Die Buddelschiffflotte
Obwohl es ihm an nichts fehlte, spielte Escher mit dem Gedanken an eine schöpferische Tätigkeit. Außerhalb seines beruflichen Daseins verbrachte er die meiste Zeit des geregelten Alltags im Ohrensessel. Mit jenem rasanten Gefährt bereiste er sämtliche Klimazonen in der Welt seiner entlegensten Vorstellung. Durch das Schließen der Augen drehte Escher den Zündschlüssel. Der Ohrensessel vibrierte leicht beim Starten und erreichte kurz darauf die erforderliche Betriebstemperatur. Für die Beschleunigung von Null auf jede gewünschte Reisegeschwindigkeit benötigte das Vehikel nur den Bruchteil eines Gedankens.
Nach einer entbehrungsreichen Expedition an den Rand seiner Vorstellung, hinter dem keine Himmelsrichtung mehr auszumachen war und das Nichts keine Farbe mehr besaß, verspürte Escher die Sehnsucht nach etwas Bleibendem. Während er in sein Wohnzimmer zurückkehrte, kam der Ohrensessel langsam zum Stillstand. Escher füllte die Leere im Raum mit suchenden Blicken. Er sah sich selbst mit keinerlei künstlerischer oder handwerklicher Begabung ausgestattet, und so erwiesen sich seine Überlegungen zur Schaffung eines bleibenden Wertes als mühsam.
Einer der Blicke blieb an der zur Hälfte geleerten Rotweinflasche auf dem Nierentisch hängen. Sein Mund folgte dem Blick, und nachdem die Flasche trocken war, wusste Escher, wie er seine schöpferische Kraft entfalten konnte, um etwas Bleibendes zu schaffen. Er besorgte sich mechanische Werkzeuge und viele Streichholzpackungen. Die dunkelgrüne Rotweinflasche war ein ungewöhnlicher Ort, um ein Buddelschiff zu beherbergen. Aber das Leeren einer Weißweinflasche hätte seine Konzentration geschwächt, und das grüne Licht im Inneren der Rotweinflasche förderte die schöpferische Stimmung.
Ungezählte Nächte arbeitete Escher an dem Buddelschiff. Endlich stand der stolze Viermaster mit gehissten Segeln in der Flasche. Auf dem Vorderdeck des Schiffes saß ein Seemann, der aus einem Streichholz geschnitzt war und ein Buddelschiff in seinen Händen hielt, denn Escher hatte eine winzige Flasche aus grünem Glas geschaffen und in die Hände des Seemanns gelegt. In der winzigen Flasche befand sich ein weiteres Buddelschiff. Auf dem Vorderdeck des Schiffes im Schiff saß ein weiterer Seemann.
Auf dem Weg zum Altglascontainer erinnerte sich Escher nicht mehr, wie viele Buddelschiffe in Buddelschiffen sich in der Rotweinflasche befanden. Jahrelang hatte er jedes Mal, wenn er einen Seemann mit einem Schiff im Schiff des Seemanns vollendet hatte, einen weiteren Seemann mit einem Schiff in das Schiff des Seemanns mit einem Schiff gesetzt.
Unhörbar leise klirrte es in der Plastiktüte bei jeder Bewegung. Als Escher die Flasche durch die Öffnung für grünes Glas in den Container werfen wollte, hielt er inne. Vorsichtig legte er das Buddelschiff zurück in die Tüte. Dann setzte Escher seinen Weg fort und ging zum Fluss, wo er die Rotweinflasche mit einem Korken verschloss und auf eine der sanften Wellen setzte. Während er dem Behälter seiner Hoffnung auf etwas Bleibendes hinterher sah, wurde ihm bewusst, dass es Bruchstücke seiner Lebenszeit waren, die auf der braunen Brühe in Richtung größerer Gewässer trieben.
Die Buddelschiffflotte erreichte den Horizont nie, sondern zerbrach an einem Brückenpfeiler und landete auf dem Schiffsfriedhof zwischen anderem Unrat im Flussschlamm. Escher blieben die bleibenden Werte verschlossen, aber er hatte sein Wissen über die Tiefe der Vergänglichkeit vertieft.
