Ein Anruf von Escher
Er wollte eigentlich nur herausfinden, was passierte, wenn er die eigene Nummer wählte. Aber noch bevor Escher mit seinem Zeigefinger die Wählscheibe berühren konnte, klingelte das Telefon. Das versetzte ihm einen gewaltigen Schrecken, denn er wurde noch nie angerufen. Sein Name stand nicht im Telefonbuch, und er selbst war der einzige, der die Nummer kannte. Das Telefon wurde ausschließlich dazu genutzt, um sich im Amt krank zu melden. Seit er dort arbeitete, also in den vergangenen siebzehn Jahren, war das nur einmal vorgekommen. Damals litt er unter einer verschleppten Lungenentzündung.
Der Anruf konnte nicht vom Amt kommen. Es war Sonntag.
Escher stand ratlos in dem kleinen Flur neben der Gardeobe mit dem Popeline-Mantel, vor sich das hellgrüne Telefon. Er ließ den Apparat sieben Mal klingeln, bevor er den Hörer zaghaft von der Gabel nahm und langsam an sein Ohr führte. Mit einer Stimme, die ihm fremd vorkam, meldete er sich.
- Escher. Guten Tag.
- Escher. Guten Tag.
- Hier spricht Escher. Mit wem spreche ich?
- Hier spricht auch Escher. Sie sprechen mit Escher.
- Haben Sie sich verwählt?
- Ich wählte die Nummer von Herrn Escher.
- Woher haben Sie meine Nummer?
- Ihre Nummer? Dies ist meine Nummer.
- Welche Nummer haben Sie denn gewählt? Vielleicht handelt es sich um ein Versehen.
Der Mann nannte die Nummer und es war tatsächlich Eschers Nummer.
- Sind Sie sich sicher, dass Ihnen beim Wählen kein Fehler unterlaufen ist?
- Vielleicht haben wir dieselbe Nummer?
- Welchen Sinn sollte das ergeben? Jede Nummer wird nur einmal vergeben.
- Wäre es nicht möglich, dass der Telefongesellschaft ein Fehler bei der Vergabe der Nummern unterlaufen ist?
- Das wäre eine mögliche Erklärung. Aber warum haben Sie Ihre eigene Nummer gewählt?
- Ich wollte eigentlich nur herausfinden, was passiert, wenn ich meine eigene Nummer wähle.
- Seltsam. Ich war gerade im Begriff, dasselbe zu tun.
- Ich schlage vor, wir legen jetzt beide den Hörer auf, und dann wählen Sie Ihre Nummer.
- In Ordnung,
sagte Escher und legte auf. Er wartete einen Moment und wählte dann seine eigene Nummer. Nach sieben Freizeichen wurde am anderen Ende der Leitung abgenommen.
- Escher. Guten Tag.
- Ich hatte mit Ihnen gerechnet. Danke für den Rückruf.
- Spreche ich mit Escher?
- Ja.
- Welche Farbe hat Ihr Telefon?
- Es ist hellgrün.
- So ein Zufall! Genau wie meins. Wo arbeiten Sie?
- Im Amt.
- Dort arbeite ich auch. Merkwürdig, dass wir uns noch nie begegnet sind, wo wir doch den gleichen Namen tragen.
- Es arbeiten viele Menschen dort. Wir könnten aber gleich morgen Ausschau nach einander halten.
- Das ist eine ausgezeichnete Idee. Woran erkenne ich Sie?
- Ich trage einen Popeline-Mantel.
- Genau wie ich. Dann erkennen wir uns also gegenseitig an unseren Popeline-Mänteln.
- Wunderbar. Wir müssen unsere nette Unterhaltung an dieser Stelle leider beenden, da ich noch etwas zu erledigen habe.
- Das trifft sich gut. Ich habe auch noch etwas zu erledigen. Auf Wiederhören, Herr Escher.
- Auf Wiederhören, Herr Escher.
Auch wenn es nur eine telefonische Begegnung war, es war eine interessante Begegnung. Escher beschloss, sich in Zukunft öfter zurückzurufen.
