Der globalisierte Verdauungstrakt
Globalisierung geht durch den Magen. Das wirtschaftliche Phänomen der globalen Verschmelzung wird am besten anhand kulinarischer Interaktionen deutlich. Denn der Magen ist ein Schmelztiegel für gastronomische Errungenschaften aus jedem Winkel des Planeten.
Es ist keine dreißig Jahre her, als italienisches Essen in Deutschland noch zu den exotischen Angeboten der Gastronomie gehörte. In der Pizzeria wurden beim Verzehr eines mit den Inhalten von Konservenbüchsen garnierten Teigfladens Urlaubserlebnisse aus den Betonburgen von Bibione wiedergekäut, und allenfalls erfahrene Toskanareisende vom Bildungsrang eines Studienrats aufwärts hätten zu berichten gewusst, dass die Trattoria der Ort wahrer italienischer Küchentradition ist.
Als die deutsche Tourismusindustrie über den Balkan in Richtung Türkei expandierte, kam der Kebap nach Deutschland. Die Griechen hatten zwar bereits Gyros auf die Teutonenteller geschaufelt, aber die kompakte Darreichung von zerschnipselten Fleischabfällen zuzüglich gewächshausgeneriertem Vitaminalibi war neu.
Kebap avancierte neben Bier zum Grundnahrungsmittel, und auch bei der Erwähnung chinesischer, thailändischer oder indischer Restaurants unterdrückt der Durchschnittsdeutsche ein glutamatsaures Rülpsen und zuckt nur noch übersättigt mit den Schultern. Selbst der japanischen Sitte, rohen Fisch in Seetang einzuwickeln, kann man an jeder dritten Straßenecke beiwohnen. Inzwischen findet der Globalisierungsfreund zwischen jeder größeren Ansammlung von Gebäuden nicht nur Trattorias, sondern mindestens auch peruanische, lettische und kambodschanische Wirtshäuser.
Aber die kulinarische Globalisierung gedeiht ebenso rasant in umgekehrter Richtung. Auch wenn bislang in Kambodscha kein deutsches Wirtshaus gesichtet wurde, ist nicht auszuschließen, dass es ein solches bald geben wird. In Bangkok und Tokio hingegen genießt blauweiße Bratwurstgemütlichkeit bereits Tradition. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass man zwar von Kuala Lumpur bis Buenos Aires der bayuwarischen Küche begegnet, aber andere deutsche Regionen keine Repräsentanzen besitzen. Dabei wären Delikatessen wie die schwäbische Maultasche oder die Frankfurter Grüne Soße ruckizucki globalisierbar.
Was Afrika betrifft, spiegelt die gastronomische Wüstenlandschaft exakt die wirtschaftliche Bedeutung wider, die dem schwarzen Kontinent im Rahmen der Globalisierung bisher beigemessen wurde. Abgesehen von maghrebinischen Randerscheinungen mag es vereinzelt eriträische und äthiopische Gourmetoasen der zweiten Flüchtlingsgeneration geben, aber hat man schon von einem ruandischen, mosambiquanischen oder kongolesischen Restaurant gehört? Die geringe internationale Präsenz afrikanischer Gastronomie könnte aber auch damit zu tun haben, dass man in vielen Gegenden dort unten über kein üppiges Angebot an Nahrungsmitteln verfügt. Oder dass die Gesetzeslage hierzulande den Verzehr von Primaten nicht gestattet.
Es ist keine dreißig Jahre her, als italienisches Essen in Deutschland noch zu den exotischen Angeboten der Gastronomie gehörte. In der Pizzeria wurden beim Verzehr eines mit den Inhalten von Konservenbüchsen garnierten Teigfladens Urlaubserlebnisse aus den Betonburgen von Bibione wiedergekäut, und allenfalls erfahrene Toskanareisende vom Bildungsrang eines Studienrats aufwärts hätten zu berichten gewusst, dass die Trattoria der Ort wahrer italienischer Küchentradition ist.
Als die deutsche Tourismusindustrie über den Balkan in Richtung Türkei expandierte, kam der Kebap nach Deutschland. Die Griechen hatten zwar bereits Gyros auf die Teutonenteller geschaufelt, aber die kompakte Darreichung von zerschnipselten Fleischabfällen zuzüglich gewächshausgeneriertem Vitaminalibi war neu.
