Western von vorgestern und das Messweingeheimnis
Meiner Erstkommunion im erzkatholischen Unterfranken folgte eine unmittelbare Rekrutierung zum Messdiener. Wenn man nicht zufällig mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen ausgestattet war, gab es kaum Argumente gegen diesen traditionellen Karriereschritt. Zur Verteidigung der katholischen Kirche betone ich ausdrücklich, dass keine direkte Gewalt bei der Rekrutierung angewendet wurde. Der Beitritt zur Schar der Messdiener entsprach den kulturellen Gepflogenheiten jener ländlichen Gegend und kann unter ethnologischen Gesichtspunkten als eine Art Initiationsritus verstanden werden.
Da der wöchentliche Kirchgang sowieso auf dem Programm der Pflichtroutinen stand, war es außerdem egal, auf welcher Seite des Altars man kniete und einen fast aussichtslosen Kampf gegen den Sekundenschlaf führte. Hinter dem Altar war die christliche Situation kurzweiliger, weil man während der Zeremonie wenigstens ein paar kultische Handlungen zu verrichten hatte. Dazwischen konnte man die apathischen Gesichter der Gemeinde studieren, was gelegentlich zu schwer kontrollierbaren Lachkrämpfen führte. Dafür setzte es anschließend in der Sakristei Kopfnüsse vom Pfarrer.
Wenn man eine Affinität zu absurden Gerüchen besaß, gehörte das Schwenken des Weihrauchfasses während Hochämtern zu den bevorzugten kultischen Handlungen. Manche Messdiener vertrugen den Geruch nicht, und sobald man einen solchen zum Nachbarn hatte, wurde das Weihrauchfass mit diabolischer Effizienz geschwenkt, bis der Kollege aus dem Nebel des Grauens in Richtung Sakristei torkelte. Nach dem Gottesdienst bekam der Weihrauchschwenker Kopfnüsse vom Pfarrer. Die Welt war weitgehend in Ordnung.
Neben den Verpflichtungen brachte die Tätigkeit auch Annehmlichkeiten mit sich. Nach Hochzeiten und Beerdigungen gab es einen Obolus von der Verwandtschaft der Betroffenen. Einem erfahrenen Messdiener waren Beerdigungen lieber, weil die Menschen im Angesicht der Vergänglichkeit großzügiger sind. Wenn ein Kind den Berufswunsch äußert, Schauspieler werden zu wollen, sollte man die rechtzeitige Rekrutierung zum Messdiener in Erwägung ziehen. Das ist eine ideale Maßnahme zur Vorbereitung auf das Minenspiel, zumindest was den ernsten Teil innerhalb der Bandbreite geheuchelter Gesichtsausdrücke betrifft.
Zu Weihnachten bekam man vom Pfarrer jedes Jahr den Ministranten-Taschenkalender für das kommende Jahr überreicht. Im Rückblick finde ich es erstaunlich, für wieviele Randzielgruppen damals Taschenkalender produziert wurden.
Der wesentliche Vorteil des Messdienerdaseins bestand in der Freizeitgestaltung. Während der Sommerferien fuhr man ins Zeltlager, wo man das Rauchen lernte und beim heimlichen Licht einer Taschenlampe über Abbildungen in Pornoheften staunte. Auf diese Weise hat der Katholizismus einen wichtigen Teil zu meiner sexuellen Aufklärung beigetragen. Auch um die Prägung meiner Vorliebe für die SG Eintracht Frankfurt hat sich die katholische Kirche verdient gemacht. Der Pfarrer war ein leidenschaftlicher Fußballfan und während eines Messdienerausflugs erlebte ich zum ersten Mal ein Bundesligaspiel im Frankfurter Waldstadion. SGE-Gladbach (4:2). Vom Spiel haben wir kaum etwas mitbekommen, weil wir in der hintersten Reihe standen und zu klein waren. Aber die Stimmung war prächtig.
Eigentlich spielte das Fernsehen im Alltag meiner Kindheit keine große Rolle, da ich die meiste Zeit im Wald oder am Fluss verbrachte. Aber es gab zwei Sendungen, die ich ungern versäumte. Jeden Freitagabend wurde Western von gestern, und im Anschluss daran Zorro ausgestrahlt - alte Schwarzweiss-Streifen, die mir eine exakte Vorstellung vom Leben der Revolverhelden vermittelten. Es ergab sich, dass ich vom Pfarrer für den Freitagsgottesdienst eingeteilt wurde, der sich zeitlich genau mit meinen Studien des Wilden Westens überschnitt. Wie sollte ich an die wertvollen Informationen gelangen, die für mein späteres Leben als Revolverheld von entscheidender Bedeutung sein würden?