Der Anruf konnte nicht vom Amt kommen. Es war Sonntag.
Escher stand ratlos in dem kleinen Flur neben der Gardeobe mit dem Popeline-Mantel, vor sich das hellgrüne Telefon. Er ließ den Apparat sieben Mal klingeln, bevor er den Hörer zaghaft von der Gabel nahm und langsam an sein Ohr führte. Mit einer Stimme, die ihm fremd vorkam, meldete er sich.
- Escher. Guten Tag.
- Escher. Guten Tag.
- Hier spricht Escher. Mit wem spreche ich?
- Hier spricht auch Escher. Sie sprechen mit Escher.
- Haben Sie sich verwählt?
- Ich wählte die Nummer von Herrn Escher.
- Woher haben Sie meine Nummer?
- Ihre Nummer? Dies ist meine Nummer.
- Welche Nummer haben Sie denn gewählt? Vielleicht handelt es sich um ein Versehen.
Der Mann nannte die Nummer und es war tatsächlich Eschers Nummer.
- Sind Sie sich sicher, dass Ihnen beim Wählen kein Fehler unterlaufen ist?
- Vielleicht haben wir dieselbe Nummer?
- Welchen Sinn sollte das ergeben? Jede Nummer wird nur einmal vergeben.
- Wäre es nicht möglich, dass der Telefongesellschaft ein Fehler bei der Vergabe der Nummern unterlaufen ist?
- Das wäre eine mögliche Erklärung. Aber warum haben Sie Ihre eigene Nummer gewählt?
- Ich wollte eigentlich nur herausfinden, was passiert, wenn ich meine eigene Nummer wähle.
- Seltsam. Ich war gerade im Begriff, dasselbe zu tun.
- Ich schlage vor, wir legen jetzt beide den Hörer auf, und dann wählen Sie Ihre Nummer.
- In Ordnung,
sagte Escher und legte auf. Er wartete einen Moment und wählte dann seine eigene Nummer. Nach sieben Freizeichen wurde am anderen Ende der Leitung abgenommen.
- Escher. Guten Tag.
- Ich hatte mit Ihnen gerechnet. Danke für den Rückruf.
- Spreche ich mit Escher?
- Ja.
- Welche Farbe hat Ihr Telefon?
- Es ist hellgrün.
- So ein Zufall! Genau wie meins. Wo arbeiten Sie?
- Im Amt.
- Dort arbeite ich auch. Merkwürdig, dass wir uns noch nie begegnet sind, wo wir doch den gleichen Namen tragen.
- Es arbeiten viele Menschen dort. Wir könnten aber gleich morgen Ausschau nach einander halten.
- Das ist eine ausgezeichnete Idee. Woran erkenne ich Sie?
- Ich trage einen Popeline-Mantel.
- Genau wie ich. Dann erkennen wir uns also gegenseitig an unseren Popeline-Mänteln.
- Wunderbar. Wir müssen unsere nette Unterhaltung an dieser Stelle leider beenden, da ich noch etwas zu erledigen habe.
- Das trifft sich gut. Ich habe auch noch etwas zu erledigen. Auf Wiederhören, Herr Escher.
- Auf Wiederhören, Herr Escher.
Auch wenn es nur eine telefonische Begegnung war, es war eine interessante Begegnung. Escher beschloss, sich in Zukunft öfter zurückzurufen.
Labels: Escher
16 Comments:
Und so hält das Leben jeden Tag aufs Neue eine Überraschung parat. E. wird morgen bestimmt so beschwingt wie schon lange nicht mehr zum Dienst gehen...
Das mache ich auch. Ich rufe mich jeden Tag an um nachzufragen wie es mir geht. Verrückt!
@Steini: Bestimmt - bei der Riesenchance, sich selbst im Büro zu begegnen. Das wird mir bestimmt nie passieren.
@Martha: Genau, man freut sich über den täglichen Anruf und spricht doch jedes Mal mit jemand anderem.
Ja, das Schöne an multiplen Persönlichkeiten ist, dass sie nie einsam sind, ne!?
Hallo ... wer da? .... ..... Hallo? ....... knrcks.
@Nomak: Genau !
