit der Sense nie gemacht. Diese Erfahrung würde ihm erst zuteil werden, wenn der letzte Organismus aus dieser Welt verschwand.
Einmal verspürte der Tod nach einem anstrengenden Erntetag das dringende Bedürfnis, zu pinkeln. Da er gerade an einem stillen Gewässer vorbeikam, machte er sich einen Spaß daraus, sich in den See zu erleichtern. Vergnügt ließ er das Wasser plätschern.
Aber plötzlich wurde dem Tod für einen Moment schwarz vor Augen, und er verlor das Gleichgewicht. Während er noch mit den Armen ruderte, fiel er schwankend ins Wasser. Im Fallen erinnerte sich der Tod mit Entsetzen, dass er nicht schwimmen konnte. Auch besaß er kein Fett an seinem klapprigen Körper, das ihm Auftrieb verliehen hätte. Langsam sank er zum lichtlosen Grund des Sees. Das erste Mal in seiner Existenz bekam er eine Vorstellung von seinem eigenen Wesen. Er hatte sich bereits mit seinem Ende abgefunden, als ihm bewusst wurde, dass er nicht sterben konnte. Denn er musste nicht atmen, weil er nicht lebte.
Lächelnd verharrte er noch einige Augenblicke aufrecht am schlammigen Seegrund, bevor er das Gewässer über ein sanft ansteigendes Ufer verließ. Er ging zurück an die Stelle, wo seine Sichel lag und machte sich wieder an die Arbeit. Es gab noch viel zu tun.
Der Tod ist tot. Es lebe der Tod.
Der Tod verstand sich als Dienstleister. Für seinen professionellen Service erwartete er keine Gegenleistung. Dank erntete er selten, er war schon froh, wenn man ihm Einsicht entgegenbrachte. Die wenigsten hatten einen Sinn für den Nutzen seiner Arbeit. Auch wenn sie begriffen, dass es ihn geben musste, akzeptierten sie ihn nur als notwendiges Übel. Sie bekämpften ihn und versuchten bis zur letzten Sekunde, die Erfüllung seiner Pflicht zu behindern. Seine Überstunden blieben ungezählt.
Er wurde manchmal gefragt, wohin er sie bringen würde. Aber für den Transport war er nicht zuständig. Er verteilte nur unbeschriftete Fahrkarten. Das Reiseziel kannte auch er nicht, denn selbst hatte der Tod die einschneidende Begegnung mit der Sense nie gemacht. Diese Erfahrung würde ihm erst zuteil werden, wenn der letzte Organismus aus dieser Welt verschwand.
Einmal verspürte der Tod nach einem anstrengenden Erntetag das dringende Bedürfnis, zu pinkeln. Da er gerade an einem stillen Gewässer vorbeikam, machte er sich einen Spaß daraus, sich in den See zu erleichtern. Vergnügt ließ er das Wasser plätschern.
Aber plötzlich wurde dem Tod für einen Moment schwarz vor Augen, und er verlor das Gleichgewicht. Während er noch mit den Armen ruderte, fiel er schwankend ins Wasser. Im Fallen erinnerte sich der Tod mit Entsetzen, dass er nicht schwimmen konnte. Auch besaß er kein Fett an seinem klapprigen Körper, das ihm Auftrieb verliehen hätte. Langsam sank er zum lichtlosen Grund des Sees. Das erste Mal in seiner Existenz bekam er eine Vorstellung von seinem eigenen Wesen. Er hatte sich bereits mit seinem Ende abgefunden, als ihm bewusst wurde, dass er nicht sterben konnte. Denn er musste nicht atmen, weil er nicht lebte.
Lächelnd verharrte er noch einige Augenblicke aufrecht am schlammigen Seegrund, bevor er das Gewässer über ein sanft ansteigendes Ufer verließ. Er ging zurück an die Stelle, wo seine Sichel lag und machte sich wieder an die Arbeit. Es gab noch viel zu tun.
Der Tod ist tot. Es lebe der Tod.
20 Comments:
tippitoppi, herr quint!
zwei deppen, eine idee...d.h., ich kann meine schon so hübsch zurechtgestrickte friedhofstory klasse wieder einstampfen jetzt, damit der verdacht gar nicht erst aufkommt, ich tät irgendwem was nachmachen. hübscherweise wird das motto#14 somit zur losung des tages jetzt für mich...grrrrr...
es tote das leb!
Hoffnung von Pablo Picasso für Dich, frech'n'nett:
"Gute Künstler kopieren, große Künstler stehlen."
wann wurde denn dieses tote stück geschrieben? Ich denke, der letzte punkt wurde 12 uhr 47 in der 42. sekunde gesetzt. shi ni - der tod.
es war mir wieder ein hochgenuss.
"Der Tod ist tot. Es lebe der Tod."
Schöner und doppeldeutiger im mehrfachen Sinne hätten Sie diesen wunderbaren Text nicht beenden können....
Was ich mich allerdings frage (das ist genetisch, ich kann da nix zu): Wie kann der Tod, so ganz ohne Muskelmasse, eigentlich sein klappriges Gerüst bewegen??? Eigentlich müsste er doch in sich zusammenkrachen wie ein schlecht gebauter Jenga Turm..... Am Ende erzählen Sie uns hier nix als Geschichten, tsstsstss.....
