Eine Ansichtskarte aus der südlichen Hirnhemisphäre
Hallo Daheim,
Wetter gut.
Viele Grüße,
dein Ich
So lautete die letzte Nachricht, die Escher auf einen Multicolorgedanken geschrieben, und unterfrankiert an die eigene Adresse auf der Nachtseite seines Bewusstseins gesendet hatte. Die Ansichtskarte legte viele tausend Meilen in verkehrsgefährdenden Transportmitteln zurück. Als er sie aus dem Briefkasten fischte, war die Karte von den Gedanken, durch die sie während ihrer Irrfahrt gegangen war, abgegriffen und mit so vielen Stempeln und handschriftlichen Vermerken der Zusteller übersäht, dass man den Text kaum noch entziffern konnte.
Seit jener Botschaft hatte er nichts mehr von sich gehört. Immer wieder holte Escher die Karte aus der oberen Schublade seines Nachtschranks. Inzwischen war die Handschrift unter den Berührungen seiner Blicke verblasst.
Beinahe täglich nahm er sich vor, weitere Karten zu schreiben. Neun blieben ihm noch, denn der fliegende Händler wollte die Ansichten vom Traumstrand nur im Zehnerpack verkaufen.
Das Gewicht der feuchten Hitze lastete schwer auf seinen Lungen. Jede Bewegung wurde zur zähen Qual. Escher schluckte Unmengen Chloroquin gegen das Fieber, aber es gelang ihm nicht, seine Träume zu bleichen.
Mit der Zeit würden die verbliebenen Ansichtskarten im klebrigen Tropenklima seiner südlichen Hirnhemisphäre verrotten und den Weg aller unbeschriebenen Erinnerungen gehen.
Wetter gut.
Viele Grüße,
dein Ich
So lautete die letzte Nachricht, die Escher auf einen Multicolorgedanken geschrieben, und unterfrankiert an die eigene Adresse auf der Nachtseite seines Bewusstseins gesendet hatte. Die Ansichtskarte legte viele tausend Meilen in verkehrsgefährdenden Transportmitteln zurück. Als er sie aus dem Briefkasten fischte, war die Karte von den Gedanken, durch die sie während ihrer Irrfahrt gegangen war, abgegriffen und mit so vielen Stempeln und handschriftlichen Vermerken der Zusteller übersäht, dass man den Text kaum noch entziffern konnte.
Seit jener Botschaft hatte er nichts mehr von sich gehört. Immer wieder holte Escher die Karte aus der oberen Schublade seines Nachtschranks. Inzwischen war die Handschrift unter den Berührungen seiner Blicke verblasst.
Beinahe täglich nahm er sich vor, weitere Karten zu schreiben. Neun blieben ihm noch, denn der fliegende Händler wollte die Ansichten vom Traumstrand nur im Zehnerpack verkaufen.
Das Gewicht der feuchten Hitze lastete schwer auf seinen Lungen. Jede Bewegung wurde zur zähen Qual. Escher schluckte Unmengen Chloroquin gegen das Fieber, aber es gelang ihm nicht, seine Träume zu bleichen.
Mit der Zeit würden die verbliebenen Ansichtskarten im klebrigen Tropenklima seiner südlichen Hirnhemisphäre verrotten und den Weg aller unbeschriebenen Erinnerungen gehen.
Labels: Escher
16 Comments:
Man sollte halt doch nur erfahrene und verkehrskundige Transportmittel verwenden, die den Verkehr nicht allzu sehr gefährden, die neun anderen Versuche würde ich mir nochmal genau überlegen, aller Wahrscheinlichkeit nach könnte das dann richtig teuer werden, dann doch lieber Haus 26.
dürfte ich bitte auch eine von den pillen haben? ich beantrage hiermit förmlich diese escher episode mit dem label 'hirnfick' zu versehen.
danke und schönen tag!
ich freu mich ja regelmäßig bekloppt, wenn ich mal wieder sporadisch was von mir höre.
tatsächlich verschicke ich immer, wenn ich verreise, exakt eine postkarte und zwar an mich selbst.
manche sind niemals angekommen.
hallo daheim, schickt mehr geld.
so oder ähnlich sehen meine nachrichten meist aus ^^
/Der Nachbar: Die Privatisierung der Zustelldienste hat nicht nur Vorteile.
/Mudshark: Chloroquin ist verschreibungspflichtig. Aber in den meisten Fällen hilft auch Rum. Ich stelle dir bei Gelegenheit ein Rezept aus.
/Frech'n'Nett: Postkarten sind eine hervorragende Gedächtnisstütze. Man vergisst so schnell, wohin man verreist war ...
