Montag, Februar 11, 2008

Die VW-Frage

Ich habe mich noch nie bei irgendjemand nach den individuellen Motivationen für Fleischkonsum erkundigt, sehe mich aber zuweilen in die Situation einer Rechtfertigung dafür gedrängt, warum ich auf den Verzehr von Fleisch verzichte. Häufig handelt es sich bei den Fragestellern um Menschen, die mir keineswegs nahe stehen, und die sich angesichts der eigenen Leibesfülle gewiss nützlicheren Themen widmen könnten, als den Essgewohnheiten anderer Leute.

Bemerkenswert ist die unterschwellige Aggression, die meistens in der VW-Frage ("Vegetarier? Warum?") mitschwingt und den Eindruck einer Anklage oder mindestens eines Vorwurfs erweckt. Wehe, man lässt sich auf eine Diskussion über vegetarische Ernährung ein! Nach spätestens drei Sätzen bekommt man unter die Nase gerieben, woher man denn überhaupt so genau wisse, dass Pflanzen nicht auch über ein Gefühlsleben verfügten und keine Schmerzen während der grausamen Zubereitung einer Gemüselasagne empfänden. Ich schlage dann meistens vor, einen Verein gegen Massenpflanzenhaltung zu gründen.


Reizvoll bizarr erschien mir der Vorwurf einer zufälligen Bekanntschaft, dem vegetarischen Irrsinn seien die Hälfte der südamerikanischen Tropenwälder zum Opfer gefallen, weil diese Regionen angeblich für den Soja-Anbau gerodet wurden. Für das Argument, der weitaus größte Anteil der weltweiten Sojaernten werde für die Produktion von Kraftnahrung zur Verfütterung an Rinder, Schweine und Geflügel verwendet, war die Dame nicht empfänglich. Erst mit einem Hopfengetränk der Brauerei, die damals den Regenwald gerettet hat, konnte ich sie halbwegs besänftigen.


Gewöhnlich beantworte ich die VW-Frage mit der verwegenen Behauptung, das Tierreich und ich hätten eine Abmachung getroffen: Die beißen mich nicht, und ich beiße die nicht. Manchmal experimentiere ich aber auch mit anderen Erklärungen. Eine besonders knisternde Atmosphäre der Beklemmung kann bei der Variation entstehen, ich sei als Kind zwei Wochen im stillgelegten Schacht eines Bergwerks verschüttet gewesen und hätte jene Zeit nur überlebt, weil ich drei meiner eigenen Zehen verzehrte. Seither könne ich den Geschmack von Fleisch nicht mehr ertragen.


Sehr wirkungsvoll wäre bestimmt auch die Behauptung, man sei Vegetarier, weil der Führer auch Vegetarier war. Sollte man damit allerdings auf Verständnis stoßen, empfehle ich, die Gesellschaft zu wechseln.

16 Comments:

Anonymous Anonym said...

Ich zum Beispiel bin kein Vegetarier und zwar, weil eindeutig feststeht:

Vegetarier scheissen die größeren Haufen.

11.2.08  
Blogger MudShark said...

... und fleischesser die stinkigeren!

eine sehr schöne diskussion zum thema findet sich hier. forensmäßig klassisch abgleitend.

die schmitts hatten eine lp meat is murder.

11.2.08  
Anonymous Anonym said...

Ich schätze mal, Zappa war bestimmt kein Veganer, so wie der aussah.

Immer diese nachträglichen Eingriffe in die Natur. Der Mensch ist, wie das Schwein, ein Allesfresser. Ich befürworte artgerechte Haltung für beide.

Außerdem belasten Nichtraucher und Vegetarier unsere Sozialkassen, das wissen nur die meisten nicht.

11.2.08  
Blogger Jan Spengler said...

Der Führer war Vegetarier? Ich bin mit dem Trauma großgeworden, er hätte zusammen mit Eva und den Göbbels in den letzten Tagen im Bunker seine Liebe Blondi mariniert und verspeist. Der rechten Vorderlauf erstarrt in Aspik.

11.2.08  
Blogger Frau H. said...

Also fast möchte ich jetzt Vegetarierin werden, dann könnte ich Ihnen diese wundervolle Geschichte mit den drei Zehen klauen ;)

11.2.08  
Anonymous Anonym said...

Weitere Literaturempfehlung.

12.2.08  
Blogger c.s. said...

da haben sie aber glück gehabt, dass in dem bergwerksschacht keine fledermäuse waren, sonst müssten sie jetzt auch diese ganzköperstrumpfhose und die spitzen ohren tragen.:)

12.2.08  
Blogger Christian 55 said...

Weitere berühmte Vegetarier sind/waren übrigens u.a.: Brian Adams, Brigitte Bardot, Victoria Beckham, Boy George, Wilhelm Busch, Elvis Costello, Frank Elstner, Uri Geller, Philip Glass, George Harrison, Franz Kafka, John Lennon, Abraham Lincoln, Christian Morgenstern, Nena, River Phoenix, Brad Pitt, George Bernhard Shaw und Leo Tolstoi. (Hitler unterschlägt die Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus auf ihrer Liste im Internet allerdings)

13.2.08  
Blogger Der_grosse_Transzendentale_Steini said...

Ich persönlich esse alles, mit reinem Gewissen allerdings nur Fisch. Das ist nämlich das einzige Essgenuß-verheißende Lebewesen, dem ich eins zwischen die Kiemen hauen könnte. Für alles andere akzeptiere den Vorwurf, kulinarisch gesehen ein feiger Heuchler zu sein.