Der Freitagsgottesdienst wurde von einem Ordensbruder gehalten. Ich konnte es nie beweisen, aber für mich lag die Vermutung nahe, dass der Pfarrer sich vertreten ließ, weil er selbst gerne Western von gestern guckte. Der Ordensbruder war ein freundlicher, alter Mann. Bereits am ersten Freitag im neuen Dienstplan fiel dem anderen Messdiener und mir auf, dass der Mönch abstinent war. Er nippte nur kurz am Rotwein, den wir während der Eucharistie in den Kelch gossen. Der Pfarrer trank stets den gesamten Wein in einem Zug aus. Kaum hatten wir nach dem Gottesdienst unsere Messdienergewänder in der Sakristei abgelegt, rannten wir zurück in den Kirchenraum. Es gehörte zu den kultischen Handlungen innerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs, das Eucharistiegeschirr aufzuräumen. Zuvor wurden in einer kultischen Handlung die Messweinreste christlich geteilt und leergesoffen. Die Trinkfestigkeit eines Elfjährigen besitzt in der Regel noch keine nennenswerte Ausprägung, und so trugen wir jeden Freitagabend einen angenehmen Rausch nach Hause.
Wir hatten uns versprochen, keinem davon zu erzählen, aber im Messweinsuff plauderte mein Kollege das Geheimnis aus, und plötzlich stand der Freitagsgottesdienst in Messdienerkreisen hoch im Kurs. Trotz Western von gestern und Zorro. Alle wollten tauschen, und eine schwierige Entscheidung bahnte sich an. Als die Börse Spitzenwerte erreichte, entschloss ich mich, den Freitagsgottesdienst gegen ein Flugzeugträgerquartettspiel zu tauschen.
Der katholischen Kirche ist es jedenfalls nicht gelungen, einen Alkoholiker aus mir zu machen. Revolverheld bin ich auch nicht geworden, aber aufgrund der fortgesetzten Studien besitze ich umfassende Voraussetzungen.
Vor einigen Jahren bin ich aus dem ältesten Verein der Welt ausgetreten. Von der gesparten Kirchensteuer kaufe ich jeden Monat einen Kasten Bier und verteile den Inhalt unter Bedürftigen.
Da der wöchentliche Kirchgang sowieso auf dem Programm der Pflichtroutinen stand, war es außerdem egal, auf welcher Seite des Altars man kniete und einen fast aussichtslosen Kampf gegen den Sekundenschlaf führte. Hinter dem Altar war die christliche Situation kurzweiliger, weil man während der Zeremonie wenigstens ein paar kultische Handlungen zu verrichten hatte. Dazwischen konnte man die apathischen Gesichter der Gemeinde studieren, was gelegentlich zu schwer kontrollierbaren Lachkrämpfen führte. Dafür setzte es anschließend in der Sakristei Kopfnüsse vom Pfarrer.
Wenn man eine Affinität zu absurden Gerüchen besaß, gehörte das Schwenken des Weihrauchfasses während Hochämtern zu den bevorzugten kultischen Handlungen. Manche Messdiener vertrugen den Geruch nicht, und sobald man einen solchen zum Nachbarn hatte, wurde das Weihrauchfass mit diabolischer Effizienz geschwenkt, bis der Kollege aus dem Nebel des Grauens in Richtung Sakristei torkelte. Nach dem Gottesdienst bekam der Weihrauchschwenker Kopfnüsse vom Pfarrer. Die Welt war weitgehend in Ordnung.
Neben den Verpflichtungen brachte die Tätigkeit auch Annehmlichkeiten mit sich. Nach Hochzeiten und Beerdigungen gab es einen Obolus von der Verwandtschaft der Betroffenen. Einem erfahrenen Messdiener waren Beerdigungen lieber, weil die Menschen im Angesicht der Vergänglichkeit großzügiger sind. Wenn ein Kind den Berufswunsch äußert, Schauspieler werden zu wollen, sollte man die rechtzeitige Rekrutierung zum Messdiener in Erwägung ziehen. Das ist eine ideale Maßnahme zur Vorbereitung auf das Minenspiel, zumindest was den ernsten Teil innerhalb der Bandbreite geheuchelter Gesichtsausdrücke betrifft.
