Donnerstag, März 08, 2007

Das Hotel am Ende der Nacht

Hinter mir lag eine Unendlichkeit. Für mein Reiseziel gab es keine direkte Route, und ich konnte mich nicht mehr an die Zahl der ungeplanten Zwischenlandungen erinnern. Während ich in der Schlange vor dem Einreiseschalter wartete, rieb ich mir den Schlaf aus den Augen und atmete mit einem Gähnen den Sauerstoff der neuen Welt ein.

Im Visum, das der Mann am Schalter in meinen Reisepass klebte, war zu lesen: Die Erde mag sich um die Sonne drehen, aber die Sonne dreht sich um den Planeten Ego. Das Visum war mit einem roten Stempel besiegelt. Einreisedatum und Angaben zur Gültigkeit des Aufenthaltszeitraumes waren verwischt und unleserlich. Als ich aus dem Gebäude in die Kälte trat, ahnte ich, dass es auch diesmal nur eine Zwischenlandung sein würde.

Ich stieg in ein Taxi und sagte dem Fahrer, er solle mich zum Hotel am Ende der Nacht bringen. Während er den Motor startete, erkannte ich im Rückspiegel, dass der Mann blind war. Er lächelte, als er meinen Blick im Spiegel spürte.



Das endgültige Reiseziel war die Finsternis. Fin_is. Aber bis dorthin würde es eine weitere Unendlichkeit dauern. Der gesamte Weg bestand in der Summe zweier Unendlichkeiten.

11 Comments:

Blogger Oles wirre Welt said...

Finsternis und Finis terrae liegen dicht beieinander. Und die Schönheit ist manchmal der Weg durch das Eine zum Anderen. Dunkelschön!

8.3.07  
Anonymous Anonym said...

Fin_is.

man gebe mir den stern zurück. obwohl... ob finsternis so sehr viel besser ist als finis?

8.3.07  
Anonymous Anonym said...

Ich war zur selben Zeit per Anhalter durch die Galaxis unterwegs, etwa zwei Lichtstunden und ein schwarzes Loch voraus.

Als ich aus der Ewigkeit erwachte, befand ich mich in einer Absteige mit 23 Sternen.

8.3.07  
Blogger frech'n'nett said...

sehr sehr lange her, irgendwo in südfrankreich traf ich mal auf eine zigeunersippe, die mir quartier in ihrem kreis gewährte. dort habe ich etwas sehr sehr wundervolles für immer gelernt:
ce pas nou qui sommes à la rue c'est la rue kéta nou
(es sind nicht wir, die auf der straße sind, es ist die straße, die uns gehört)

warum mir das gerade so einfällt, weiß ich nicht.

wunderbarer text. ein glas auf dich.
merci et à ta santé..

9.3.07  
Blogger Scheibster said...

Auch wenn sich zeitlebens die Sonne sonnenscheinbar um das eigene Selbst drehen mag, am Ende ist das Leben für uns alle eine Reise in die ungewisse Dunkelheit.

Und die wird uns umschließen, und sich nicht nur um uns drehen.

9.3.07  
Blogger DanielSubreal said...

Auch ein Reisebericht!?! Ist die Zentrifuge wieder in Betrieb genommen worden und das herumgeschleudert werden reizt zum kauf von Billets...?!

Gibt es Souvenirs zu erwerben in Ihrer Finsternis?

9.3.07  
Anonymous Anonym said...

Bei mir ist es immer die Summe zweier Undeutlichkeiten. Die auf dem rechten Auge und die auf dem -sie erraten es- linken! Manchmal gibt es dann einen abrupten Halt. Aber das hat alles so schön seine Richtigkeiten. Dellen im Zellenlack sind der körperliche Knoten im Taschentuch.

10.3.07  
Anonymous Anonym said...

Llamada de atención:
Sie sind am Aeropuerto de Santiago de Compostela gelandet und nun auf dem Weg nach Cabo Fisterra - und wenn Sie nochmal einschlafen, verpassen Sie am Ende (der Erde) vielleicht Ihren Übergang in die nächste Unendlichkeit..
Buen viaje!

11.3.07  
Blogger mq said...

/Ole: Wenn man der Anekdote Glauben schenkt, hat der sterbende Goethe das universale Defizit in seinen beiden letzten Worten pointiert.

/Wort-Wahl: Meinen Sie den Stern der drei Weisen aus dem Morgenland? In dieser Angelegenheit halte ich Keplers Erklärungsversuch von der Planetenkonjunktion für plausibel.

/O**: An der Absteige mit den 23 Sternchen bin ich auch vorbeigekommen. Sie haben mir zugewunken, aber ich hatte es sehr eilig auf dem Weg zur übernächsten Ewigkeit.

/Frech'n'Nett: Es ist ebenfalls sehr lange her, als mir Zigeuner in der Nähe von Belgrad eine halbe Wassermelone für umgerechnet 12DM verkauft haben. Vermutlich gehörte denen auch der verdammte Autoput, denn an der Trampstelle stand ich halb verdurstet 18 Stunden.

/Scheibster: Kuscheliges Larvenstadium im Kokon aus Dunkelheit ...

/DanielSurreal: Im Ausverkauf sind derzeit Kuckucksuhren, in denen Raben wohnen und Schneekugeln mit Stürmen aus Ruß.

/Joppi: Unter den scheinbar harmlosen Dellen können sich mit verblüffender Geschwindigkeit Roststellen bilden. Wenn man es bemerkt, befindet sich der Befall meistens schon in einem fortgeschrittenen Stadium, und die Zersetzung des Taschentuchs ist kaum noch aufzuhalten.

/Frollein Müller-EL.: Sie scheinen umfassende Kenntnisse vom Rand der Erde zu besitzen. Kap Finisterre besitzt gewiss einen besonderen Reiz. Bei dieser Gelegenheit will ich nochmal auf das Weblog eines Freundes verweisen.

Außerdem immer wieder lesbar: Herz der Finsternis (Joseph Conrad, 1899) und Reise ans Ende der Nacht (Louis-Ferdinand Céline, 1932).

11.3.07  
Blogger DanielSubreal said...

Da werden sich die Daheimgebliebenen freuen und ebenfalls schon bald bei HUI ihren Urlaub in die Finsternis buchen...

"Zur Dunkelheit, zur Zweischneidigkeit,
schön dass ihr dabei seid..."

21.3.07  
Blogger mq said...

Oder bei BUI.

22.3.07  

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