Er leuchtet
Nachdem ein Sanftmütiger den längsten Teil seiner Zeit damit zugebracht hatte, die Ziele der Anderen zu erreichen, und ihm die Erfüllung eines zufriedenen Lebens wie eine unvollkommene Leere vorkam, verabschiedete er sich von den Menschen, die ihn bis an diesen Punkt begleitet hatten. Er packte seine nötigsten Fähigkeiten in eine abgenutzte Tasche und trat eine Reise in den Mittelpunkt der Einsamkeit an. Dabei durchquerte er sämtliche Klimazonen. Er überwand luftarme Höhen und vereiste Täler, Meere aus Lava und tropische Wälder, in denen bewusstseinsfressende Pflanzen wucherten, die ihn überlisten und verdauen wollten. Aber er hatte sich mit einem Umhang aus imprägnierter Gelassenheit gewappnet, darunter entzog er sich allen Witterungen der sinnlichen Versuchung.
Am Rand der Resignation erklomm er den Gipfel eines namenlosen Berges. Dort oben war kein Geräusch mehr zu vernehmen. Kein Wind, kein Vogelschrei, kein Flügelschlag eines Insekts. Keine Grashalme, die den Boden durchbrachen. Irgendwann verstummten auch die Botschaften, die ihm sein Herzschlag zugeflüstert hatte.
Als er den Zustand der vollkommenen Willenlosigkeit erreicht hatte, verstand er, dass sein Dasein nur eine leere Hülle war, die aus dem Nichts bestand und alle Scheinbarkeiten umgab. Innerhalb dieser durchlässigen Hülle hatte sich jeder Sinn in einer vorherbestimmten Bedeutungslosigkeit aufgelöst.
Bewegungslos saß er bis zur Dämmerung auf dem Gipfel der Verlassenheit. Dann trat er den Rückweg an. Zuvor füllte er seine Reisetasche mit einem Stück von der Dämmerung, das er den Vergessenen als Souvenir mitbringen wollte.
Beim Wiedersehen öffnete er seine Tasche und stellte fest, dass es keine Morgendämmerung war, die er eingepackt hatte. Es war die Abenddämmerung, die bald in eine endlose Nacht überging, in der jede Erleuchtung erlosch.
Am Rand der Resignation erklomm er den Gipfel eines namenlosen Berges. Dort oben war kein Geräusch mehr zu vernehmen. Kein Wind, kein Vogelschrei, kein Flügelschlag eines Insekts. Keine Grashalme, die den Boden durchbrachen. Irgendwann verstummten auch die Botschaften, die ihm sein Herzschlag zugeflüstert hatte.
Als er den Zustand der vollkommenen Willenlosigkeit erreicht hatte, verstand er, dass sein Dasein nur eine leere Hülle war, die aus dem Nichts bestand und alle Scheinbarkeiten umgab. Innerhalb dieser durchlässigen Hülle hatte sich jeder Sinn in einer vorherbestimmten Bedeutungslosigkeit aufgelöst.
Bewegungslos saß er bis zur Dämmerung auf dem Gipfel der Verlassenheit. Dann trat er den Rückweg an. Zuvor füllte er seine Reisetasche mit einem Stück von der Dämmerung, das er den Vergessenen als Souvenir mitbringen wollte.
Beim Wiedersehen öffnete er seine Tasche und stellte fest, dass es keine Morgendämmerung war, die er eingepackt hatte. Es war die Abenddämmerung, die bald in eine endlose Nacht überging, in der jede Erleuchtung erlosch.
26 Comments:
Der berg hatte einen Namen: Sils-Maria
II
Es war kein Schnee, doch Leuchten,
das hoch herab geschah,
es war kein Tod, doch deuchten
sich alle todesnah -
es war so weiß, kein Bitten
durchdrang mehr das Opal,
ein ungeheures: Gelitten
stand über diesem Tal.
Wundervolle Gegend, das Engadin. Im Gegensatz zu Benn habe ich beim Verfassen des Textes nicht ans Fritzchen gedacht, aber der Benn passt trotzdem gut hierher.
So ist das immer mit der Erleuchtung und der Formel für den Weltfrieden.
Kaum hat man die Lösung, oder zumindest ihren Ansatz....was wollte ich eigentlich tippen?
ganz großer text. wunderbar!
Quasi Zustand der Zustandslosigkeit, weiter Weg bis dahin, Denken und Fühlen neutralisieren, dem Kreislauf des Lebens entkommen - und trotzdem irgendwie weiter am Leben teilhaben ..? Unmöglich, glaube ich, hat aber was und regt mal wieder zum Grübeln an..
Es sind Blogs wie dieses und Texte wie dieser, die mich immer wieder daran erinnern, daß ich mir ein Leben ohne Internet nimmer vorstellen kann.
Danke.
Die bewusstseinsfressenden Pflanzen haben dann wohl doch ganze Arbeit geleistet; die finden offensichtlich immer ihren Weg durch jene Umhänge.
anonym war ich, sorry
/TTR: Die Lösung besteht in der Auflösung.