Kebap avancierte neben Bier zum Grundnahrungsmittel, und auch bei der Erwähnung chinesischer, thailändischer oder indischer Restaurants unterdrückt der Durchschnittsdeutsche ein glutamatsaures Rülpsen und zuckt nur noch übersättigt mit den Schultern. Selbst der japanischen Sitte, rohen Fisch in Seetang einzuwickeln, kann man an jeder dritten Straßenecke beiwohnen. Inzwischen findet der Globalisierungsfreund zwischen jeder größeren Ansammlung von Gebäuden nicht nur Trattorias, sondern mindestens auch peruanische, lettische und kambodschanische Wirtshäuser.
Aber die kulinarische Globalisierung gedeiht ebenso rasant in umgekehrter Richtung. Auch wenn bislang in Kambodscha kein deutsches Wirtshaus gesichtet wurde, ist nicht auszuschließen, dass es ein solches bald geben wird. In Bangkok und Tokio hingegen genießt blauweiße Bratwurstgemütlichkeit bereits Tradition. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass man zwar von Kuala Lumpur bis Buenos Aires der bayuwarischen Küche begegnet, aber andere deutsche Regionen keine Repräsentanzen besitzen. Dabei wären Delikatessen wie die schwäbische Maultasche oder die Frankfurter Grüne Soße ruckizucki globalisierbar.
Was Afrika betrifft, spiegelt die gastronomische Wüstenlandschaft exakt die wirtschaftliche Bedeutung wider, die dem schwarzen Kontinent im Rahmen der Globalisierung bisher beigemessen wurde. Abgesehen von maghrebinischen Randerscheinungen mag es vereinzelt eriträische und äthiopische Gourmetoasen der zweiten Flüchtlingsgeneration geben, aber hat man schon von einem ruandischen, mosambiquanischen oder kongolesischen Restaurant gehört? Die geringe internationale Präsenz afrikanischer Gastronomie könnte aber auch damit zu tun haben, dass man in vielen Gegenden dort unten über kein üppiges Angebot an Nahrungsmitteln verfügt. Oder dass die Gesetzeslage hierzulande den Verzehr von Primaten nicht gestattet.
10 Comments:
...oder wegen der gewissheit, dass z.b. ein somalisches oder äthiopisches restaurant von vornherein keine schangse am markt hätte, weil die gäste ausblieben, aus angst, für teuer geld nichts auf den teller zu bekommen?...obwohl dieses konzept doch in allen feinen lebensartgerümpelfresstempeln rund um den globus doch wunderbarst aufzugehen scheint.
warum eigentlich ist in diesem land der handel/verzehr von affen untersagt?
- pietät?
- virusgefahr?
- minderwertiges fleisch?
- oder doch eher die furcht, das volk täte nach dem verzehr eines affenhirns auch noch das denken selbstständig anfangen?
nebenbei eingeworfen:
neulich gab es im rahmen des filmkunsttages der hiesigen verbandsgemeinde diesen film anzuschauen:
we feed the world
besonders aufmerksam fand ich, dass als warm-up internationales finger-food gereicht wurde (im eintrittspreis inbegriffen natürlich)
dann noch:
als mein vater mich das erste (und einzige) tier schlachten ließ, tat er das mit den erzieherischen worten: erst wenn du es töten kannst, darfst du es auch essen. sag mal einer, man hätte mir keinen respekt vor anderem leben beigebügelt...;)
interessant aus der anderen ecke:
nahrungstabus
mensch markus, was ein thema...ich hör jetzt auf, in meinen hirnwindungen achterbahn zu fahren und lass mir mal fein das mittagessen durch den kopf gehen.
da fällt mir doch noch ein:
"ach wissen se, ick kann jar nich so ville essen, wie ich kotzen möchte"
hat max liebermann mal in einem komplett anderen zusammenhang jesacht.
Demnach wäre mein Magen ja das globalisierteste Organ meines Körpers! Hmjaaberrr..., da drängt sich mir doch gleich eine andere Vorstellung auf, nämlich die, dass unsere unterschiedlichen Körperregionen auf ganz unterschiedliche Weise globalisiert sind, nämlich so:
Während also der Magen auf die Öffnung globaler Märkte mit türkischer, italienischer, chinesischer usw. Geschmacksorientierung reagiert, hat wiederum mein Ohr ganz andere Vorstellungen und ist Afrika schon seit Paul Simon´s Graceland zugewandt respektive schon seit frühesten Blues- und Jazzzeiten. Das Zungenbein schreitet dagegen weiter konsequent durch die Märkte europäischer Sprachformen und weigert sich beharrlich, sich für chinesisch, japanisch, Hindi und Urdu zu öffnen. Während sich wiederum irgendwelche, der Hirnforschung meines Wissens noch unbekannte neurophysiologische Großhirnanteile, die für Selbsterkenntnis und Spiritualität zuständig sind, längst auf fernöstliche Märkte eingeschworen haben und immer noch nicht auf den unexotischen Anselm Grün reinfallen wollen.