Zu Weihnachten bekam man vom Pfarrer jedes Jahr den Ministranten-Taschenkalender für das kommende Jahr überreicht. Im Rückblick finde ich es erstaunlich, für wieviele Randzielgruppen damals Taschenkalender produziert wurden.
Der wesentliche Vorteil des Messdienerdaseins bestand in der Freizeitgestaltung. Während der Sommerferien fuhr man ins Zeltlager, wo man das Rauchen lernte und beim heimlichen Licht einer Taschenlampe über Abbildungen in Pornoheften staunte. Auf diese Weise hat der Katholizismus einen wichtigen Teil zu meiner sexuellen Aufklärung beigetragen. Auch um die Prägung meiner Vorliebe für die SG Eintracht Frankfurt hat sich die katholische Kirche verdient gemacht. Der Pfarrer war ein leidenschaftlicher Fußballfan und während eines Messdienerausflugs erlebte ich zum ersten Mal ein Bundesligaspiel im Frankfurter Waldstadion. SGE-Gladbach (4:2). Vom Spiel haben wir kaum etwas mitbekommen, weil wir in der hintersten Reihe standen und zu klein waren. Aber die Stimmung war prächtig.
Eigentlich spielte das Fernsehen im Alltag meiner Kindheit keine große Rolle, da ich die meiste Zeit im Wald oder am Fluss verbrachte. Aber es gab zwei Sendungen, die ich ungern versäumte. Jeden Freitagabend wurde Western von gestern, und im Anschluss daran Zorro ausgestrahlt - alte Schwarzweiss-Streifen, die mir eine exakte Vorstellung vom Leben der Revolverhelden vermittelten. Es ergab sich, dass ich vom Pfarrer für den Freitagsgottesdienst eingeteilt wurde, der sich zeitlich genau mit meinen Studien des Wilden Westens überschnitt. Wie sollte ich an die wertvollen Informationen gelangen, die für mein späteres Leben als Revolverheld von entscheidender Bedeutung sein würden?
Der Freitagsgottesdienst wurde von einem Ordensbruder gehalten. Ich konnte es nie beweisen, aber für mich lag die Vermutung nahe, dass der Pfarrer sich vertreten ließ, weil er selbst gerne Western von gestern guckte. Der Ordensbruder war ein freundlicher, alter Mann. Bereits am ersten Freitag im neuen Dienstplan fiel dem anderen Messdiener und mir auf, dass der Mönch abstinent war. Er nippte nur kurz am Rotwein, den wir während der Eucharistie in den Kelch gossen. Der Pfarrer trank stets den gesamten Wein in einem Zug aus. Kaum hatten wir nach dem Gottesdienst unsere Messdienergewänder in der Sakristei abgelegt, rannten wir zurück in den Kirchenraum. Es gehörte zu den kultischen Handlungen innerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs, das Eucharistiegeschirr aufzuräumen. Zuvor wurden in einer kultischen Handlung die Messweinreste christlich geteilt und leergesoffen. Die Trinkfestigkeit eines Elfjährigen besitzt in der Regel noch keine nennenswerte Ausprägung, und so trugen wir jeden Freitagabend einen angenehmen Rausch nach Hause.
Wir hatten uns versprochen, keinem davon zu erzählen, aber im Messweinsuff plauderte mein Kollege das Geheimnis aus, und plötzlich stand der Freitagsgottesdienst in Messdienerkreisen hoch im Kurs. Trotz Western von gestern und Zorro. Alle wollten tauschen, und eine schwierige Entscheidung bahnte sich an. Als die Börse Spitzenwerte erreichte, entschloss ich mich, den Freitagsgottesdienst gegen ein Flugzeugträgerquartettspiel zu tauschen.
Der katholischen Kirche ist es jedenfalls nicht gelungen, einen Alkoholiker aus mir zu machen. Revolverheld bin ich auch nicht geworden, aber aufgrund der fortgesetzten Studien besitze ich umfassende Voraussetzungen.
Vor einigen Jahren bin ich aus dem ältesten Verein der Welt ausgetreten. Von der gesparten Kirchensteuer kaufe ich jeden Monat einen Kasten Bier und verteile den Inhalt unter Bedürftigen.