Und, liebes Frech'n'Nett: Bütte trotzdem, ja?
Who wants to live forever?
/Frech'n'Nett: Erstens wüsste ich nicht, wer mit den zwei Deppen gemeint sein sollte, zweitens ist in meiner Geschichte von keinem Friedhof die Rede, und drittens herrscht in diesem Fall Publikationszwang. Ätsch.
/Ralf bzw. Pablo: ... und alle anderen begnügen sich mit eigenen Ideen.
/the white lake knight: Selten pflege ich während des Schreibens, mit der Stoppuhr neben mir zu stehen und mich gleichzeitig von der anderen Seite anzufeuern. Aber die Idee gefällt mir. Vor allem der Teil mit dem Anfeuern.
/FrauH.: Dem Tod geht es wie allem Lebendigen - der Wille zählt. Außerdem habe ich doch als Beweis ein dokumentarisches Bild von Hrn. Klinger angefügt.
/Mkh: Keine Ahnung. Er vielleicht?
markus,
erstens wollte ich mal eine unglaublich originelle redensart bringen, zweitens hatte ich den friedhof lediglich als aufhänger in meiner story, drittens lasse ich mich sowieso zu gar nichts zwingen und viertens hab ich die story heute mittag schon mit der deletetaste ins nirvana geschickt. ätsch.
also frauh,
auch freundlich bitten kommt jetzt te laat.
ach ja..ralf,
pablo picasso ist ja auch schon länger tot.
Dass der Mensch die Schuld immer außerhalb sich selbst sehen muss... Er selbst ist sein zuverlässigster "Sensemann" - könnte man sagen, wenn es darauf ankäme...hüstel
/mq
Er vielleicht? gibt sich zumindest alle Mühe!
/Frech'n'Nett: Schade.
/der Nachbar: Du magst recht haben, aber es gibt Aufgaben, die sollte man getrost anderen überlassen. Das DIY-Prinzip taugt nicht für alles.
/MKH: Mögen sich seine Wünsche erfüllen.
@markus: Klar, dieses Prinzip bekämpfe ich, zumindest diesbezüglich. Ich meinte auch eher sowas wie Glimmstengel und Alkohol, z.B.
Ja, er hat uns bereits vor langer Zeit mit seinem Mittelstrahl die Ursuppe versalzen, dieser Sitzpinkler auf der Sense.
/der Nachbar: Ich hatte es nicht als Raucherhüsteln interpretiert.
/Opa Sprühstrahl: ... und er ist inkontinent veranlagt.
Wir haben ja hier die wunderbare Geschichte vom Brandner Kaspar, der dem Boandlkramer beim Kartenspielen mit viel Schnaps Jahr um Jahr abgaunert. Ist mir beim Lesen so eingefallen. Hier wie dort eine sehr schöne Darstellung des Schnitters. Danke, Herr Quint.
Das Erbgut des Menschen besteht zu einem Teil aus sogenannten Junk DNA. Der Anteil dessen ist beim Menschen höher als etwa beim Affen. Manche Wissenschaftler sind der Meinung, dass dieser Müll ein großer Mutationsmotor ist - ohne ihn wären wir wahrscheinlich auf der selben Entwicklungsstufe wie unsere Primatenbrüder.
Die Frage nun ist, ob wir dem Herrn Tod dankbar sein sollen, dass er in unseren Genpool gepisst hat.
Er ist in aller Regel ja durchaus auch ein freundlicher Gast, wenn er kommt. Auch wenn am Ende alles anders ist und er zuweilen schon eher lakonisch, kurz angebunden und manchmal ein wenig schroff ist. :)
/Rationalstürmer: Nein, werter Herr Rationalstürmer - ich habe zu danken! Für die Erinnerung an diese großartige kleine Gschicht. Das sind Wurzeln dieser Heimat, die es zu gießen lohnt.
/Texttourist: Mein Motivationsmotor wird aus einer Müllverbrennungsanlage gespeist. Dennoch kann es vorkommen, dass mir unsere Primatenbrüder überlegen erscheinen. Und was den Hrn. Tod betrifft - man muss ihm nicht unbedingt einen Geschenkekorb zukommen lassen.
/Ole: In vorliegender Dokumentation erscheint er mir allerdings eher als ziemlicher Wichtigtuer ;)
Sehr schön dem Schnitter gedacht, Herr Quint. Die Frage nach der Urinieranatomie erübrigt sich, wenn man bedenkt, dass er ohne knochenzusammenhaltende Muskeln und Sehnen auskommt.
Was alleine das an Arztkosten spart!
(Terry Pratchett hat die Idee des sterblichen Todes übrigens in "Alles Sense" aufgenommen un zu einem ebenso amüsanten Buch verarbeitet.)
... der Tod ist jedenfalls gewiss kein Prostatiker.
Es wundert mich, dass der Titel von Pratchett noch keinen Eingang ins gängige Jugendsprachverhalten gefunden hat: "Alles Sense, ey."
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