Nach einer entbehrungsreichen Expedition an den Rand seiner Vorstellung, hinter dem keine Himmelsrichtung mehr auszumachen war und das Nichts keine Farbe mehr besaß, verspürte Escher die Sehnsucht nach etwas Bleibendem. Während er in sein Wohnzimmer zurückkehrte, kam der Ohrensessel langsam zum Stillstand. Escher füllte die Leere im Raum mit suchenden Blicken. Er sah sich selbst mit keinerlei künstlerischer oder handwerklicher Begabung ausgestattet, und so erwiesen sich seine Überlegungen zur Schaffung eines bleibenden Wertes als mühsam.
Einer der Blicke blieb an der zur Hälfte geleerten Rotweinflasche auf dem Nierentisch hängen. Sein Mund folgte dem Blick, und nachdem die Flasche trocken war, wusste Escher, wie er seine schöpferische Kraft entfalten konnte, um etwas Bleibendes zu schaffen. Er besorgte sich mechanische Werkzeuge und viele Streichholzpackungen. Die dunkelgrüne Rotweinflasche war ein ungewöhnlicher Ort, um ein Buddelschiff zu beherbergen. Aber das Leeren einer Weißweinflasche hätte seine Konzentration geschwächt, und das grüne Licht im Inneren der Rotweinflasche förderte die schöpferische Stimmung.
Ungezählte Nächte arbeitete Escher an dem Buddelschiff. Endlich stand der stolze Viermaster mit gehissten Segeln in der Flasche. Auf dem Vorderdeck des Schiffes saß ein Seemann, der aus einem Streichholz geschnitzt war und ein Buddelschiff in seinen Händen hielt, denn Escher hatte eine winzige Flasche aus grünem Glas geschaffen und in die Hände des Seemanns gelegt. In der winzigen Flasche befand sich ein weiteres Buddelschiff. Auf dem Vorderdeck des Schiffes im Schiff saß ein weiterer Seemann.
Auf dem Weg zum Altglascontainer erinnerte sich Escher nicht mehr, wie viele Buddelschiffe in Buddelschiffen sich in der Rotweinflasche befanden. Jahrelang hatte er jedes Mal, wenn er einen Seemann mit einem Schiff im Schiff des Seemanns vollendet hatte, einen weiteren Seemann mit einem Schiff in das Schiff des Seemanns mit einem Schiff gesetzt.
Unhörbar leise klirrte es in der Plastiktüte bei jeder Bewegung. Als Escher die Flasche durch die Öffnung für grünes Glas in den Container werfen wollte, hielt er inne. Vorsichtig legte er das Buddelschiff zurück in die Tüte. Dann setzte Escher seinen Weg fort und ging zum Fluss, wo er die Rotweinflasche mit einem Korken verschloss und auf eine der sanften Wellen setzte. Während er dem Behälter seiner Hoffnung auf etwas Bleibendes hinterher sah, wurde ihm bewusst, dass es Bruchstücke seiner Lebenszeit waren, die auf der braunen Brühe in Richtung größerer Gewässer trieben.
Die Buddelschiffflotte erreichte den Horizont nie, sondern zerbrach an einem Brückenpfeiler und landete auf dem Schiffsfriedhof zwischen anderem Unrat im Flussschlamm. Escher blieben die bleibenden Werte verschlossen, aber er hatte sein Wissen über die Tiefe der Vergänglichkeit vertieft.
Labels: Escher
19 Comments:
Alle Wege führen in die Ewigkeit des Nichts.
ich brauche einen ohrensessel!
für jemanden der auf der unterseite der scheibe lebt wäre der brückenpfeiler an dem eschers buddelschiff havarierte schon weiiiiit hinter dem horizont (vielleicht sogar darunter).
nun wird eschers mannschaft havarierter buddelschiffseemänner wohl vom kommando enthoben und versetzt werden müssen. ganau so, wie es die tradition der buddelschiffseefahrt eben vorschreibt.
...während meinem letzten Ausflug auf dem roten Sofa hörte ich hier und dort, es würde nun Nächtens ein Geisterbuddelschiff an der Meeresmündung zum Sinnfluss spuken...
Die Welt von Escher befindet sich wahrscheinlich auch in einer Buddelflasche. Die hoffentlich nicht in einen Altglascontainer geworfen wird.
