Samstag, Januar 26, 2008

Nak411

Sie wollte ihn unbedingt haben. Wir führten lange Gespräche, konnten ihr den Wunsch aber nicht ausreden. Unsere Angebote machten sie nur jähzorniger. Wenn Nak411 sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, stärkte jeder Versuch, sie davon abzubringen, ihren Willen.

Ein Haustier benötigt viel Zuwendung. Es ist kein beliebiges Spielzeug, das man sich schenken lässt und nach Gebrauch in eine Ecke wirft. Auch wenn die anfängliche Begeisterung nachlässt, kann man es nicht einfach loswerden. Man muss regelmäßig Zeit aufbringen, um das Lebewesen zu füttern, zu pflegen, und ihm Bewegung zu verschaffen.


Schließlich haben wir eingewilligt. Es ist gut, wenn Kinder frühzeitig lernen, Verantwortung zu übernehmen. Am letzten Geburtstag unserer Tochter ist Nok gemeinsam mit Nak411 in eine Zoohandlung gegangen. Sie hat sich ein Jungtier ausgesucht, ein Exemplar mit schlanken Beinen und hellbraunem Haar. Da diese Spezies bevorzugt in Sozialverbänden lebt, sollte man grundsätzlich zwei Exemplare anschaffen. Aber unsere Wohnverhältnisse sind beengt, und weil Peterle sich im Gruppenkäfig auffällig zurückgezogen und gegenüber Artgenossen aggressiv verhielt, meinte der Zoohändler, in diesem Fall sei es in Ordnung, das Tier einzeln zu verkaufen.


Peterle war nur für kurze Zeit eine Attraktion. Der Exot machte keine Kunststücke und war auch nicht gelehrig. Meistens saß er in einer Ecke und beobachtete alles, was in seiner Nähe passierte, mit einem durchdringenden Blick. Mit den geschickten Vorderpfoten untersuchte und zerteilte er seine Nahrung. Er fraß nicht alles, was wir in den Futternapf legten, aber wenn wir die Brocken zuvor in kochendes Wasser warfen, akzeptierte er die Mahlzeiten meistens.


Nak411 kümmerte sich bald kaum noch um Peterle. Wir hatten den Verdacht, dass sie das Tier nicht nur vernachlässigte, sondern auch quälte, wenn sie schlecht gelaunt war. Nok entdeckte Bisswunden an Peterles Körper. Aber Nak411 stritt ab, dass sie ihre Schneidezähne in seine weiche Haut geschlagen hatte.


Nok fand ihre Überreste in der Mülltonne. Das Gebiss war zertrümmert und die Krallen herausgerissen. Anschließend hatte er ihren Schwanz verknotet und das Fell über den Kopf gezogen. Peterle saß ruhig in seiner Ecke.


Wir haben ihn einschläfern lassen. Nok hätte ihm vor Wut am liebsten bei lebendigem Leib ein Loch in die Leber gefressen. Aber dann hat er sich auf die Errungenschaften unserer Zivilisation besonnen und den Exoten zu einem Veterinär gebracht, der ihm die tödliche Spritze verpasste. Der Tierarzt erwähnte bei dieser Gelegenheit, dass Peterle ein Weibchen war.


Unseren 410 älteren Kindern geht es gut, und auch die jüngeren Geschwister von Nak411 sind gesund. Wir haben ihren tragischen Tod verkraftet, aber eins ist sicher: Ein Mensch kommt mir nicht mehr ins Haus!


Sie importieren immer mehr Exoten von diesem Planeten. Nak916 wünscht sich eine Katze.

13 Comments:

Blogger Sprachspielerin said...

Ziemlich verstörend! Ziemlich gut.

26.1.08  
Blogger Frau H. said...

Darf ich Ihnen im Rahmen dieser ganz wunderbaren Geschichte ein Buch emphälen??? Sie (die Geschichte) erinnert mich so...

26.1.08  
Blogger mq said...

/Sprachspielerin: Ziemlich danke.

/Frau H.: Die Inhaltsangabe, in der Wert auf die Erwähnung gelegt wird, dass es sich bei der Protagonistin um "eine junge Frau mit Brille und enormen Brüsten" handelt, wirkt ein wenig abschreckend.

27.1.08  
Blogger mkh said...

Für Sonntag Morgen ganz schön quintesk.

Agiles understatement zwischen den Zeilen mit ausgeprägtem Evokationspotenial!

Steckt in der stellenweisen Anhäufung des Begriffs "regelmäßig" ein verstecktes Reglement?

27.1.08  
Anonymous Anonym said...

Ich finde Brillen überhaupt nicht abschreckend.

27.1.08  
Blogger mq said...

/Mkh: Merci für den editorischen Hinweis, die Meta-Regelmäßigkeit ist korrigiert.

/Opa: Ich auch nicht. Aber Kritiken, in denen ohne Bezug erwähnt wird, dass irgendjemand eine Brille oder enorme Brüste trägt, irritieren mich. Es sei denn, es würde sich um einen Porno handeln.

27.1.08  
Blogger Frau H. said...

Na ja, das mit der Brille und den Brüsten hat schon so seine Bewandtnis...aber ich kann dazu nix sagen, weil ich damit den Plot zerstören würde. Porno ist übrigens (aus menschlicher Sicht betrachtet) erst 'mal gar nicht so verkehrt, kehrt sich dann aber doch um...in eine ganz andere Richtung...ach, ich kann nix sagen...nur dass es einen gewissen Bezug zu Naks hat... ;)

27.1.08  
Blogger nora said...

die Bakery in Kovalam gibt es übrigens immer noch. und die Sehnsucht auch.

27.1.08  
Anonymous Anonym said...

ENORME Brüste dagegen machen mir Angst, das ist etwas anderes als wallende Busen. Das sage ich jetzt völlig ohne Bezug.

Morgen muß ich mir das alles erst noch einmal durchlesen, Frau h. hat mich völlig durcheinander gebracht und meinen gesamten Plot zerstört.

27.1.08  
Anonymous Anonym said...

Mensch, die vermehren sich ja rasant, jetzt sind es schon 855 .

27.1.08  
Blogger mq said...

/Frau H.: "Porno (...) aus menschlicher Sicht betrachtet (...)" Überzeugt. Bevor es hier noch richtig wüst wird, besorge ich das Buch.

/Nora: Guten Appetit.

/Opa: Meine Güte! Du hast recht - sie haben sich schon wieder vermehrt!

27.1.08  
Blogger mkh said...

Schon wieder vermehrt? Bald 1000?!? Das wird ja anstrengend mitzuzählen! Könnten die nicht in 10er oder 100er Naks rechnen? Kilonaks wär auch okay.

28.1.08  
Blogger Frau H. said...

Herr Opa: Nu jeben SE mahl nich' mir die Schuld für Ihre... ähem...

Und lieber Sir: DAT freut mich wirklich! Erwarten Sie sich nicht zuviel, aber ein wenig überraschende Kurzweil sollte drinnesein (üsch fürchte Ihren interlekten Anspruch..nicht dass Sie dann enttäuscht sind...berichten Sie bitte, falls...)

28.1.08  

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