Leitfaden zur Gründung einer Religion
Werden Sie Ihr eigener Religionsstifter! Hat nicht jeder schon davon geträumt, der Menschheit zu verkünden, wo der omnipotente Erleuchtungshammer hängt? Und warum sollte man sich vom spirituellen Ruf etablierter Propheten einschüchtern lassen, anstatt Angelegenheiten von derartiger Tragweite selbst in die Hand zu nehmen?
Die fachlichen Voraussetzungen zur Gründung einer Religion sind erfreulich banal. Schulabschlüsse oder eine dokumentierte Ausbildung werden in der Regel nicht erwartet, zumeist genügt eine mittelmäßig entwickelte Phantasie. Ein optisch ansprechendes Erscheinungsbild - wild wuchernde Bärte stehen hierzu ausnahmsweise in keinem Widerspruch, selbstbewusstes Auftreten, und die Fähigkeit, auch vor einer größeren Anzahl von Menschen rhetorisch zu überzeugen, sind einer Karriere als Religionsstifter förderlich.
Zunächst sollten Sie sich ein paar Grundsätze für Ihre neue Religion ausdenken. Diese müssen verständlich formuliert sein. (Sätze mit mehr als acht Wörtern vermeiden etc.) Falls Sie unter Zeitdruck stehen, wird dringend empfohlen, die Ressourcen in anderen Teilbereichen des Projekts zu straffen. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für eine sorgfältige Erarbeitung eingängiger Glaubensgrundsätze, es rentiert sich! Inhalte spielen dabei eine untergeordnete Rolle und sollten möglichst trivial sein, damit sich Ihre Anhänger die Grundsätze mühelos merken können. Dieses Ziel erreichen Sie über den effektiven Einsatz stilistischer und formaler Mittel.
Der Geist ist größer als der Magen. So könnte der Entwurf für einen Glaubensgrundsatz lauten. Lasset den Geist mächtiger wachsen als den Magen. Diese Variante wirkt durch ihren Aufforderungscharakter nachhaltiger. Außerdem fehlt der zwanghaft aphoristische Absolutheitsanspruch, und dem Gläubigen wird die Möglichkeit zur aktiven Optimierung des eigenen Daseins suggeriert. Zusätzlich verstärkt die Verwendung des Machtbegriffs im Zusammenhang mit geistigem Wachstum diesen Eindruck.
Inhalte der Art Zigaretten im Kühlschrank lagern oder Zwiebeln nur auf Plastikbrettchen schneiden wären als Glaubensgrundsätze zu speziell, könnten aber in den Erläuterungen zu allgemeinen Verhaltensregeln Eingang in Ihr Evangelium finden. Überhaupt sollten Sie die Schriftsammlung großzügig mit Legenden, Gebeten und Liedgut unterfüttern.
Mehrdeutigkeiten schaden nicht, da die Gläubigen zum exegetischen Diskurs angeregt werden und sich intensiver mit der Religion auseinandersetzen. Das begünstigt den Eindruck, der Gläubige besäße eine eigene Meinung. Und ohne die Illusion von Selbstbestimmung zu vermitteln, gewinnen Sie als Prophet heutzutage keinen Blumentopf mehr. Die Zeiten, als das noch funktionierte, sind längst vorbei.
Auch der Zweifel spielt im Verlauf religiöser Reifungsprozesse eine tragende Rolle. Ein qualitativ hochwertiger Gläubiger fühlt sich von seiner Religion erst dann ernst genommen, wenn sie ihm ausreichend Spielraum für Zweifel und Hader lässt. Das klingt zunächst negativ, aber das Hadern besitzt eine Jahrtausende alte Tradition und dient als hervorragendes Instrument zur Stärkung des Fundaments einer religiösen Überzeugung. Denn auf diese Weise erhält der Gläubige die Möglichkeit, sich im Ringen mit sich selbst auf die sogenannte Suche nach sich selbst zu begeben, um sich selbst schließlich mittels spiritueller Stützen in irgendwelchen abgelegenen Winkeln des von Ihnen errichteten, religiösen Gebäudes zu finden.
Einen weiteren Kernbestandteil religiöser Überzeugungen bilden Sanktionen. Sie dienen als Drohung gegenüber Ungläubigen und halten die Gläubigen von der Missachtung sakraler Standards ab. Für die Gestaltung von Sanktionen gibt es kein Geheimrezept. Von der Beschwörung bösartiger Krankheiten zu Lebzeiten, bis hin zur kunterbunten Beschreibung seelischer Qualen nach dem Ableben eines Sünders sind Ihrer Phantasie keine Grenzen gesetzt. Schauen Sie sich die Gemälde von Hieronymus Bosch an, und Sie erahnen, worum es geht.