14 Comments:
Meinem allerersten katholischen Gottesdienst überhaupt habe ich erst vor gut einem Jahr im Alter von fast 26 Jahren beigewohnt, in Dublin. Und ich habe gestaunt. Auch darüber, dass ich heute nacht begonnen habe, exakt dieses Erlebnis in Erzählstruktur zu schrauben (yet incomplete) und nun zu einem ganz ähnlichen Komplex hier Großes lesen darf. Alter, Dein Qualitätsniveau in letzter Zeit ist fast erschreckend hoch. :)
Mein erstes Bundesligaspiel war übrigens Werder Bremen - VfB Stuttgart (3:0), damals allerdings nicht mit den Messdienern (zu denen ich als Lutheraner ja auch nie hätte zählen können) sondern mit meinem jüngst verstorbenen Onkel...
@marq
ziemlich genau so war es gewesen, auch bei uns. zu den dringenden fernsehterminen gesellte sich allerdings noch der dienstag 18:20 - zeichentrick von paulchen panther über duffy duck bis tom&jerry.
in meiner messdienerkarriere waren noch andere heldentaten:
- fußball im dachgeschoss der kirche
- heimlich auf den glockenturm
- einen kollegen während der gesamten messe in einem schrank in der sakristei einsperren ...
- die schrauben der schellen für die wandlung lösen, so dass sie beim ersten klingeln davon fliegen
und: ich bin ein bedürftiger.
Herr Quint!
Western von Gestern! Zorro! Ja. In Folge. Aber lassen Sie sich gesagt sein, es gibt auch in Unterfranken protestantische Enklaven. Und so mancher Pfarrer ist ja Alkoholiker...ich kann das irgendwie verstehen, ich meine, WIE soll man auch sonst blind glauben? Und den Messdienern wiederstehen?
Ich erinnere mich an die Begeisterung für den Zeichentrickfilm "Um die Welt mit Willi Fog", der täglich um 18 Uhr auf dem "Kommerzkanal" - so hieß er tatsächlich - ausgestrahlt wurde.
Diese Begeisterung für Zeichentrickfilme konnte ich nicht erhalten, dafür aber die Abscheu für jegliche Art von Werbung...
Und das Karrieretreppchen der Kirche kann ich trotz fehlender Kirchenerfahrung gut nachvollziehen - schließlich ist Kommunismus auch eine Religion...nur mit einer etwas anderen Art der Dekoration. :)
Western von gestern habe ich ebenso geliebt. Der gute alte Fuzzy war eindeutig mein Lieblingsrevolverheld.
Die evangelische Kirche hat mich glücklicherweise mit Messdiensten und ähnlichem verschont, so dass ich meine Revolverheldenbildung nutzen konnte, um mich zum Killerspielspieler zu entwickeln. Hurra!
Sehr schön geschrieben, so nebenbei.
Nachdem ich eine Haufen unnützer Geschenke sowie knapp 700 Deutschmark anläßlich meiner Konfirmation abgegriffen hatte, wurd' ich nie wieder in einer Kirche gesehen. Austritt mit 30.
Ich gehöre der Prä-Westernvongestern Generation an. Schweinchen Dick, Die kleinen Strolche oder Hans Dieter Hüschs gesprochenen Dick und Doof Filme waren angesagt :-)
Schön aber, anhand dieses Beitrags ein wenig die Zeit zurückdrehen zu dürfen :)
Alle wirklich großen Männer waren Ministranten in der Jugend. Außer Ihnen habe ich spontan zwar kein Beispiel parat, mit dem ich die These unterfüttern könnte, fühle aber instinktiv, dass sie stimmt. Sie haben ja gar keine Ahung, wie freudlos hingegen so eine Jugend in protestantischen Kreisen verläuft, sonst würden Sie dem Herrgott auf Knien danken, dass er Ihnen das erspart hat. Was man am Katholizismus hat, begreift nur, wer nie katholisch sein durfte.
Ich möchte die Diskussion gerne trennen nach Themenblöcken:
- Freitag, 18:20 Kultfilme wie beschrieben (auch die Serie, wo der Dick mit den Nudeln über dem Kopf Schööön, schöööön sagt, Dick und Doof, Pat und Patachon, ...)
- Dienstag, 18:20 Zeichtrick
- Donnerstag, 17:10 Wickie
Alles gerne genommen.
