Montag, Mai 14, 2007

G8 Gezeter

In der Presse ist seit einigen Wochen viel darüber zu lesen, dass gewaltbereite Gruppierungen angekündigt haben, mittels militanter Aktionen den G8-Gipfel zu stören, der vom 6. bis 8. Juni im Ostseebad Heiligendamm stattfindet. Überraschend sind die Terrordrohungen nicht. Man würde entsprechende Meldungen sogar vermissen, wenn es sich anders verhielte.

Das erklärte Ziel einer solchen Gruppierung besteht darin, die natodrahtbewehrte Absperrung des Veranstaltungsortes zu durchbrechen. Militärisch gesehen könnte man in dem Vorhaben vielleicht eine originelle Herausforderung erkennen, aber die zugrunde liegende, heroische Symbolik referenziert ausschließlich auf sich selbst und trägt nicht zu einer Verbesserung politischer oder wirtschaftlicher Dialoge bei. Warum wird dieses kreative Potenzial nicht in den Dienst konstruktiver Unternehmungen zur Verbesserung der Lebensumstände von Benachteiligten gestellt? Es liegt in der Natur der Gewalt, dass sie grundsätzlich nicht konstruktiv sein kann. Und wer das nicht verstehen will, muss zumindest akzeptieren, dass beim Einsatz von Gewalt immer beide Seiten verlieren. Selbst wenn es gelänge, die Absperrungen zu durchbrechen, hätte dies als einzigen Effekt zur Folge, dass die Zäune in Zukunft noch höher und kostenintensiver errichtet werden. Aber die Kernmotivation militanter Organisationen ist tatsächlich nur am Rande politisch, im Vordergrund steht der Zauber des kollektiven Krawallgefühls.

Warum sollte es nicht begrüßenswert sein, wenn Menschen mit großen Verantwortungen den Dialog suchen? Dabei ist es eine Binsenweisheit, dass Staatschefs die Interessen ihrer Länder und Firmenchefs die Interessen ihrer Firmen vertreten - wie jeder Einzelne seine eigenen Interessen vertritt. Würde es in der Öffentlichkeit mehrheitlich auf Verständnis stoßen, wenn die derzeitige Chefin der Bundesrepublik verkünden würde, dass man an einer Senkung der deutschen Arbeitslosenzahlen nicht länger interessiert sei, weil man den politischen Fokus darauf lenken wolle, jeweils eine Million Arbeitsplätze in Afrika und in Lateinamerika zu schaffen?

Die zentralen Vorwürfe gegen den G8-Gipfel bestehen darin, dass die armen Länder vom Treffen der Vertreter führender Industrienationen ausgeschlossen sind. Aber erstens ist der Gedanke naiv, dass in Heiligendamm Strategien entwickelt werden, wie man die weltweite Armut weiter vergrößern, und die armen Länder am besten in die Pfanne hauen könnte. Zweitens existiert mit der UNO eine weltweite Plattform zur Interessensvertretung der Mitgliedsstaaten. Und drittens sind für die Armut in vielen Ländern nicht selten einheimische Despoten verantwortlich, deren Dialogbereitschaft und politischen Ziele untrennbar an die persönliche Bereicherung gekoppelt sind.

Die aussichtsreichste Möglichkeit, Steuergelder verschlingende Kapazitäten der Exekutive und Judikative in Deutschland abzubauen, besteht darin, zur Senkung der Kriminalitätsstatistiken beizutragen. Es ist bedauerlich, dass große Polizeieinheiten benötigt werden, um Gewalt einzudämmen, die von kleinen Gruppierungen ausgeht. Und dabei ist es egal, ob es sich um organisierten Drogen- und Menschenhandel, oder um rechts- und linksextreme Narren handelt.

Meinungen lassen sich in einer Demokratie gewaltfrei äußern. Und durchsetzen. Vorausgesetzt, sie überzeugen.

21 Comments:

Anonymous Anonym said...

