Wotans Herrchen
Wir begegneten uns meistens abends, wenn er mit seinem Hund an der Leine die Blockrunde drehte. Wotan hieß der freundliche Riesenschnauzer, dem er angeblich beim exklusivsten Vierbeinerfigaro der Stadt zweimal im Jahr das Fell stutzen ließ. Zumindest behauptete er das. Dabei kniff er die Augen zusammen und versengte sich die vergilbten Finger, um keinen Krümel Tabak aus der Selbstgedrehten zu vergeuden. In seiner Plastiktüte klirrte Korn gegen Bier. Den Treibstoff kaufte er jeden Abend während Wotans Blockrunde an der Tankstelle. Das Fell war übrigens miserabel geschnitten, und wenn die Geschichte stimmte, dann war Wotans Figaro dem Alkohol ebenso wenig abgeneigt, wie sein Herrchen.
Wotan war etwa zehn Jahre alt und hatte eine graue Schnauze. Das Alter von Wotans Herrchen war schwerer zu schätzen, weil das raue Klima von Alkohol und Nikotin deutliche Erosionen in seiner Gesichtslandschaft hinterlassen hatte. Vermutlich war er zwischen Ende Zwanzig und Mitte Vierzig. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass ich mit dieser Schätzung völlig daneben liege.
Wotan wohnte zusammen mit seinem Herrchen bei den Eltern von Wotans Herrchen. Die Eltern von Wotans Herrchen waren mindestens hundert Jahre alt und hatten ihre Begabung für Alkoholmissbrauch an den Sohn vererbt. Ich bin ihnen nur einmal begegnet. Beinahe hätte ich es an jenem Abend mit der Angst zu tun bekommen, als mir die beiden Gespenster in der Dämmerung begegneten. Doch dann erkannte ich Wotan und beruhigte mich, da es sich bei den beiden Gespenstern am anderen Ende der Leine offenbar um die Eltern von Wotans Herrchen handeln musste.
Auf meine Frage nach dem Verbleib von Wotans Herrchen knurrte eine der beiden Erscheinungen irgendwas von Operation und Bauchspeicheldrüse. Man konnte unmöglich feststellen, ob es sich beim Verursacher des Knurrens um die Mutter oder den Vater von Wotans Herrchen handelte. Vielleicht hatte sogar Wotan selbst geantwortet und die Eltern seines Herrchens nur als eine Art Bauchrednerpuppen für Riesenschnauzer benutzt.
Einige Wochen später kam mir Wotan wieder in Begleitung seines Herrchens und der klirrenden Plastiktüte entgegen. Auf meine Frage, ob er sich von seinem Krankenhausaufenthalt erholt habe, glotzte mich Wotans Herrchen genauso blöd an wie sein Hund.
Danach begegnete ich Wotans Herrchen und seinem Hund nie wieder. Es gab unterschiedliche Versionen von seinem Tod, aber in jeder Geschichte spielte der Balkon eine wichtige Rolle. Die einen erzählten, es handelte sich um Selbstmord, die anderen wussten zu berichten, dass ihn seine Mutter im Rausch auf den Balkon gesperrt habe und er beim Versuch, an der Regenrinne nach zu unten klettern, abgestürzt sei.
Irgendwann habe ich mich dabei ertappt, dass ich im Vorbeigehen mit hastigen Blicken nach einer Färbung des Pflasters unter dem Balkon gesucht habe. Aber Wotans Herrchen hat keine Spuren hinterlassen.
Wotan war etwa zehn Jahre alt und hatte eine graue Schnauze. Das Alter von Wotans Herrchen war schwerer zu schätzen, weil das raue Klima von Alkohol und Nikotin deutliche Erosionen in seiner Gesichtslandschaft hinterlassen hatte. Vermutlich war er zwischen Ende Zwanzig und Mitte Vierzig. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass ich mit dieser Schätzung völlig daneben liege.
Wotan wohnte zusammen mit seinem Herrchen bei den Eltern von Wotans Herrchen. Die Eltern von Wotans Herrchen waren mindestens hundert Jahre alt und hatten ihre Begabung für Alkoholmissbrauch an den Sohn vererbt. Ich bin ihnen nur einmal begegnet. Beinahe hätte ich es an jenem Abend mit der Angst zu tun bekommen, als mir die beiden Gespenster in der Dämmerung begegneten. Doch dann erkannte ich Wotan und beruhigte mich, da es sich bei den beiden Gespenstern am anderen Ende der Leine offenbar um die Eltern von Wotans Herrchen handeln musste.
Auf meine Frage nach dem Verbleib von Wotans Herrchen knurrte eine der beiden Erscheinungen irgendwas von Operation und Bauchspeicheldrüse. Man konnte unmöglich feststellen, ob es sich beim Verursacher des Knurrens um die Mutter oder den Vater von Wotans Herrchen handelte. Vielleicht hatte sogar Wotan selbst geantwortet und die Eltern seines Herrchens nur als eine Art Bauchrednerpuppen für Riesenschnauzer benutzt.