Messdiener ging bei mir initial doch etwas anders. Es war kein Zwang zum Beitritt, im Gegenteil. Ich war unglaublich stolz, endlich mitmachen zu dürfen, nachdem meine Oma beim Pfarrer für mich vorgesprochen hat.
Freitags gab es bei uns keine Messe, dafür Musikschule, die sich mit dem Fernsehtermin manchmal überschnitten hat. Kultur und Religion, schlecht für den TV-Sehgenuss.
Ich bin übrigens nicht aus der katholischen Kirche ausgetreten, kaufe aber auch jeden Monat einen Kasten Bier und verteile den Inhalt unter Bedürftigen.
Das ist wohl ein inter-religiöser Wesenszug guter Menschen ;) (A-Theismus ist ja auch nur eine Religion)
Was für eine Kindheit wäre das für meine Blagen, ohne Weissen Sonntag, Messdienerschaft oder Severin-Kalender aufzuwachsen.
Und was für ein Älterwerden wäre es für mich ohne die Gewissheit, von Messdienern unter die Erde gebracht zu werden, die sich dann um die weissen Stofftücher kloppen, die es beim Kreuztragen gibt.
Genau, das war der Einstieg ins kindliche Wochenende ('Fuzzy' war eigentlich 'Festus', mein'ich)! Den krönenden Abschluss fand es Sonntags bei den Waltons, regelmäßig kulinarisch dekoriert mit diversen süßen Knack-und-Back-Quickies. Irgendwo dazwischen war noch Bonanza - little Joe sei Dank - und Klein-Frollein sabbernd vor der Mattscheibe.. Ebenso heiss geliebt und unverrückbar!
Und nun gute Nacht, John-Boy.
Gute Nacht, Elizabeth...
P.S. Danke für die Buch-Tipps.
ich habe als kind soviel fernsehverbot genossen, dass ich all die genannten, anscheinend wunderbaren und lehrreichen sendungen gar nicht kannte, bevor ich mitte der neunziger jahre eine satellitenschüssel angeschafft habe und den ganzen quark dann in den endloswiederholungen auf den billigkanälen nachgeholt habe, allerdings leider ohne wirklichen gewinn.
weihrauch fand ich toll. endlich was los in der verdammten kirche, wenn im auditorium mal wieder jemand einfach weggekippt ist. wer grinste, musste nach der messe in die sakristei, um sich vom pastor dreschen zu lassen.
gerade habe ich meine gehaltsabrechnung geprüft: 27,48€. nicht schlecht. das reicht locker für 2 kisten bier.
ich denke mal drüber nach, warum ich bisher dem verein so still den monatsbeitrag zahle.
@frech'n'nett: Ob 2 Kisten Bier oder 3 Flaschen Schampus (und nicht der von Aldi): Grumpf.
Sei's drum. Solange es für einen guten Zweck eingesetzt wird, ist das schon in Ordnung. Aber genau da bin ich mir nicht so sicher.
/Ole: Die literarische Verschraubung deiner ersten Clubsitzung beim ältesten Verein der Welt wird mit Spannung erwartet. In Dublin wurden die Derbies der irischen Glaubensliga zwar weniger häufig mit vollem Körpereinsatz bestritten, als im nördlichen Teil der Insel, aber in Sachen Missbrauch von religiösen Überzeugungen als fadenscheinige Vorwände für Gewalt war Irland lange Zeit vorbildlich. Einigen Wettbewerbern aus dem nahen und mittleren Osten ist es zwar längst gelungen, die Heimat der Sinn Féin Anhänger und anderer Spinner von ihrer globalen Spitzenposition zu verdrängen, aber einen gewissen literarischen Charme besitzt das gälische Geprügel allemal. (S. a. Robert McLiam Wilson: Eureka Street, Belfast.)
/MudShark: Die Nummer mit den abgeschraubten Schellen ist sensationell - eines solchen Geniestreichs würde ich mich auch gerne rühmen können. In musikalischer Hinsicht wäre höchstens erwähnenswert, dass wir in der rückseitig begehbaren Kirchenorgel die kleineren Orgelpfeifen vertauscht haben. John Cage hätte das vielleicht gefallen, der damalige Organist von St. Bonifatius besaß eine weniger experimentierfreudige Haltung.