Hier wurde vor einer Woche ein "Nest" derart überzogen ausgeräumt, dass ich mich frugte, was das eigentlich soll... Ich kam zu dem Schluß, dass es um den Gesichtserhalt der Gastgebernation geht. Und die Angst, vor dessen Verlust. Um nichts anderes. Unpolitisch wie ich ja mittlerweile bin, denke ich allerdings trotzdem, dass jede Form der öffentlichen "Hinterfragung" erst einmal gut ist, und ich trauere auch hochgebomten Wirtschaftsbossen nur bedingt hinterher, nur weil man sie medial bemittleidet. Andererseits ist es wirklich so, dass jene Kohle, die nun für Sicherheitsmassnahmen ausgegeben wird (wie so oft) besser eingesetzt werden könnte....
Es ist ein schwieriges Thema, Herr Quint, dass Sie hier in den Raum schmeißen.... und das mit dem durchsetzen, das würde ich noch mal hinterfragen wollen....

*maoce* (der Rollstuhl, heute scheint Wortbestätigungstag zu sein;)...)

14.5.07  
Blogger mq said...

Mit dem Wunsch des Hinterfragens rennen Sie bei mir offene Türen ein, Frau H. Ich bin der geborene Hinterfrager und hinterfrage, wälze und überprüfe meine eigenen Ansichten und Gedanken ebenso häufig wie alles andere, was sich seinen Weg in mein Denken bahnt. Man sollte nicht nur hinterfragen, sondern auch von verschiedenen Seiten, von oben und unten - und sogar frontalfragen.

Man möge mich nicht missverstehen, mein Bedauern umfasst jede Art der Eskalation, unabhängig vom Verursacher. Zur Trauer für Verstorbene bin ich nur in der Lage, wenn es mein persönliches Umfeld betrifft. Ansonsten kann ich aber Bedauern für die Hinterbliebenen empfinden, unahängig vom Beruf des Verstorbenen. Außerdem schließe ich mich grundsätzlich dem Verfahren nicht an, Menschen nach ihrem Beruf zu sortieren.

14.5.07  
Blogger F said...

Die Auffassung, auf solchen Gipfeln würde nichts gegen weniger entwickelte Länder gekungelt, ist zwar naiv; ich stimme Ihnen aber dennoch zu, dass Gewalt hier keinen Sinn macht - sonst kaufen sich die großen Jungs das nächste Mal ein Insel und die ganze Show würde noch teurer.

15.5.07  
Anonymous Anonym said...

Diejenigen, die schreien, dass man den armen Ländern abgeben soll vom Reichtum, sind die selben die schreien, dass es hier auf Grund der Globalisierung zu wenig Arbeit gibt. Du oder ich, Schurke! So einfach ist das! Bevor ich die Kinder anderer füttere, sorge ich erst einmal für die eigenen. Ich habe nichts dagegen, dass die Fülle hier bleibt.

15.5.07  
Anonymous Anonym said...

Die Meinung, die Globalisierung sei unser Schicksal, teile ich nicht.

Wer fordert, auf einem Treffen der führenden Industrienationen Dritte Welt Länder zuzulassen, kann genau so gut die Anwesenheit von Vegetariern beim Betriebsfest der Schlachterinnung verlangen.

Fast alle Einrichtungen der UNO sind nahezu wirkungslos, hier besteht der dringendste Reformbedarf überhaupt (Wegfall der Veto-Regelung im Sicherheitsrat, völlige Umstrukturierung der Entwicklungshilfe).

Nicht jede Meinung, die überzeugt, läßt sich in Demokratien durchsetzen. Die Mehrheit der Spanier, Briten und Italiener war gegen den Irak-Krieg, mitgemacht haben die Regierungen trotzdem.

Ich habe zwei junge Freude sehr gern: Rainer singt am 5. und 6. Juni dort gegen den Gipfel, und Roman schützt als Angehöriger der bayrischen Bereitschaftspolizei den Zaun. Beide Allgäuer, beide voll in Ordnung, keiner extrem.

15.5.07  
Blogger mq said...

/f: Davon abgesehen, dass der von Ihnen verwendete Begriff des kungelns leider nicht näher umrissen wird und daher nebulös erscheint, sei es unbestritten, dass ökonomische Interessen im Vordergrund stehen. Aber - stark vereinfacht ausgedrückt - stehen die Industrienationen vor dem wirtschaftlichen Problem gesättigter Absatzmärkte, und vor diesem Hintergrund hat niemand Interesse daran, die Armut in weniger entwickelten Regionen zu forcieren - schon gar nicht exportstarke Länder.