Mörderischen Appetit allerseits!

13.2.08  
Blogger Falcon said...

Das Zehenargument würde sogar mich als Nichtvegetarier überzeugen.
Weniger überzeugend dagegen finde ich die Vegetarierschaft von Uri Geller (der sich vermutlich ohnehin immer dann, wenn keiner hinschaut, schnell ein Schnitzel zaubert), Frau Beckham (die gut ein wenig mehr Fleisch auf den Rippen vertragen könnte) und Frau Bardot (die dafür Ihrerseits aber sicher dem Führerargument recht zugetan sein dürfte).

13.2.08  
Anonymous Anonym said...

Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg!

14.2.08  
Blogger der Nachbar said...

Ich würde mich als bewussten Fleischesser bezeichnen und bin gegen den übertriebenen, bedenkenlosen Verzehr von Fleisch (daher esse ich nur maximal zweimal die Woche Fleisch). Allerdings finde ich auch diesen reduzierten Verzehr irgendwie bestialisch. Wenn ich an der Fleischtheke stehe, komme ich mir ziemlich degeneriert vor. Konsequenz?! Na ja, lassen wir das! Und der unkaputtbare A.H. war also auch Vegetarier? Haben Tiere doch eine Seele? Ich befürchte ja!

14.2.08  
Anonymous Anonym said...

Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden und wir haben eigene Schweine gehabt. Als Kind habe ich mit den Ferkeln gespielt, die ich dann Jahre später mit dem Bolzenschussgerät getötet habe. Ich habe geholfen die Tiere auszunehmen, habe mit den Händen das Blut für die Blutwurst gerührt und Därme gespült. Und… ich habe Fleisch und Wurst gegessen und tue es auch heute noch.

Ich empfehle jedem Kind einmal vom Bauernhof bis zur Wurst zuzuschauen was es da isst. Und ich meine Bauernhof und nicht industriellen Mastbetrieb. Es lehrt einen Respekt vor etwas sehr wertvollem. Ich verstehe jeden Vegetarier, wenn er kein Fleisch isst, es geht auch ohne. Und die fetten Ärsche bei McDreck sollten mal Ihren BigMäc selber erlegen. So.

Der größte Saatgut-Hersteller Monsanto hat übrigens weltweit Patente auf Schweine! Da lacht der Curry-King! Da lutsch ich doch lieber am dicken Zeh.

15.2.08  
Blogger Jan Spengler said...

Monsanto, jou, klasse Laden, sehr konsequent. Erst mit den orangenen Agenten den Wald wegpusten, dann mit den Genen die Wildschweine dazu.

Wie nennen sich eigentlich Menschen, die sich aus ethischen Gründen nicht ernähren?

15.2.08  
Blogger mq said...

/Opa: Der Vergleich zwischen Mensch und Schwein ist gut gewählt - nur dass Schweine nicht jammern, wenn das Menschenfleisch mehr als 89 Cent pro 100 Gramm kostet und nicht täglich ein Menschenschnitzel in den Trog kommt.

/MudShark: Merci. Sehr gelacht bei dem Argument "ich fände es schön wenn es viel mehr veganer gäbe, dann wären steaks nicht mehr so teuer."

/Andie Kanne: Von Menschen, "die sich aus ethischen Gründen nicht ernähren", lese ich an dieser Stelle zum ersten Mal. Wo gibt es die?

/Frau H.: Bitte bedienen Sie sich reichlich.

/c.s.: Sie haben recht, ich wurde tatsächlich nie von Fledermäusen gesäugt.

/Christian55: "Die Tatsache, dass Hitler eine Nase hatte, bedeutet ja auch nicht, dass wir uns die Nase abschneiden müssen." (Peter Singer) S.a. Fleischloser Führer.

/DGT Steini: Meine Hobbies sind Ponies schießen und Delphine fischen.

/Falcon: Keine Sorge, genannter Personenkreis trug in keiner Weise zu meiner Entscheidung bei.

/der Nachbar: Descartes irrte. Aber A.H. als Tier zu bezeichnen wäre eine infame Diskreditierung der Tierwelt.

/dr. bulldog: Mein Respekt gegenüber anderen ist grundsätzlich nicht abhängig von deren Ernährungsweise. Mir ging es in dem Beitrag nicht um die Gründe für vegetarische Ernährung oder fleischhaltige Kost. Ich wollte vermitteln, dass es zuweilen lästig sein kann, die persönliche Ernährungsweise zu rechtfertigen. Die Macht der Norm.

17.2.08  
Blogger Jan Spengler said...

Im Solling (Niedersachsen).

Wobei der vorliegende Fall makaber ist und eigentlich nicht zum Verblödeln in Blogs. Ziehe Frage zurück.

19.2.08  

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