Dienstag, Oktober 14, 2008

München - Venedig (VII): Zeichnen gesetzlich verboten

Am folgenden Morgen hatten die Berge ihr Prachtnebelkleid aus der Wetterkommode geholt. Jenseits der Grenze zur verschwommenen Außenlandschaft lichten sich Gedanken. Die gedämpfte Welt erscheint, als verberge sie Geheimnisse, für die sich das Weitergehen lohnt. Beim Gehen auf schmalen Pfaden an Steilhängen ist nur zu erahnen, wie tief man bei einem falschen Schritt fallen würde. Der Nebel reflektiert den Blick nach innen, und zusätzlich flutet die feuchte Luft den Atem.



Auf dem Weg zum Lafatscherjoch wurden die Gämsen beinahe zutraulich, mit dreifachem Zoom konnte man ihnen sogar in die Augen schauen.



Zuvor hatte ich am Wegesrand eine Kreuzotter entdeckt, aber das Tier wollte sich nicht fotografieren lassen und war schnell im Gebüsch verschwunden. Ein Alpensalamander hatte hingegen nichts gegen eine Ablichtung in schwarzem Lack und Leder.






















Auf dem Weg ins Inntal kamen mir zwei Jugendliche entgegen. Ich war in die Landkarte vertieft, und einer der beiden rief mir zu: "Wiast di scho ned verlaffa. Links is a Berg, rechts is a Berg. Konnschd nur durchd Mittn." Er hatte Recht, Orientierung kann sehr einfach sein.


Werbung für Rauschmittel, im Hintergrund Behausung von Eingeborenen

Das Inntal markiert die Grenze zwischen nördlichen Kalkalpen und Zentralalpen. Ich wählte den Weg über Wattens und erfuhr beim Überqueren der Autobahn, dass Zivilisationsradau nach wenigen Tagen der Abgeschiedenheit einem Kulturschock gleichkam. Daher verweilte ich in Wattens nur für den Verzehr einer Pizza und begann anschließend den Aufstieg durchs Wattental in die Zentralalpen. Am Ortsrand folgt man einem Kreuzweg, der zu Ehren von Pater Jakob Gapp angelegt wurde. Der Geistliche hatte 1939 in einer Predigt den Nationalsozialismus attackiert, wurde nach seiner Flucht durch Spanien verhaftet und 1943 im Alter von 45 Jahren nach Anklage wegen Landesverrats in Berlin-Plötzensee hingerichtet.






















Pater Jakob Gapp

Es muss in einem Moment des schlimmsten Höhenkollers passiert sein, als die österreichische Gebirgsmarine von der Idee überfallen wurde, innerhalb ihres militärischen Sperrgebiets rund ums Lager Walchen das Zeichnen unter Strafe zu stellen. Beim Lesen der Verbotstafel stellte ich mir vor, wie langbärtige Taliban, mit Kohlestift und Skizzenblock bewaffnet, durch die Alpen schleichen und zu Spionagezwecken illegale Zeichnungen von Zirbelkiefern und Kuhfladen anfertigen.



Beim Betreten des Sperrgebiets passiert man einen militärischen Wachposten. Ich unterdrückte ein Lachen, weil ich ständig an Kuhfladen zeichnende Taliban denken musste und mir ausmalte, was passieren würde, wenn man meinen Rucksack durchsuchen und dabei auf den abgekauten Bleistift oder meinen Notizblock stoßen würde. Aber niemand verhaftete mich, was vermutlich dem Umstand zu verdanken war, dass mein Bart noch nicht die erforderliche Bombenlegerlänge erreicht hatte. Der Soldat machte einen gemütlichen Eindruck und grüßte mich freundlich gelangweilt.
(...)

--
>> Alpensalamander
>> Zirbelkiefer

7 Comments:

Blogger Jan Spengler said...

Herrlich, beim Lesen des Schildes muss ich doch unweigerlich an den alten doofen Österreicher-Witz denken. Panz, Panz!

14.10.08  
Blogger MudShark said...

in tunesien wurden wir einmal kurzzeitig verhaftet, weil wir genau so ein schild übersehen hatten. wir waren abseits der markierten wege auf einen berg in der nordsahara geklettert und von einem militärposten beobachtet worden.

16.10.08  
Anonymous Anonym said...

geh, soa a fescha schwoa'za!!! (der kleine im lackmantel)

16.10.08  
Anonymous Anonym said...

ob es wohl strafbar wäre, schnellzeichenkurse für bartträger mit migrationshintergrund zu veranstalten:
"panzerzeichnen für anfänger", vielleicht?

16.10.08  
Anonymous Anonym said...

Hast du nochmal Glück gehabt. Auf Taliban, Zeichner und sonstige Feinde wird dort nur zu bestimmten, offiziell festgelegten Schießzeiten geschossen.

19.10.08  
Blogger mq said...

/Andie Kanne: Am treffendesten lässt sich Österreich jedoch anhand seiner köstlichen Nationalspeisen charakterisieren.

/MudShark: Und was habt ihr gezeichnet? Sandkörnchen? Kamele? Steine?

/Eon: Ja. Wahnsinn. Mir ist kein schwärzeres Tier bekannt.

/c.s.: Hinter dem Schild bestimmt.

/nömix: Und es gibt sogar ein >>Rahmenprogramm.

20.10.08  
Anonymous Heiko said...

Die Natur dort sieht einfach traumhaft aus … Ich selbst war bislang nur im Kalterer See Hotel zu Gast aber schon dort konnte man sehr gut wandern... Bin gespannt wie der Rest Österreichs zu bewandern ist

11.7.18  

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