/Eon: Auch mich würde die Reaktion mancher Leute interessieren, wenn man ihnen die genutzte Produktbandbreite, elektronische Kommunikationsmittel, Mobilität und die soziale Grundabsicherung entzöge, denn die genannten Vorzüge werden schließlich alle innerhalb des von ihnen bekämpften Systems ermöglicht.

/Opa: Dass die Globalisierung längst eine historische Entwicklung und damit einen Bestandteil unseres Schickals darstellt, ist keine Meinung, sondern nüchterne Realität.

Die Kritik an der UNO ist nachvollziehbar, wie jeder große Organisationsapparat ist sie zäh in der Umsetzung struktureller Änderungen.

Zumindest die spanische und die italienische Regierung haben die Quittung für ihre Entscheidung bekommen. Und Blair wurde wiedergewählt - demokratisch. Bestandteil von Demokratien ist auch, dass über Machtverhältnisse nicht durch einen einzigen Aspekt entschieden wird.

Sowohl Rainer als auch Roman wünsche ich aufrichtig, dass beide ihre Einsätze im Rahmen demokratischer Mittel unversehrt überstehen. Der einzige extreme Allgäuer, den ich kenne, bist sowieso du ;)

16.5.07  
Anonymous Anonym said...

Man kann sein Schicksal auch in die Hand nehmen und weitgehend mitgestalten, anstatt sich gottergeben mit allem abzufinden. In diesem Teil deiner Antwort klingst du wie ein SPD Abgeordneter, der sich nüchtern den realen Sachzwängen fügt und dabei sozialdemokratische Ideale von Generationen verrät.

Der wirkliche Nachteil der Demokratie ist es, daß die Majorität selten recht hat. Bereits Goethe wußte: Alles Gescheite liegt in der Minderheit. Liegt die Masse doch einmal richtig, wird ihre Meinung von der Majorität derer, die sie vertreten soll, ignoriert. Politische Bilanzkorrekturen, wie im Falle Spaniens und Italiens, kommen meist zu spät.

Ich bin ein Stammtischextremist der Allgäuer Mitte ;-)

16.5.07  
Anonymous Anonym said...

gewalt von links oder rechts, jedem dürfte erinnerlich sein, zu welchen katastropahalen desastern das in der jüngeren deutschen geschichte geführt hat. und ...wer in in diesem land ist denn bereit, abzugeben, zu teilen, von seine besitzständen auch nur teilweise abzulassen. Ich bin es nicht, kann ich da ehrlicherweise klar sagen. und was die globalisierung betrifft, so läuft das schon seit vielen jahrzehnten, die begrifflichkeit passt sich moden an, den kolonialismus hat doch wohl noch keiner vergessen. und wir mitteleuropäer genießen die früchte noch heute. es ist bequem, sich von seinem sessel zu erheben, ein paar steine auf die bullen zu werfen, wenn das kameralicht rot flammt und dann bei prosecco die heldentaten zu feiern.

16.5.07  
Blogger mq said...

/Opa: Ich war nie Mitglied irgendeiner Partei und ich habe mich nie mit Dingen abgefunden, die mir nicht gefallen - schon gar nicht gottergeben. Ich war auch nie ein Gegner der Globalisierung, da ich sie täglich in hundertfacher Form nutze. (Die Rohstoffe zur Herstellung von Polymeren, die in den meisten Gebrauchsgegenständen Verwendung finden, werden zum allergrößten Teil nicht aus dem Öl gewonnen, das in deutschem Hoheitsgebiet gefördert wird. Und die elektrischen bzw. elektronischen Geräte, die ich nutze, wurden auch nicht in Deutschland zusammengelötet.) Aber ich war immer ein entschlossener Gegner des Schwarz-Weiß-Denkens.

Und bei Zitaten eines gewissen Hrn. Goethe neige ich grundsätzlich zur Vorsicht. Der hat auch mal den grob unsinnigen Aphorismus geprägt, was man schwarz auf weiß besäße, könne man getrost nach Hause tragen. Gleichmacherei schneidet kreative Spitzen ab, das ist schon richtig. Über dein Plädoyer für Minoritätenentscheidungen wundere ich mich allerdings ernsthaft. Was würde das in der Konsequenz bedeuten? Monarchie? König Opa? Oder König Stoiberl? Der wirkliche Nachteil von Meinungen ist, dass jeder denkt, er sei im Recht.