@Nomak: Stimmt, Nomak !
@Nomak: Mensch - du hast recht !
@Nomak: Das trifft es genau !
@Nomak: So isses.
@Andie: Automatische Wahlwiederholung aktivieren. Irgendwann wird es schon klappen.
Deine Ideen und Gedanken begeistern mich und diese Dopplung werde ich vermutlich noch ein bisschen mit mir herumschleppen....:-)....Freude!
So etwas Ähnliches ist mir sogar mal passiert. Ich war angetrunken und beschloss an einem Winterabend, mich spaßeshalber selbst anzurufen.
Da ich Wein getrunken hatte, gruselte es mich bei dem Gedanken, was wäre, wenn nun jemand ranginge. Noch während ich eine leichte Gänsehaut bekam, hörte ich ein "Hallo?" im Telefon - es war mitten in der Nacht und ich legte leicht zitternd auf und erklärte mich für wahnsinnig.
Am nächsten Tag erst fand ich heraus: Ich hatte die falsche Nummer gewählt.
@Schafswelt: Man müsste sich zu Recht der Lüge bezichtigen lassen, wenn man behaupten würde, eine solch positive Kritik liefe nicht die Kehle hinunter wie ein herrlich kühler Schluck des jeweiligen Lieblingsgetränks an einem komentenhaft heißen Sommertag. Merci für die Blumen.
@Madame M: Ich wäre mir trotz der späten Stunde und der belebenden Flüssigkeitsaufnahme nicht vollständig sicher, ob es die falsche Numer war. Vielleicht hattest du dich gar nicht von zuhause aus angerufen.
Wozu brauchen Escher & Escher dafür ein Telefon? Bei stillen Spazierängen führe ich meistens die allerbesten Gespräche mit mir!
Vergiß trotzdem nicht, das Haarspray abzuholen.
Bist du wirklich schon so alt?
@Mkh: Du bist dir offenbar schon öfter begegnet. Für Escher war es vermutlich eine Art Initialbegegnung mit sich selbst. In diesem Fall ist die Kaltakquise via Telefon nicht die schlechteste Methode.
@Opa: Danke für die Erinnerung an das Haarspray! Die Altersangabe entspricht der Sachlage. Weshalb die Frage - muffelt es auf der Site etwa schon komisch?
Nein, nein, obwohl mir bei einigen Beiträgern tatsächlich die Muffe saust.
Egal, für Muffeln bin ich zuständig, nur damit das klar ist ;-)
Nicht nur das fotografische Identitätsmerkmal entbehrt nicht eines gewissen jugendlichen Charms, deshalb die Frage. :-)
Das Kompliment wird mit Dank und Bescheidenheit zur Kenntnis genommen. Aber nicht dafür erhälst du einen alphabetischen Ehrenplatz in der Rubrik TIPPTOPP, sondern für die interessanten Ereignisse im Club der halbtoten Dichter.
... möchte mich kurz zu den Inspiratoren dieses schönen kleinen Schriftstücks äußern - das ist doch von irgendwem inspiriert, nicht wahr? Der Name Escher erinnert mich an ... an ...na, jedenfalls hab ich den schon mal gehört.
Es gibt da außerdem von Stanislaw Lem diese Geschichte, wo sich der Raumfahrer sogar selbst begegnet. Und weil er ein wenig uneinsichtig ist, fängt er auch eine Prügelei an: STERNTAGBÜCHER, in jedem gut sortierten Buchladen. Dort: Die siebte Reise.
ABER! Lesen ist ja schon eine gute Idee, aber! Das ganze wurde auf wunderbare Weise No-Budget verfilmt, und man kann sich das hier ansehen: http://www.bildwerke-berlin.de
Sehr charmant und sehr zu empfehlen. Herr Escher atmet erleichtert auf und erkennt, was ihm bisher erspart geblieben ist.
Ein Herr Escher war vielleicht sogar der erste MC. Die Geschichten von Ion Tichy sind allesamt wunderbar - merci für den Filmtipp! (Starke Umsetzung, nur das Erkan-und-Alda-Deutsch stresst.)
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