Magen, Ohr, Neuronen etc. - jedes Körperdingens hat also seine ganz eigenen Globalisierungsregeln. Und wenn ich genau in mich reinhorche, dann hat glaube ich mein rechter Fuß angloamerikanische Wurzeln und mein linker fühlt sich afrikanisch, während mein Zwerchfell einen Hang zum Asiatischen hat. Sind wir alle also interkulturelle Mischwesen? Und - Mann - hätte einer von uns in den 90ern gedacht, dass die globale Öffnung der Märkte uns so derart unter die Haut gehen würde???
mkh
wortgewebe.com
sehnse, bei uns gibbet sogar afrikanische restaurants. und ich hab sogar schonmal in einem etwas gegessen was angeblich hühnchen war - war aber so scharf das ich des nicht herausgeschmeckt hab :D
aber sie ham schon wahr, deutlich unterrepräsentiert die geschichte. dafür betreiben die schwarzafrikaner in hamburg in deutlicher mehrheit die internetcafehandyprepaidkartenundsowas shops ...
Und einmal mehr fühle ich mich bestärkt "Im Herzen Afrikas" im Herzen Mainhattans einmal auszuprobieren.
Vielleicht gibt's ja auch Affenhirn auf Eis. Nicht dass ich das essen wollte. Nicht einmal, um mich wie Harrison Ford zu fühlen.
Ein schöner Text. Weltoffen, gebildet und wohl abgeschmeckt. Und er hat mich daran erinnert, dass in Münster derlei vor gut zwei Jahren auch schonmal Thema war, als der Streit um das Verschwinden deutscher Imbisskultur zu Gunsten der orientalischen Schnellrestaurants für wochenlange Leserbriefpolemik eines Einzelnen sorgte.
Globalisierung ist ok...
/Frech'n'Nett: Ich kenne ein äthiopisches Restaurant in Frankfurt (Abessinia), das ist jeden Abend bumsvoll. Und die Größe der Rationen verweist nicht mit dem moralischen Zeigefinger auf den Nahrungsmangel in der Sahelzone. Nur die Mucke nervt manchmal.
Der Verzehr von Affenhirnen trägt vermutlich nicht wesentlich zur Emanzipation des Denkens bei. Auch andere Praktiken dürften in dieser Hinsicht kaum nutzbringend gewesen sein.
Vielversprechend ist hingegen der genannte Film, und ich würde mich aufgrund der im Titel aufgebauten Erwartungshaltung eher wundern, wenn man zum feed-up nicht mit internationalen Kalorien vollgestopft würde. Endlich mal ein schlüssiges und zeitsparendes Konzept zur gastronomisch-cineastischen Verknüpfung.
Und im weitesten Sinn hatte Liebermanns Zitat auch etwas mit späteren Globalisierungsversuchen zu tun. Allerdings der übleren Sorte.
/MKH: Die Distribution globaler Klänge hat zweifellos eine längere Tradition als die Internationalisierung der Gastronomie. Das dürfte u.a. damit zu tun haben, dass sich der Funkfrequenzbereich zwischen drei und dreißig MHz bereits in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts einer zunehmenden Verbreitung erfreute. Jedenfalls zähle mich zu den Befürwortern der beschriebenen synästhetischen Globalisierung. Solange ich mich nicht einer Dauerbeschallung im Abessinia ausgesetzt sehe. Jazzzeiten ist übrigens ein wundervolles Wort.
/Stard: Wäre Globalisierung ohne Telekommunikation überhaupt möglich? Auf diese Weise tragen die Schwarzafrikaner einen wesentlichen Teil zur Globalisierung bei - zumindest in HH. In F scheint sich der Geschäftszweig der Internetcafehandyprepaidkartenundsowasshops vornehmlich in indischen und pakistanischen Händen zu befinden.
/Scheibster: Ich kann Sie beruhigen, auch Im Herzen Afrikas findet man eine gut sortierte Speisekarte ohne zerebrale Zutaten von Primaten vor.
/Ole: Köstlicher Text! Außer Döner haben die vier apokalyptischen Reiter vermutlich noch Nasi Goreng, Masala Dosa und Tapas im Reisegepäck. Und eine Pizza.
/Eon: Globalisierung ist Vergangenheit, der nächste Schritt muss Universalisierung heißen!
"Jazzzeiten ist übrigens ein wundervolles Wort."
Fand ich auch! Nicht zu überbietende Zettfolge!
Universalisierung ist auch ok...
Ich liebe die afrikanische Küche. Besonders Dodo.
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