/the white lake knight: Vermutlich wird eher bei Hopfenblütentee globalisierter Brauereiunternehmen gefeiert.

16.5.07  
Anonymous Anonym said...

Ich denke, das Hauptproblem der G8- Gegner leigt in der mangelnden Transparenz und am Grundmißtrauen der Menschen.
Ich selbst frage mich schon, was da alles besprochen wird. Welches Land verttritt welche Auffassung? Welche Maßnahmen werden beschlossen und vor allem auch wirklich eingehalten? Sitzen die mächtigsten der Welt um einen Kaffeetisch und lachen sich tot, während sie das nächste Entwicklungsland ausbeuten oder wird ernsthaft und mit Willen zur Lösung diskutiert?
Vor einiger zeit sah ich ein sehr altes Fernsehinterview, in der eine frankfurter Dame älteren Datums mit ihren Freunden in der Ebbelwoiwirtschaft saß und hörte den klangvollen und wohlbekannten Spruch "Die da oben fliegen durtch die Gegend und werden immer reicher. Und wir, der kleine Mann, bezahlt und bezahlt."
Viel Zeit ist vergangen, nur hörte ich beim letzten Besuch einer solchen Lokalität exakt denselben Wortlaut.
Die Menschen haben kein Vertrauen, weder zu denen "ganz oben", noch zu ihren Nachbarn und zu sich selbst am wenigsten.

Alle Gipfeltreffen, Demonstrationen, Kundgebungen, Dialoge und Veröffentlichungen kann man getrost in den Ordner "Sinnlosaktion" verschieben, solange das Mißtrauen und die Paranoia maßgebend sind für alles Gedankengut.

16.5.07  
Anonymous Anonym said...

Markus:

Da hilft kein Grübeln und kein Wundern. Du kennst doch die Lösung:

OPA FOR PRESIDENT !

Oder rede ich hier schon wieder gegen eine Klowand?

(Schönen Grußvatertag!)

16.5.07  
Anonymous Anonym said...

möhöhö herr quint, hopfentee fürs fussvolk.bei dem schaumwein dachte ich auch eher an die geistigen schaumschläger, die so schön angepasst in deutschen parlamenten die vergünstigungen des klassenfeindes genießen.

16.5.07  
Blogger der Nachbar said...

Wer auf Gewalt verzichtet ist meistens im Vorteil, allerdings glaube ich auch, dass die Gewaltgefahr bzgl. des Gipfels aufgebauscht wird. Feindbilder waren schon immer sehr nützlich. Aber, klar, es gibt selbstverständlich ein gewisseses gewaltbereites Potential und diese Energie könnte sicherlich effektiver eingesetzt werden, weil sie den Menschen nur selbst schadet und ihrer gemeinsamen Sache auch. Dass da Leute Luft ablassen wollen, kann man hingegen schon gut nachvollziehen, aber wie gesagt, bringt halt nix.

Die Idee des Gipfels finde ich gut und wichtig. Vielleicht wird es ja irgendwann einen Gx-Gipfel, in dem auch viele Länder Afrikas, Asiens und Südamerikas integriert sind. Glücklicherweise gibt es Menschen wie Bono, Geldorf, Grönemeyer, und andere.

Zur Uno: Ich glaube nicht, dass die Uno völlig unabhängig die Interessen aller Mitgliedstaaten vertritt.

Zu den Despoten in gewissen afrikanischen Staaten: die sind ja oft gewollt und wurden und werden von den G8-Ländern nur allzuoft hofiert. Und wenn sich einer gegen den europäisch-amerikanischen Einfluss wehrt, dann ist er schnell weg vom Fenster, Gelder werden gekürzt und umgeleitet zu Rebellenorganisationen...

Zur Senkung der Kriminalitätsstatistik: Das war so gemeint wie geschrieben? Siehe weiter oben zum Nutzen von Feindbildern. Man sollte halt nur den Statistiken trauen, die man selbst "gefälscht" hat.