/c17h19no3: Merci für die Blumen :)
/Frollein Müller-El.: Zustandslosigkeit - dieser Begriff aus der Informatik passt sehr gut zur Neutralisierung des Lebenskreislaufs ... man müsste nur noch das Bewusstsein in Binärcode transferieren.
/dieJulia: Ich habe zu danken :)
/Chris: Die lassen sich auch nicht von Unkrautvernichtungsmitteln beeindrucken.
Hätte er doch besser die Götterdämmerung eingepackt.
Unser Leben besteht zu einem wichtigen Teil aus der Reaktion auf Reize. Bleiben die aus, verkümmern wir wie ein Muskel, der nicht mehr beansprucht wird. Wunderschöner Text, will man noch lange drüber nachdenken...
@mhk
Ja, gern; bissken Informationsschwund wird zwar dabei sein .. aber dann sofort ab in die Schubslade und Seele schlafen legen.
@Steini
Man muss fehlenden Reizen durch AKtion entgegentreten, sobald einem eine defizitäre Situation bewusst ist (gemacht wird). Sonst geht's tatsächlich bergab, salopp gesagt. Betrifft die seelisch/emotionale als auch die körperliche Seite.
Das sticht ins Herz! Vielleicht mal wieder rein ins Gewusel...
Es gibt ja so einige Philosophien, die das Begehren als Wurzel allen Übels ausgemacht haben. Dem kann ich schon zustimmen. Aber ohne Begehren, Leidenschaft zu leben... das Dasein wäre für mich wirklich nur eine leere Hülle. Jedenfalls theoretisch und so.
/Andie: War die Götterdämmerung nicht der Kampf der alten Racker, an den sich nahtlos der Weltuntergang anschloss? (S. Ende 3. Akt beim Ritchie.) Sollte das tatsächlich besser sein?
/DGT Steini: Reizfilterverstopfung ist eine ernst zu nehmende Herausforderung und erfordert handwerkliche Bodenständigkeit.
/Frollein Müller-EL.: Hinterlässt der MHK hier jetzt schon unsichtbare Botschaften, die nur Sie lesen können? Ein Teufelskerl!
/Eon: Hast du schonmal versucht, den Weg eines einzelnen der Tiere in einem Ameisenhaufen zu verfolgen?
/Joppi: Hauptsache, im Nirvana gibt es gekühlten Wodka :)
Mister Quint, ich will Sie ja nicht mehr über Gebühr loben, wegen Ihrer Allergie, aber das ist mein derzeitiger Lieblingstext unter all meinen Quint´schen Lieblingstexten.
Erinnert mich irgendwie an Rilke´s "...ausgesetzt auf den Bergen des Herzes..."
Hee, hallo.. ich fühl mich irgendwie gerade in eine Ecke gedrängt ... Frechheit! :-)
/Teufelskerl: Danke für die Assoziation, auf Rilke wäre ich nicht gekommen - obwohl ich ihn immer noch sehr gerne lese.
/Joppi: Die gefühlte Ecke ist bereits von mir besetzt. Aber mach es dir trotzdem bequem, da ist genug Platz für alle.
Freut mich irgendwie, dass der kühle Kopf mq gerne den warmseligen rmr liest. Der Geist ist manchmal trügerisch und stellt das Herz - scheinbar - in seinen Schatten.
Okay.. mit Lemmon oder was, werter Herr Quint?
Aber jetzt reicht es auch diesen schönen Text mit profanen geistigen Getränken zu verreden.
@ mq
Excusez-moi, bin irgendwie nicht so beeinand' und multi-tasking-fähig schein's auch nimmer, natürlich waren Sie gemeint! Nachdem ich verg. Woche 'MKH' in falscher Lettern-Folge getippselt hatte und auch diskret drauf hingewiesen wurde :-)
/MKH: Lass dich nicht vom frühen Rilke täuschen! Nicht nur über die Lou war er mit dem Fritzchen Nietschewo verdrahtet, und auch diesem kühlen Herrn fühlte er sich verwandt. Später ist er allerdings jung vergreist und fand dann irgendwie alles dufte.
/Joppi: Scheiss auf den Text, von mir aus auch mit Lemon.
/Frollein Müller-EL.: De rien et merci. Das macht den Kommentar deutlich besser verständlich.
"Jung vergreist" finde ich überhaupt nicht; aus dem jungen Spätromantiker wurde nur mehr und mehr ein weiser Mystiker. Irgendwo auf halbem Weg hat er dann die Dimension gewechselt.
Ganz so tief ins Gewusel wollte ich ja nun auch nicht :)
Mir dämmert, dass dies ein strahlendes Beispiel dessen, was mir sehr gefällt, sein könnte. ;) Nice and nicely done!
/MKH: Genau das meine ich - er war nie ein Spätromantiker, sondern hat sich hinter der blauen Blume nur versteckt. Das macht seine Texte gemeingefährlich, und daher mag ich ihn sehr, den jungen Rilke.
/Eon: Entweder, oder?
/Ole: Das wiederum scheint eine Morgendämmerung zu sein. Ich spüre wärmende Strahlen. :)
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