Und: Als Bedürftiger genießt du freies Geleit zu meinem Kühlschrank.
/FrauH.: Gelegentlich hört man von diesen unterfränkischen Enklaven der Ketzer, auch wenn man es für ein hartnäckiges Gerücht halten mag. Aber ein Pfarrer als Alkoholiker? Das entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Da müssen härtere Drogen im Spiel sein.
/texttourist: Wer um Himmels Willen ist Willi Fog? Schon allein der Name weckt das hässliche Gefühl eines essenziellen Bildungsdefizits. Und dieser kommerzialisierte Mr. Fog waberte tatsächlich täglich um die Welt? Sobald ich mich wieder in einer Welt mit schnelleren Internetverbindungen aufhalte, werde ich via Suchmaschine Erkundigungen ueber Willi einholen.
Ich habe es nie miterleben dürfen, aber so eine Jugendweihe hatte bestimmt etwas Klerikales. Kommunismus ist Opium fürs Volk.
/Scheibster: Killerspiele sind Opium fürs Volk. (Und langsam frage ich mich, wie die Jugend bei den ganzen rezeptfreien Opiaten überhaupt noch einen klaren Verstand bewahren soll.)
/Phil: Erstkommunion und Konfirmation sind die umgekehrten Versionen des Ablasshandels. (S . a. Opium fürs Volk.) Und spirituelle Korruption pur. Zu meiner Erstkommunion bekam ich von der Patentante eine Armbanduhr geschenkt. Citizen Automatik. Die wurde mir eine Woche später im Schwimmbad geklaut. Damals dachte ich, das sei ein Wink Gottes. Heute weiß ich es besser.
/poodle: Aus Ihnen hätte auch ein großer temporärer Katholik werden können. Jetzt ist es zu spät, denn - auch wenn der Volksmund faselt, es sei nie zu spät - die Messdienererfahrung im reiferen Alter (und damit will ich Ihnen nicht zu nahe treten) wäre gewiss eine weniger intensive als in der zarten Jugend. Derweil danke ich dem Herrgott in beliebig austauschbaren Körperstellungen, dass man mich mit den Weihen einer richtigen Religion versah, und ich nicht mit einer Ersatzreligion vorlieb nehmen musste.
/Andie Kanne: Was hattest du eigentlich initial ausgefressen, dass man das Familienoberhaupt als Fürsprecher zu Rate ziehen musste? (Für Außenstehende: In Unterfranken ist die Oma das Familienoberhaupt.)
Atheismus ist übrigens keine Religion, sondern eine spezifische Ausprägung der Gleichgültigkeit gegenüber spirituellen Befindlichkeiten. Derzeit kann ich noch keine Aussage dazu treffen, ob ich bei meiner Bestattung Messdiener vermissen werde. Aber falls es die Umstände erlauben, werde ich ein Zeichen geben, wenn es soweit ist. Versprochen.
/Frollein Müller-EL.: Bonanza. Ein perfektes Konzept, für jeden was dabei. Das Weichei Little Joe war naturgemäß der Frauentyp. Mein Favorit war Hoss, weil er der Stärkste war. Allerdings hatte ich bei Bonanza als Kind den Verdacht, dass die Serie den Wilden Westen nicht so abbildete, wie er wirklich war. Der wahre Wilde Westen konnte doch nur schwarzweiss sein.
/Frech´n´Nett: Da haben wir es wieder - Fernsehverbot ist pädagogisches Gift für eine ausgewogene Erziehung! (Genau wie das Verbot von Kriegsspielzeug und Killerspielen. In diesen Zusammenhängen gibt es nur die Überlegung, wieviele Kinder daduch zu Mördern werden. Bislang hat noch keiner untersucht, wieviele Kinder durch Kriegsspielzeug und Killerspiele von realer Gewalt abgehalten werden.) Zur wirksamen Bekämpfung der medialen Verblödung sollte man andere Wege gehen, vielleicht wäre Fernsehzwang als abschreckende Maßnahme erwägenswert.
Eine gute Investition der gesparten Kirchensteuer wäre, aus meiner Sicht, die kleinen Messdiener der Kirche abzukaufen.
"Wenn du da nicht mehr hingehst kriegst du jeden Tag ein *.*", oder so...
Eine ganz große, kleine Geschichte. Vor allem mit Moral, das kann man gar nicht genug loben.
Gepriesen sei das Bier!
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