Interessant finde ich die Zusammenstellung der ersten 4 Kommentatoren über mir. Allesamt maritimer bzw. grenzgedanklicher Natur.
1 seebereister Opa
1 Schlammfisch
1 surreale Gedankenschale
1 Papa-Geien-Taucher
Entschuldigung für´s aus der Reihe tanzen.
In der betäubenden Erkenntnis, dass auch ich einst im fauligen Schlamm mich zur Ruhe legen muß, werde ich mich heute Nacht auch der grünen Flasche zuwenden. In einem bösen einsamen Fest der Traurigkeit werde ich das rote Gift, Schluck für Schluck, in mich hineinträufeln. Dann, wenn ich bis zum Überdruß damit angefüllt bin, werde ich vom Hinterhoffenster aus dem 3. Stock versuchen, die Scheiß-Flasche gezielt in den Altglascontainer zu jagen. Der Hass der Nachbarschaft wird dann sicherlich meinen Tod überdauern. Wenn nicht etwas Bleibendes, dann doch eine gewisse Verlängerung meines Daseins. Denn erst wenn der Hass verblasst werde ich ins Nichts treiben, lautlos, leicht, eine Ahnung von etwas Rotem dort, wo einst mein Magen war und dann nur noch ein metaphysischer Mariannengraben klafft, in dem sich skurille Laternenfische tummmeln.
Adieu
heirate mich
attentie!
correction!
Hätte Escher sich nur für den Weißwein entschieden. Das grüne Licht kann keinen guten Einfluss auf die Seemänner gehabt haben …
...aber er hatte sein Wissen über die Tiefe der Vergänglichkeit vertieft...
SCHÖN!
...und dann das: "ihieewix"
Alles wieder zerstört. Da hilft nicht mehr der Rollstuhl...
/Neopa: ... und alles Nichts führt zum Weg in die Ewigkeit.
/Mudshark: Gibt es ein Leben auf der Unterseite der Scheibe? (Und das Verfahren der Versetzung nach Havarie ist dringend einzuhalten.)
/DanielSurreal: Auf Eschers Buddelschiffen grassierte der schwarze Tod. Aus Rücksicht auf zartere Gemüter hatte ich über dieses Detail geschwiegen, nach Ihrem Kommentar lässt sich nichts mehr verheimlichen.
/Lundi: Jede Welt lässt sich einschmelzen. Oder etwa nicht?
/Eon: Ich habe die Tanzschule auch geschwänzt. Aber im grenzgedanklichen Kürtanz landest du nicht auf einem der hinteren Plätze.
/Joppi: Viel Erfolg bei der Erkundung grüner Flaschenmeere und beim Harpunieren der Laternenfische. Hass ist nur eine begrenzte Option zur Überlistung der Vergänglichkeit.
/Dropdiary: Wenn Sie kein Automat wären, würden acht Stunden Schlaf ihr Pathos regulieren.
/Rabe: In seiner Not begnügte er sich mit der naheliegendsten Lösung.
/Frau H: Form vom Inhalt trennen.
Das hat Escher schon richtig gemacht. Denn je länger er in den Abgrund gestarrt hätte, umso mehr hätte der Abgrund auch in ihn gestarrt. Fand Nietzsche.
Jedes Fragen ist ein Suchen. Fand Heidegger. Jedes Suchen verhindert das Finden. Finde ich.
da oben steht ein heiratsantrag. ein bizarres gewaltverbrechen hat sich ereignet!
mudshark hat die botschaft entschlüsselt.
seht gut*
...vor aller Augen!!!
Danke, auch ich sehe gut. (Einer der wenigen Sinne, die bei mir noch halbwegs ohne Reibungsverlust funktionieren.) Denkt euch ruhig noch ein paar bizarre Gewaltverbrechen aus.
Bis zu welchem Maß geschnitzter Seemänner wohl der Letzte der letzten geschnitzten Seemänner noch den Schimmer einer Ahnung hat?!? Und erahnt irgendeiner gar Escher, den großen Kreator unendlicher Mikro- und Nanokosmen???
Kreator oder Kreatur, Henne oder Ei. Die Dinge schnitzen uns.
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