Eine besonders griffige Sanktion ist ein schlechtes Gewissen. Sollte es gelingen, Ihrer Gemeinde dauerhaft ein schlechtes Gewissen zu vermitteln, haben Sie Ihre Schäflein quasi im Trockenen. Braven Gläubigen, die sich vorbildlich an die von Ihnen diktierten Regeln halten, muss die Einlösung eines Heilsversprechens in Aussicht gestellt werden. Auch in diesem Punkt können Sie frei fabulieren, da nicht damit zu rechnen ist, dass sich ein Mitglied Ihrer Religionsgemeinschaft nach seinem Tod über ein nicht eingelöstes Heilsversprechen beschweren wird. Selbst wenn dieser Fall eintreten sollte - ein paar Sünden zu Lebzeiten lassen sich immer finden, um Nörgler ruhig zu stellen.
Ein Vorteil in der Profession des Propheten besteht darin, dass man sich jeder Verantwortung für die Folgen seiner Tätigkeit entziehen kann. Das gilt doch für die meisten anderen Berufe auch, könnten Sie nun empört kontern, aber als Verkünder einer hausgemachten Baukastenreligion sind Sie mit rationalen Argumenten kaum am Schlafittchen zu packen. Nicht umsonst berufen sich alle erfolgreichen Religionsstifter auf die Methode des Glaubens und verdrehen genervt die Augen, wenn man ihnen mit menschlicher Vernunft kommt.
Probieren Sie es einfach aus. (Dieser Appell richtet sich übrigens auch gezielt an weibliche Kandidaten, da Frauen im Kreis der Religionsstifter eindeutig unterrepräsentiert sind.)
Und lassen Sie den Kopf nicht hängen, wenn es nicht sofort beim ersten Anlauf klappt. Falls sich die Publikumserfolge nicht unmittelbar nach der Religionsgründung abzeichnen, suchen Sie Kontakt zu anderen Propheten und beten Sie sich gegenseitig an. Davon können dann alle profitieren. Ähnlich wie bei Weblogs.
Die fachlichen Voraussetzungen zur Gründung einer Religion sind erfreulich banal. Schulabschlüsse oder eine dokumentierte Ausbildung werden in der Regel nicht erwartet, zumeist genügt eine mittelmäßig entwickelte Phantasie. Ein optisch ansprechendes Erscheinungsbild - wild wuchernde Bärte stehen hierzu ausnahmsweise in keinem Widerspruch, selbstbewusstes Auftreten, und die Fähigkeit, auch vor einer größeren Anzahl von Menschen rhetorisch zu überzeugen, sind einer Karriere als Religionsstifter förderlich.
Zunächst sollten Sie sich ein paar Grundsätze für Ihre neue Religion ausdenken. Diese müssen verständlich formuliert sein. (Sätze mit mehr als acht Wörtern vermeiden etc.) Falls Sie unter Zeitdruck stehen, wird dringend empfohlen, die Ressourcen in anderen Teilbereichen des Projekts zu straffen. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für eine sorgfältige Erarbeitung eingängiger Glaubensgrundsätze, es rentiert sich! Inhalte spielen dabei eine untergeordnete Rolle und sollten möglichst trivial sein, damit sich Ihre Anhänger die Grundsätze mühelos merken können. Dieses Ziel erreichen Sie über den effektiven Einsatz stilistischer und formaler Mittel.
Der Geist ist größer als der Magen. So könnte der Entwurf für einen Glaubensgrundsatz lauten. Lasset den Geist mächtiger wachsen als den Magen. Diese Variante wirkt durch ihren Aufforderungscharakter nachhaltiger. Außerdem fehlt der zwanghaft aphoristische Absolutheitsanspruch, und dem Gläubigen wird die Möglichkeit zur aktiven Optimierung des eigenen Daseins suggeriert. Zusätzlich verstärkt die Verwendung des Machtbegriffs im Zusammenhang mit geistigem Wachstum diesen Eindruck.
Inhalte der Art Zigaretten im Kühlschrank lagern oder Zwiebeln nur auf Plastikbrettchen schneiden wären als Glaubensgrundsätze zu speziell, könnten aber in den Erläuterungen zu allgemeinen Verhaltensregeln Eingang in Ihr Evangelium finden. Überhaupt sollten Sie die Schriftsammlung großzügig mit Legenden, Gebeten und Liedgut unterfüttern.