Zu den rechten Gruppierungen: schade, dass die großen Polizeieinheiten nicht auch mal bei den Rechten aufräumen, aber dabei könnten wahrscheinlich ein paar BfV´ler im Netz hängen bleiben.

16.5.07  
Blogger mq said...

/Hinrichter: Auf der Website der Bundesregierung kann man sich die Schlaglichter der deutschen G8-Agenda herunterladen. Sehr klar wird der überproportionale Anteil der G8 am Welt-BIP dargestellt. Aussagen wie:
Für die Entwicklung Afrikas sind ebenfalls Wirtschaftswachstum und die Verantwortung der G8 von zentraler Bedeutung. Weiterhin kommt der Stärkung der afrikanischen Gesundheitssysteme, insbesondere beim Kampf gegen HIV/Aids, eine besondere Rolle zu.
sollten jedoch mit sehr konkreten Vorschlägen bzgl. der Maßnahmen verbunden werden. Das Internet wird in dieser Hinsicht als demokratische Plattform nicht ausreichend genutzt.

Ein Grundmisstrauen in die Politik ist in jedem Fall angebracht, da die Interessen der Mächtigen naturgemäß nicht immer im Einklang mit den Interessen der Machtlosen stehen, diese aber die Mehrheit bilden.

/Opa: Ich kann mich nur wiederholen: WIR SIND OPA!

/the white lake knight: Jeder sollte das Getränk serviert bekommen, das er verdient.

/der Nachbar: Es gibt jede Menge G-Gipfel:
G10
G15
G20
G33
Eine Berglandschaft wie im Himalaya ...

Kann es eine Organisation von der Größe der UNO geben, die völlig unabhängig alle Interessen ihrer Mitglieder gleichermaßen vertritt?

Du glaubst wirklich, dass die zuständigen Behörden die Betriebskosten für bewaffnete Einheiten zum Einsatz bei gewalttätigen Demonstrationen vor ihren Finanzausschüssen rechtfertigen könnten, wenn es keine gewalttätige Demonstrationen mehr gäbe? Ich bin da ausnahmsweise optimistischer.

Was den Wunsch nach einem konsequenten Vorgehen gegen Rechtsradikale betrifft, sind wir uns einig.

17.5.07  
Anonymous Anonym said...

Du glaubst wirklich, dass die zuständigen Behörden die Betriebskosten für bewaffnete Einheiten zum Einsatz bei gewalttätigen Demonstrationen vor ihren Finanzausschüssen rechtfertigen könnten, wenn es keine gewalttätige Demonstrationen mehr gäbe?Natürlich nicht, weiß auch nicht, wie du da drauf kommst. Klar denke ich, dass hier für eine Rechtfertigungsgrundlage was angeheizt werden soll. Ein anderer, daran anschließender Punkt, ist von existentieller Natur, denn da bei der Polizei überall gekürzt wird, stellen Gummiknüppel letztendlich so etwas wie Arbeitssicherungsmaßnahmen dar.

17.5.07  
Anonymous Anonym said...

@mq
ah,ok. sehr inteessant, das muss ich mir mal in einer ruhigen minute zu gemüte führen.

18.5.07  
Blogger Oles wirre Welt said...

Was mich auch umtreibt, ist der Argwohn der Angst, der sich schleichend von oben in die Köpfe senkt. Nicht Vertrauen und De-Eskalation sondern deren Inversionen scheinen plötzlich das Selbstverständliche. Sorgen vor Gefahr, die geschürt werden, und deren Ursache sich scheinbar nur noch durch Abschottung, investigative Geheimrecherchen, durch Einschüchterung und Drohungen in den Griff kriegen lässt. Ich habe zuweilen fast Mitleid, so angstdurchflutet und von allen Seiten bedroht Herr Schäuble zuweilen auf mich wirkt. Die Herrscher der Welt dürfen durch Volkes Zorn nicht gestört werden, sie sollen bestenfalls nicht einmal davon mitbekommen. Und da alle Gewalt auch potenziell und irgendwo Wurzeln im Terror haben kann, ist all dies nicht zuletzt ein (il)legitimes Mittel, um sich mit Durchsuchungen und präventiver Gewalt Einblicke zu verschaffen. Dass hier Gewalttaten heraufbeschworen werden als Grund, die noch gar nicht geschehen ist, dass der Rechtsstaat dabei seine selbstgesetzten Grenzen überschreitet, erscheint den Handelnden scheinbar legitim. Ich weiß nicht, woher diese riesige Angst gekommen ist, aber ich finde schade und erschreckend, wie umgreifend sie sich scheinbar eingenistet hat und um sich greift. Natürlich muss den Lenkern der wichtigsten Staaten alle erdenkliche Sicherheit und aller Schutz gewährt werden. Aber es zeugt nicht gerade von Selbstbewusstsein, von Vertauen in ein verantwortungsvolles, mündiges und vernünftiges Volk, wenn im Vornherein Meinungsäußerungen kriminalisiert und unerwünscht werden. Es hat etwas Geheimniskrämerisches. Und die Protestbewegung, die a priori kriminalisiert wird, wird doch nicht zuletzt deshalb umso wütender reagieren. Enttäuscht, ihre Rechte außer Kraft gesetzt zu sehen. Und in dieser Radikalisierung sehe ich die Hauptgefahr und den Hauptfehler von oben.