/Stard: Ihre Familie weiß es bestimmt sehr zu schätzen, dass Sie sich aufs Wesentliche beschränken.
@markus: Und welche Konsequenz ziehst du nun aus deiner Erkenntnis?
[Was Erkenntnis als solche betrifft, habe ich erkannt, dass sie jederzeit durch eine neue Erkenntnis abgelöst werden kann.] Meine luftleere Plauderei über die Privatisierung von Zustelldiensten würde ich nicht als Erkenntnis bezeichnen. Es war eher eine Panikreaktion auf deinen Kommentar, weil ich - nun werfe ich meine Karten der Unkenntnis offen auf den Tisch - keinen blassen Schimmer hatte, was du mit Haus 26 meintest, mich aber aus der Befürchtung, plötzlich durch das Bekennen meiner Unkenntnis bei meinen Lesern als uncoole Nullgurke dazustehen, nicht getraut habe, zu fragen. Aber mein Ablenkungsmanöver wurde enttarnt, und jetzt stehe ich erst recht als totaler Knalldepp da.
@markus: Tschuldigung, ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich dabei esse, aber mein Magen knurrt... Jetzt gehst du aber zu hart mit dir ins Gericht - neben aller Ironie, die aus deinen Worten spricht. Ein Text hat, denke ich, immer mehrere Wahrheiten, die des Verfassers und die der Leser. Und dabei bleibt es auch nicht nur bei diesem Dualismus, da sich jede einzelne Wahrheit weiter in "Subwahrheiten" aufspalten ließe, manchmal bewusst, oft unbewusst. So wie ich Ironie in einem Text vermuten mag aufgrund eines gewachsenen Bildes, aber mit diesem Bild –aufgrund der dimensionalen Begrenztheit– auch völlig falsch liegen kann. Das Haus 26 geht übrigens zurück auf eine augenzwinkernde Assoziation infolge deiner Zeilen. Dort in diesem Hause soll es nämlich, wie ich hörte, weitestgehend nicht verkehrsgefährdende Transportmittel geben. Wenn du so willst, eine noch luftleerere Plauderei, völlig banal, aber eben auch eine Wahrheit. Und wie wir ja wissen, sind die meisten Wahrheiten recht banal.
Guten Appetit. Und jetzt halt mich für komplett beklopft, vielleicht hat der Tankwart heute die Flasche falsch befüllt - aber ich raffe es immer noch nicht. Machen wir doch einfach ein kleines Quiz für alle daraus*. Ist das Haus 26:
a) eine Postzweigstelle?
b) eine Kneipe
c) ein Puff?
d) ein Klostergebäude?
e) alle Antworten sind richtig.
*Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, und zu gewinnen gibt es sowieso wie immer nichts.
Es erleichtert mich, dass es nicht die Aufgabe des Autors ist, die eigenen Texte zu interpretieren. Das sollte man anderen überlassen. [Persönliche Notiz: Text über peinliche Künstler schreiben, die eine Eröffnungsrede zur eigenen Vernissage halten.]
@markus: Habe das schonmal erlebt, dass Kunstwerke von Kunsthistorikern interpretiert worden sind, wo dann die Künstler hinterher ihre eigenen Werke nicht mehr erkannt haben. Ich denke mal, dass das die Regel ist und nach meinem Dafürhalten auch ein Qualitätsmerkmal von Kunst ist, denn glaubt man einmal, die Kunst erlernt zu haben und sie beschreiben zu können, entgleitet sie einem auch schon wieder und verliert so ihre besondere Authentizität. (Frei nach Lüppertz.) Aber darüber zu lamentieren wäre dann wirklich müßig. Ich tendiere übrigens zu Antwort e).
Bingo. E) ist richtig. Man sollte diese Option in allen Multiple Choice Tests anbieten.
Künstler sollte es zutiefst beunruhigen, wenn sie eine Interpretation ihres Werkes schlüssig finden.
verdampft, ich hatte auf den puff getippt :/ aber geld schickt mir trotzdem nie jemand ... alle geizig.
Die gute Nachricht: Der Puff war auch richtig. Die schlechte Nachricht: Auch diesmal schickt keiner Geld.
Alter, ich habe das in noch keinem Blog geschrieben, aber von Escher oder überhaupt von Dir würd ich saugern mal nen Roman lesen. Ist sofort gekauft. Einmal mehr riesig.
Vielen Dank, Ole, aber ich befürchte, das deckt keine Rechtschutzversicherung ab.
Vielleicht sollte wenigstens eine ihr Leistungssprektrum erweitern?
Kommentar veröffentlichen
<< Home