Mehrdeutigkeiten schaden nicht, da die Gläubigen zum exegetischen Diskurs angeregt werden und sich intensiver mit der Religion auseinandersetzen. Das begünstigt den Eindruck, der Gläubige besäße eine eigene Meinung. Und ohne die Illusion von Selbstbestimmung zu vermitteln, gewinnen Sie als Prophet heutzutage keinen Blumentopf mehr. Die Zeiten, als das noch funktionierte, sind längst vorbei.
Auch der Zweifel spielt im Verlauf religiöser Reifungsprozesse eine tragende Rolle. Ein qualitativ hochwertiger Gläubiger fühlt sich von seiner Religion erst dann ernst genommen, wenn sie ihm ausreichend Spielraum für Zweifel und Hader lässt. Das klingt zunächst negativ, aber das Hadern besitzt eine Jahrtausende alte Tradition und dient als hervorragendes Instrument zur Stärkung des Fundaments einer religiösen Überzeugung. Denn auf diese Weise erhält der Gläubige die Möglichkeit, sich im Ringen mit sich selbst auf die sogenannte Suche nach sich selbst zu begeben, um sich selbst schließlich mittels spiritueller Stützen in irgendwelchen abgelegenen Winkeln des von Ihnen errichteten, religiösen Gebäudes zu finden.
Einen weiteren Kernbestandteil religiöser Überzeugungen bilden Sanktionen. Sie dienen als Drohung gegenüber Ungläubigen und halten die Gläubigen von der Missachtung sakraler Standards ab. Für die Gestaltung von Sanktionen gibt es kein Geheimrezept. Von der Beschwörung bösartiger Krankheiten zu Lebzeiten, bis hin zur kunterbunten Beschreibung seelischer Qualen nach dem Ableben eines Sünders sind Ihrer Phantasie keine Grenzen gesetzt. Schauen Sie sich die Gemälde von Hieronymus Bosch an, und Sie erahnen, worum es geht.
Eine besonders griffige Sanktion ist ein schlechtes Gewissen. Sollte es gelingen, Ihrer Gemeinde dauerhaft ein schlechtes Gewissen zu vermitteln, haben Sie Ihre Schäflein quasi im Trockenen. Braven Gläubigen, die sich vorbildlich an die von Ihnen diktierten Regeln halten, muss die Einlösung eines Heilsversprechens in Aussicht gestellt werden. Auch in diesem Punkt können Sie frei fabulieren, da nicht damit zu rechnen ist, dass sich ein Mitglied Ihrer Religionsgemeinschaft nach seinem Tod über ein nicht eingelöstes Heilsversprechen beschweren wird. Selbst wenn dieser Fall eintreten sollte - ein paar Sünden zu Lebzeiten lassen sich immer finden, um Nörgler ruhig zu stellen.
Ein Vorteil in der Profession des Propheten besteht darin, dass man sich jeder Verantwortung für die Folgen seiner Tätigkeit entziehen kann. Das gilt doch für die meisten anderen Berufe auch, könnten Sie nun empört kontern, aber als Verkünder einer hausgemachten Baukastenreligion sind Sie mit rationalen Argumenten kaum am Schlafittchen zu packen. Nicht umsonst berufen sich alle erfolgreichen Religionsstifter auf die Methode des Glaubens und verdrehen genervt die Augen, wenn man ihnen mit menschlicher Vernunft kommt.
Probieren Sie es einfach aus. (Dieser Appell richtet sich übrigens auch gezielt an weibliche Kandidaten, da Frauen im Kreis der Religionsstifter eindeutig unterrepräsentiert sind.)
Und lassen Sie den Kopf nicht hängen, wenn es nicht sofort beim ersten Anlauf klappt. Falls sich die Publikumserfolge nicht unmittelbar nach der Religionsgründung abzeichnen, suchen Sie Kontakt zu anderen Propheten und beten Sie sich gegenseitig an. Davon können dann alle profitieren. Ähnlich wie bei Weblogs.
13 Comments:
Ich bin dabei: Seid nicht so negativ, denn wo viel Schatten, da wenig Licht. Verlasset euch nicht auf euren Geist, denn er wird euch eines Tages verlassen und das ist sicher, so wie die Butter ranzig wird. Vertraut, so vertraut man auch euch, doch vertraut ihr nicht, so seid ihr des Vertrauens nicht würdig und wer würde schon den Unwürdigen würdigen?
