Mittwoch, September 13, 2006

Rolltreppen

Sie erwecken das Gefühl, es könnte abwärts, oder sogar in die entgegen gesetzte Richtung gehen, ohne dass man sich unterwegs anstrengen müsste. Rolltreppen vermitteln einen trügerischen Eindruck von Bewegung. Tatsächlich werden Körper auf Rolltreppen bewegt, aber gerade durch die geleeartige Form der Bewegung verkörpern Rolltreppen den Stillstand. Sie biedern sich als bequemes und scheinbar unschuldiges Mittel zur Beförderung träger Masse an und blockieren dadurch die Freiheit des selbständigen Gehens. Rolltreppen sind die Fußabstreifer des Stillstands.

Rolltreppen werben mit der Verlockung, Zeit zu sparen. Aber erstens wäre zu klären, auf welchem Konto die eingesparte Zeit verbucht wird, und zweitens besteht die Gefahr, dass man während der eingesparten Zeit versäumt, einen Gedanken von epochaler Bedeutung zu denken. Einen Gedanken, dem durch die Benutzung der Rolltreppe jede Möglichkeit der Entstehung verwehrt bleibt.

Rolltreppen generieren Interferenzen, so dass die elektrischen Impulse im Gehirn anstelle des einen Gedanken von epochaler Bedeutung völlig andere Gedanken von grenzenloser Belanglosigkeit erzeugen. Das Stehen auf einer Rolltreppe fordert die klapprigen Vogelscheuchen namens Belanglosigkeit und Mittelmäßigkeit geradezu heraus, jeden Gedanken vom fruchtbaren Acker des Gehirns fernzuhalten. Während man den einen Gedanken von epochaler Bedeutung denken sollte, denkt man an die Erhöhung der Mehrwertsteuer, oder an Kartoffelbrei.

Durch die Benutzung solider Treppen wird das Denken geschult. Ich habe mir vorgenommen, die Geschwindigkeit bei der Benutzung von Treppen mit zunehmendem Alter zu steigern. Der ideale Tod soll mich beim Erklimmen einer in Fels gehauenen Treppe ereilen.

13 Comments:

Anonymous Anonym said...

Ja, aber du bist nicht alleine auf der Welt. Ich habe sie früher auch gemieden, vor zehn Jahren noch, als ich Weltmeister im Kniebeugen auf einem Bein war.

13.9.06  
Anonymous Anonym said...

links stehen, rechts gehen. es gibt ubahnschächte in hamburg das hat man garnicht mehr die wahl zwischen roll- oder festtreppe ... und ganz ehrlich, nach durchzechter nacht kommen mir diese teile schon ab und an echt gelegen ;)

14.9.06  
Anonymous Anonym said...

ich denke ständig an kartoffelbrei. in ganz seltenen fällen auch an bratkartoffeln. aber das ist dann schon ein epochaler gedanke. ^^

14.9.06  
Anonymous Anonym said...

Scheiß neumodische Erfindung.

14.9.06  
Anonymous Anonym said...

Rolltreppen sind für mich Landei das Klischee von einer intakten Gross-Stadt und Gesellschaft. Die Menschen bewegen sich elegant, er in Anzug mit Aktentasche, sie im Kostüm mit Handtäschchen, ohne körperliche Mühen, über Rolltreppen und Rollbänder durch die Katakomben der Stadt. Immer gutgelaunt, smalltalkend, auf dem Weg zum Quickie.

Nach dem Genuss dieses Artikels bin ich wieder eine Illusion ärmer. Nun sehe ich sie vor mir, schwitzende Leiber, aneinandergepresst auf dem Weg zur U-Bahn oder zum Attentat, manche spielen ungeniert Taschenbillard, andere betteln (auch hier, und das prangere ich an, unverschämte Inflation: 'Hase ma 10 Öro' ist keine Seltenheit).

Ist das Fortschritt?

Fort-schritt ist wohl eher, wie Du vorschlägst, die Treppen zu laufen. Von daher, ran an die versyphten Treppengeländer der Welt!

14.9.06  
Blogger Lundi said...

Nach diesem Text kann ich Rolltreppen nie mehr vorbehaltlos nutzen ! Bei mir erzeugen sie aber auch jetzt schon eher Missmut, da ich auf Rolltreppen auch gehen will, und genervt bin wenn sie durch Steher blockiert werden. Ich habe dann das Gefühl des Stillstands. Da ist Treppensteigen entspannender - es geht immer voran.

14.9.06  
Anonymous Anonym said...

Gibt es denn In Frankfurt eine in einen Felsen geklöppelte Treppe? Wenn nicht, suchen sie sich einen netten Berg aus, ich organisiere Blogger die Ihnen Ihren Wunsch in den Fels hauen.

14.9.06  
Blogger mq said...

/Neo-Bazi: Sportliche Ansprüche senken, ein Weltmeistertitel im Mittelfinger strecken wäre doch auch ein Riesenerfolg ;-)

/Stard: Wer denkt, der Notschalter an Rolltreppen wird ständig von vandalierenden Jugendlichen betätigt, irrt. Das war in den meisten Fällen ich, vor allem nach durchzechten Nächten.

/Wort-Wahl: Leben Sie etwa auf einer Rolltreppe?

/Opa unser: Bratkartoffeln?

/Andie Stufen: Für den geübten Stufenbesteiger ist sogar die Variation des Rück-Schritts beförderlich. Hauptsache unelektrisch.

/Lundi: Verständnis für Rolltreppensteher? Niemals.

/Martha: Das ist ein nicht zu überschätzendes Angebot. Dafür wäre ich sogar in der Lage, einen Berg im flach geklöppelten Frankfurt zu finden.

14.9.06  
Blogger der Nachbar said...

morgens, halb sieben in Deutschland gibt es noch keine epochalen Gedanken, jedemfalls nicht von mir; die eingesparte Zeit kommt natürlich auf mein Konto, auch die eingesparten Schuhsohlen und die Knie; was mich wirklich nervt an Rolltreppen sind Leute , die noch nie was davon gehört haben, dass man links geht und rechts steht...wie im echten Leben halt...okay, das war platt...

14.9.06  
Anonymous Anonym said...

vielleicht habe ich so oft kartoffelbreigedanken, weil ich immer wieder durch die rolltreppenschlitze gepresst werde. mein leben auf der rolltreppe gestaltet sich schwierig - aber zum glück betätigt hin und wieder ein betrunkener den notschalter.

14.9.06  
Anonymous Anonym said...

dann sind sie eben geistig ein randalierender jungendlicher. und das meine ich durchaus als kompliment ^^

14.9.06  
Anonymous Anonym said...

Das stimmt. Treppen laufen bildet. Mein Lieblings-Helmut-Kohl-Witz handelte davon, dass der erfahrene Weltenlenker bei Stromausfall zwei Stunden auf der Rolltreppe festsaß.

14.9.06  
Blogger mq said...

/Chris: Ich kann unter meinen Füßen fast schon wieder den Teppich spüren.

/Wort-Wahl: Vielleich können Gedanken in der Konsistenz von Kartoffelbrei doch mitunter epochal sein.

/Stard: Geistiger Randalierer - gefällt mir gut.

/Simplex: Schon seit geraumer Zeit scheint ganz Deutschland auf einer Rolltreppe zu stehen und zu warten, dass irgendwer den Strom wieder anschaltet.

15.9.06  

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