Einige Wochen später kam mir Wotan wieder in Begleitung seines Herrchens und der klirrenden Plastiktüte entgegen. Auf meine Frage, ob er sich von seinem Krankenhausaufenthalt erholt habe, glotzte mich Wotans Herrchen genauso blöd an wie sein Hund.
Danach begegnete ich Wotans Herrchen und seinem Hund nie wieder. Es gab unterschiedliche Versionen von seinem Tod, aber in jeder Geschichte spielte der Balkon eine wichtige Rolle. Die einen erzählten, es handelte sich um Selbstmord, die anderen wussten zu berichten, dass ihn seine Mutter im Rausch auf den Balkon gesperrt habe und er beim Versuch, an der Regenrinne nach zu unten klettern, abgestürzt sei.
Irgendwann habe ich mich dabei ertappt, dass ich im Vorbeigehen mit hastigen Blicken nach einer Färbung des Pflasters unter dem Balkon gesucht habe. Aber Wotans Herrchen hat keine Spuren hinterlassen.
13 Comments:
An dieser Stelle drängt sich mir die Frage auf, was aus Wotan geworden ist? Wenn wir uns hier schon für die Tiere stark machen wollen.....
Ich habe lange nachgedacht. Kennt eigentlich jemand einen Alkoholiker, der nicht raucht? Von Wotan natürlich abgesehen, falls die Gerüchte stimmen.
Und jetzt rätsele ich auch noch darüber, ob dieser Satz: "Danach begegnete ich Wotans Herrchen und seinem Hund nie wieder." Absicht oder Irrtum war....
*verwirrt*
/FrauH. + Opa: Danke für euer genaues Hinsehen! Die scheinbare Doppeldeutigkeit war unbeabsichtigt. Es sollte sich nicht um eine Fabel handeln.
FrauH.: Auch ich hatte sofort die Frage gestellt, was aus Wotan geworden sei. Aber das führte nur zur naheliegenden Vermutung: Tierheim. Mit Sicherheit wusste es niemand. Auch über den Verbleib der beiden Gespenster ist nichts näheres bekannt.
Opa: Über nichtrauchende Alkoholiker habe ich auf deine Anregung hin auch lange nachgedacht. Die Anzahl ist sehr überschaubar.
wotans herrchen mag keine spuren hinterlassen haben, aber vielleicht eine lücke...vermisst man das abendliche gespann nicht an der tanke?
bei der nennung des sujekts hund der art riesenschnauzer muss ich immer lachen. ich denke dabei an tom selleck. wusste gar nicht, dass der auch getrunken hat. aber geraucht hat der nie. arme sau.
Randexistenzen wie Wotans Herrchen haben oft große Hunde. Glück für alle Beteiligten, dass Wotan offenbar so brav war.
Wenigstens hat Herrchens Alkoholsucht Wotan regelmäßige Spaziergänge eingebracht.
Vielleicht hat Wotan auch den Tod seines Herrchens gerächt, die Gespenster gefressen und ist daraufhin am reslutierenden Leberschaden gestorben. Womit ihm auch das Tierheim erspart geblieben wäre.
scheibster,
etwa nach dem motto:
je größer das persönliche elend, desto höher die anzahl der haustiere, die man daran zu beteiligen hat?
(eiskalt zitiert aus wiglaf drostes"in der nachbarschaft"
Auf dem Pflaster nach Blutspuren schielen? Für so sensationslüstern hätte ich sie gar nicht gehalten, Herr Quint. Eigentlich sympathisch...
/Frech'n'Nett: Ich vermute, der fehlende Umsatz wirkt sich nicht verheerend auf die Bilanz des Mineralölkonzerns aus. Aber ich vermisse die beiden im Straßenbild. Die Lücke als Spur - interessanter Gedanke ...
/Mudshark: Hatte der als Magnum nicht hin und wieder eine Zigarre unter dem Pornobalken stecken?
/Scheibster: Auch wenn mir dieser Erklärungsansatz ausgesprochen gut gefällt, täte es mir um den armen Köter leid, wenn er an einer angefressenen Leberzirrhose verendet wäre.
/DGT Steini: Ich weiß auch nicht was da mit mir los war ... normalerweise kann ich Blut bereits aus großer Entfernung riechen ...
Ich bin mir ja nicht sicher, aber kann es sein, dass Wotan hier reingeschnuppert und meinen Kommentar zu diesem abermals großartigen Text gefressen hat? Ich kann ihn nicht mehr sehen, und ich dachte, er sei da gewesen. Geschrieben hatte ich zumindest... seltsam. :)
.
Wotan scheint einen gesunden Appetit zu haben.
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