Sehr kluger, richtiger und wichtiger Text, Markus. Respekt!

18.5.07  
Blogger Scheibster said...

Viel zu viel Energie wird mit Gewalt verschwendet. Eigentlich schlage ich ja erst zu, wenn mir die Argumente ausgehen. Was aber, wenn sie gar nicht erst gehört werden?

Und was, wenn mich jemand überzeugt, dass meine Gewalt etwas bewegt? Wenn es so viele glauben, muss etwas dran sein. Oder nicht? Und diese Gemeinschaft, der ich mich plötzlich zugehörig fühle, kann etwas bewegen, und wenn es nur ein Stacheldrahtzaun ist.

Die Welt ist sehr komplex, und ein Bild, dass eindeutig scheint, wird stets einseitig sein. Nicht, dass das eine überragend neue Erkenntnis ist.

Die "Energie für gute Zwecke"-Initiative unterstütze ich in jedem Falle voll und ganz. Wer druckt die T-Shirts?

18.5.07  
Blogger mq said...

/Ole: Für mich ist es nicht entscheidend, aus welcher Himmelsrichtung Angst und Gewalt kommen. Für mich ist es nur entscheidend, dass diese Spiralen durchbrochen werden.
Möglicherweise setzt sich derjenige, der den ersten Schritt tut, der größeren Gefahr aus, aber er verdient auch den größeren Respekt. Und möglicherweise sitze ich im Elfenbeiturm, aber es gelingt mir einfach nicht, die Hysterie zwischen den Fronten zu verstehen.
Hrn. Schäubles Kreativität in Sachen Wohnzimmerspionage weist Parallelen zu den Methoden eines Dienstes auf, der vor nicht allzu langer Zeit ungefähr jeden Toilettengang von ca. 16 Mio. DDR-Bürgern protokollierte.

/Scheibster: Die Erkenntnis der Komplexität unserer Gegenwart mag zunächst banal erscheinen, ist aber der wichtigste Lösungsansatz für einen Weg aus der Gewalt. Um einen Dialog führen zu können, sollte man bereit sein, sich mit sämtlichen Details und Sichtweisen einer Angelegenheit auseinanderzusetzen.
Für 90 Mio. Euro können sich acht Regierungschefs für drei Tage treffen. Oder in einem Billiglohnland 90 Mio. "Energie für gute Zwecke"-T-Shirts genäht und bedruckt werden. Vielleicht ließen sich mit dem Geld aber auch ein paar Hunderttausend Existenzen aufbauen und sichern.

18.5.07  
Blogger Oles wirre Welt said...

Exakt das meinte ich ja ebenfalls. Gewalt wird nicht weniger gewaltig, wenn sie anders motiviert ist. Und auch ich finde, nichts ist erstrebenswerter in diesem Kontext, als eben die wechselseitige Angst und Unruheschürung aufzulösen. De-Eskalation. Zumal auch ich das generelle Tohuwabohu nicht recht verstehen kann und mag. Aber noch bleibt ja Hoffnung. Irgendwie und -wo.

19.5.07  
Blogger mq said...

Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang ein heute im Spiegel (21/07) erschienener, sehr gescheiter Artikel: Vermummung ist retro.

20.5.07  

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