Dienstag, Mai 08, 2007

Kopfüber im Gedächtnismorast

Kürzlich begab ich mich auf die Suche nach einem Text. Ich war mir sicher, dass ich ihn vor einiger Zeit irgendwo abgelegt hatte, nur beging ich damals den Fehler, den Text nicht schriftlich festzuhalten und ihn sofort nach seinem Auftauchen in einen maßgefertigten Wortkäfig zu verfrachten. Auch besaß ich keine stichwortartigen Aufzeichnungen zum Inhalt des gesuchten Textes. Aber ich erinnerte mich lebhaft daran, wie sehr ich davon überzeugt gewesen war, mir keine schriftlichen Notizen machen zu müssen, da der Text in meinem Kopf bereits präzise ausformuliert vorlag. Nun schien dieser - aus meiner damaligen Sicht - geniale Text mitsamt der zugrunde liegenden Idee unauffindbar.

Es hätte keinen Sinn gemacht, Ideengebäude zu durchsuchen und die Stuben meiner kasernierten Gedanken wie ein Feldwebel zu inspizieren, der sich mürrisch auf die Suche nach einem fahnenflüchtigen Gefreiten begibt. Ich ahnte, dass man die bebauten Randbezirke verlassen, und sich in die unkultivierte, geistige Wildnis im Zentrum des Gehirns begeben musste.

Mit einem Seufzen schloss ich die Augen, zog die Gedankenwanderstiefel mit dem tiefen Profil an und begab mich auf einen Spaziergang durch meine inneren Gehirnwindungen. Dort ist es sehr glitschig, und wegen der am Rande ausgeschilderten Rutschgefahr war ich froh, dass ich über Schuhwerk mit einem tiefen Profil verfügte. Anfangs hielt sich die Wildnis in ihren natürlichen Grenzen, aber je tiefer ich in den Gedächtnisdschungel eindrang, desto dichter wurde das Unterholz.

Während ich mit einer stumpfen Klinge aus gehärteter Konzentration meinen Weg durch das Gestrüpp wuchernder Einfälle bahnte, wurde die innere Oberfläche der Gehirnwindungen zunehmend glatter. Und dann passierte es. An einer unübersichtlichen Stelle verlor ich den Halt und stürzte kopfüber in den Gedächtnismorast. Ich konnte mich im Fallen an keinem Ideenzweig festhalten und versank mit der rasanten Geschwindigkeit eines Geistesblitzes im fauligen Moder. Im Sinken tauchte der gesuchte Text plötzlich in meinem Blickfeld auf und zog an mir vorbei. Der Fund enttäuschte mich, aber diesmal versäumte ich nicht, mir Notizen zu machen: Kürzlich begab ich mich auf die Suche nach einem Text. Ich war mir sicher ...

17 Comments:

Anonymous Anonym said...

Abenteuer sind das...! Die könnte man glatt im Club erzählen bei (k)einer guten Zigarre. (NR). So im Ledersessel, mit Blick ins Weite...

8.5.07  
Anonymous Anonym said...

Ähnlich geht es mir mit meiner schlagenden Fertigkeit. Die besten Haken und Geraden schieße ich im Fallen ab, bereits tief im Morast und den Gegner längst außer Reichweite.

8.5.07  
Blogger MudShark said...

wie groß ist die iterationstiefe des gehirns bei einem selbstreferenzierenden text/gedanken? wird der denkfaden sich in der endlosschleife irgendwann selbst blockieren und ein dead lock hervorrufen? wie macht man einen neustart eines hängenden gehirns?

8.5.07  
Anonymous Anonym said...

What a nice loop de la brain. What a big, big sparkling synapses. Mörlin is so much impressed.
Und ich erst…was für ein leckeres appetithäppchen aus den morastigen sümpfen ihres unterbewusstseins. Sie dürfen sich etwas wünschen. Pistazieneis gefällig?

8.5.07  
Anonymous Anonym said...

@opa: Wenn das nicht sogar schon der Herr Goethe gesagt hat:
Schlagfertigkeit ist das, was einem am nächsten Tag einfällt. Illustre Gesellschaft also.

8.5.07  
Blogger der Nachbar said...

Er wollte vergessen werden, um dir die Enttäuschung zu ersparen. Aber du musstest ihn ja unbedingt bloßstellen...

8.5.07  
Blogger mkh said...

Denken kann verdammt anstrengend sein.

8.5.07  
Anonymous Anonym said...

Kopfdiktaphone. Das wärs! Zeit meines Lebens schon, wünsche ich mir Kopfdiktaphone. Und jemanden, der das kopfdiktatierte dann abtippt....
Na ja, kann nicht mehr lange dauern.

Hübsche Bilder, so....

8.5.07  
Anonymous Anonym said...

...und als nächstes dann eine Gedankenpolizeieinheit für Dr.Schäuble.

9.5.07  
Anonymous Anonym said...

@mudshark

cmos reset funktioniert beim menschen ähnlich wie beim pc - statt jumper nimmt man aber hochprozentiges.

9.5.07  
Blogger mkh said...

/frauh.
Die Gedanken sind doch frei, wussten Sie nicht mehr?!...

9.5.07  
Blogger mq said...

/Eon: Man könnte aber auch übers Wetter reden bei einer wohltemperierten Banane. In einer Hängematte, den Blick nach innen gerichtet ...

/Opa: Es zeugt von taktischem Gespür, dem Gegner einen uneinholbaren Vorsprung einzuräumen, während man sich aufrecht seinem Fall hingibt.

/MudShark: Das ist wie mit dem Holzwurm. Hat er sich erstmal festgesetzt, wird man ihn nicht mehr los, bis das morsche Gebälk einstürzt.

/the white lake knight: Ich bevorzuge die weiche Droge Mango. Pistazie ist das Crack unter den Geschmacksrichtungen. Obacht! Der Genuss von Pistazieneis kann in einer Therapieresistenz münden.

/der Nachbar: Räumungsverkauf. Alles muss raus.

/MKH: Und es macht einen Riesendurst.

/FrauH.: Besitze ich alles bereits. Mir fehlt vielmehr jemand, der die Kopfdiktate umweltschonend entsorgt.

/Stard: cmos reset wäre ein dufte Label für ein hochprozentiges Erfrischungsgetränk.

/MKH: Wem nutzt es, solange ihre Besitzer gefangen sind ...

10.5.07  
Anonymous Anonym said...

Was denkst du, was ich den ganzen Tag mache :)

10.5.07  
Blogger mkh said...

/mq
Dem deutschen Volksliedgut?

10.5.07  
Blogger Oles wirre Welt said...

Ich versuche ja immer mit Karabinergedächtnishaken und festen Gedankengummiseilen zum Absichern zu arbeiten, aber das klappt auch nicht immer. Leider stürzen auch bei mir Ideen immer wieder ins Leere. Gerade diejenigen, die ich für großartig halte, für die ich aber zu faul bin, kurz vor dem Einschlafen noch einmal die Lampe anzuknipsen, um sie kurz zu notieren...

10.5.07  
Blogger mq said...

/Eon: Was denkst du, wie ich darauf komme :)

/MKH: Mit einer kollektiven Amnesie wäre dem deutschen Volksliedgut besser geholfen.

/Ole: Free climbing ist eine aufregende Sportart. Manche Gedanken entfalten ihre Vitalität erst nach einem Absturz und dem anschließenden Aufschlag.

10.5.07  
Anonymous Anonym said...

aha, mango. sie sind ertappt, herr quint. mango essen und manga lesen.
aber besser so als anders herum. ich sag's nicht weiter.

11.5.07  

Kommentar veröffentlichen

<< Home