Brot wird nicht so schnell trocken, wenn wir es in einen Eimer Wasser legen. Größere Mengen Rotwein helfen beim Brotbrechen. Aber immer schön vorbeugen und nicht auf die Sandalen kotzen.
Habe ich alles bereits hinter mir aber schon nach kurzer Zeit wurde die ewige Anbeterei langweilig.
Mal sehen, vielleicht werde ich demnächst ein bißchen auferstehen, wenn nichts dazwischen kommt.
Vielleicht nicht schlecht für mein nächstes Ziel.
Großartige Instruktion - praktische Umsetzung ohne fachkundige Anleitung endet ansonsten unter Umständen so wie hier. :)
Aber wieso denn eine RELIGION GRÜNDEN??? Nehmt doch meine!
Das Ende der falschen Religionen ist nahe! Das Fliegende Spaghettimonster wird sie alle auslöschen giarharhar!
/Der Nachbar: Hervorragende Slogans, vor allem der Aufforderungscharakter ist deutlich ausgeprägt! Und die verwirrende Fragestellung am Schluss setzt Ihren Geboten die rhetorische Krone auf.
/Tillmister: Auch an dir wäre beinahe ein talentierter Religionsstifter verloren gegangen. Die Menschheit darf sich glücklich schätzen, dass du diesen Verlust verhindern konntest. Guter Mann! Weitermachen!
/Opa: Manna in sich reinstopfen, bis man speien muss - logo, dass unter solchen Bedingungen die Eucharistie irgendwann langweilig wird!
/Ole: Dein grandioser Dialog schreit sowieso nach einer Fortsetzung! Der von dir beschriebene Kirchengründer sollte sich nicht so leicht die Butter (bzw. den Mett) von der Hostie nehmen lassen. Die Zeugen Jehovas machen auch nicht ihren Laden dicht, nur weil ich sie nicht in meine Bude lasse.
/Mkh: Merci vielmals für das Angebot - gibt es irgendwo einen Werbeprospekt od. ähnl.? Man müsste sich doch wenigstens grob orientieren können, und ganz ohne Inhalte fällt mir das immer so schwer. (Mein Problem, klar. Aber ich wollte es trotzdem zum Ausdruck bringen.)
/Prophet: Bravo! Sie haben sich sogar bereits eine passende Identität zugelegt. Das nenne ich vorbildlich. Und das fliegende Spaghettimonster wird heute abend erstmal um die Gabel gewickelt. Merci für die kulinarische Inspiration.
Es ist also wahr, Sie folgen mir?
und wenn ihr zur wortbestätigung 'sauhdda' findet, so habt ihr euren propheten gefunden.
MEISTER!
/Der Nachbar: Im Sinne der weiteren Motivation halte ich diesen Schritt für pädagogisch wertvoll :)
/Mudshark: Lasset die Wortbestätiger zu mir kommen!
Analog zur irrsinnig ermüdenden Diskussion, ob es denn nun verdammt noch mal "der" oder "das" Blog heißt, würde ich hier fast die Diskussion anzetteln mögen, ob es der oder das Mett heißt. ;)
Und mal schauen, ob mir ne Fortsetzung einfällt. Und in welche Richtung ich mein Cafépärchen schicke. Allmählich würd ich sie am liebsten in einen Zug stecken und nach Italien ausquartieren, wo sie (getrennt voneinander) ein paar Vini Rossi trinken können und vorerst nix mehr von sich hören lassen. Mir gehen sie selbst schon langsam auf den Sack. :)
Es kann nur eine Kirche geben!!!
Habe ich übrigens schon mal erwähnt, dass ich den Vorsitz der größten Gemeinde einer Religionsgemeinschaft innehabe?!
http://www.church-of-fear.net/deutsch/gemeindekirche/gemeinde.html
Wenn jemand glaubt, das widerstrebt meinen antireligiösen Grundeinstellung, muss genauer lesen. :)
/Ole: Die Geschlechterdiskussion kann schnell beendet werden, wenn man sich überlegt, ob es das oder der Logbuch heißen muss. Entscheidet selbst. In Sachen Mett lasse ich gerne den Duden für mich entscheiden und entschuldige mich für den Fehler.
Und was dein Cafépärchen betrifft - die wirst du so schnell nicht mehr los (hoffentlich) ... die Geister, die du riefst! HAR HAR. Geschieht dir recht :)
/Eon: Das nenne ich Marsch durch die Institutionen! Saubere Karriere. Und als nächster wird der Herr Schlingensief vom Heiligen Stuhl gefegt!
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