Freitag, Dezember 25, 2009

Sehr geehrte Religionen,

keine von Ihnen erscheint mir ansatzweise glaubwürdig. Ich bin nicht in geringster Ausprägung religiös, beschäftige mich aber gelegentlich mit Ihren kleinen Knobeleien, um die Zeit zwischen wichtigen Themen zu überbrücken.

Neulich habe ich beim Zähneputzen das Problem der Theodizee gelöst. Dabei bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass man Ihrem jeweiligen Gott, den ich grundsätzlich für eine Ausflucht des schlechten Gewissens und der Ängste Ihrer Anhänger halte, keinen Vorwurf für seine schlampige Schöpfung machen muss.

Das Ganze könnte sich in etwa so zugetragen haben: Nachdem der von Ihnen als allwissend, allmächtig etc. bezeichnete Gott die Welt erschaffen hatte, überkam ihn ein ungeheurer Durst. Man kennt das, die Sonne brennt im Himmel, man hat überirdisch geackert, ist auch zu einer Art Zwischenergebnis gelangt, und plötzlich ist er da, dieser gewaltige Durst.

Also klappt man den Spaten zusammen und überlässt seine Kreaturen - Adam, Eva und den Rest - sich selbst. Ein paar hunderttausend Jahre werden die wohl allein zurechtkommen, denkt man sich vielleicht, während einem auf dem Weg zur nächsten Eckkneipe beim Gedanken an ein kühles Helles schon das Weihwasser im Mund zusammenläuft. Gott ist schließlich auch nur ein Mensch.

Als man dann am Tresen lehnt, bleibt es nicht bei einem Bier, und irgendwann sitzen auf den benachbarten Barhockern zwielichtige Diaboliker. Im Verbund mit dem verschwörerisch dreinblickenden Wirt sieht man sich plötzlich zum Würfelspiel überredet.

Der Abend hätte ohne größere Misere enden können, wären keine geistlichen Getränke aufgetischt worden. Aber auch Gott scheint nicht gegen jede Versuchung gewappnet. Und so nimmt die klassische Tragödie des Spielers ihren Lauf. Nach einer anfänglichen Glückssträhne verzockt der liebe Gott Haus, Hof und Galaxie um Galaxie, bis er am Ende nichts mehr besitzt. Nicht einmal ein öder Asteroid am äußersten Rand aller Sonnensysteme ist ihm geblieben. Da sich der liebe Gott für einen Ehrenmann hält, glaubt er an den Unfug, dass Spielschulden Ehrenschulden seien. Er torkelt durchs verspielte Universum nach Hause, wo er in die Heia fällt und für die nächsten Unendlichkeiten seinen Rausch kuriert.

Die Diaboliker kümmern sich nicht um den Gewinn. Sie sind weiterhin damit beschäftigt, ihren unheiligen, ewigen Durst zu stillen.

Inzwischen haben sich Generationen von Theologen die grauen Zellen wundgegrübelt, warum ein gütiger Gott einen solchen Irrsinn wie diese Welt erschaffen haben könnte. Dabei ist das Fazit einfach: Ihr Gott ist ein dufte Typ, aber es mangelt ihm an Disziplin, Struktur und Konsequenz. Vielleicht wacht er irgendwann aus seinem teuflischen Rausch auf, erinnert sich an das Fiasko, haut den Diabolikern die Fräcke voll und macht sich an den zweiten Teil der Schöpfung.

Was meinen Sie dazu, geschätzte Religionen? Meine These überlasse ich Ihnen gerne. Macht damit, was ihr wollt.

Mit profanen Grüßen,
mq

10 Comments:

Anonymous Exzenter said...

Ja, eine Vermutung in dieser Richtung habe ich schon vor einiger Zeit anderswo gelesen. Da muss was dran sein ...

25.12.09  
Blogger mq said...

Vielleicht bin ich zu einfach gestrickt, aber nachdem ich mich nun durch das beworbene Produkt gequält habe, vermag ich keinen Zusammenhang zu erkennen.

25.12.09  
Blogger mkh said...

Dass ER aus einer kurzen Einkehr auch immer eine kleine Ewigkeit machen muss...

26.12.09  
Blogger mq said...

Das passiert mir auch ständig, meinen Segen hat er.

26.12.09  
Blogger Christian 55 said...

Das wär ja endlich mal ein sympathischer Gott, mit dem auch ich gern ein Bier (oder zwei oder so) trinken würde, wobei ich mir natürlich schon bewusst bin, dass ich mit seinem übermenschlichen Durst nicht mithalten könnte (man will ja schliesslich nicht den Eindruck vermitteln, grössenwahnsinnig zu sein).

26.12.09  
Blogger Frau H. said...

Gott ist ein (toter) Spieler. Es lebe die Ethik!

Ich lese da gerade sowas, was mich fast verleitet, doch vielleicht endlich 'mal einen "Philosophen" (denen anzuhängen, ich meist für ähnlich schwachsinnig wie Religion halte) zu lesen. Und ich muss sagen, dass es erschreckend ist, wie wenig oft begriffen wird, von der Einfachkeit der Dinge. Ich habe mich mein Leben lang unterschätzt! Auch das, so eine Erkenntnis. "Schwachsinn" ist im Übrigen ein sehr schönes, wohl kaum gedeutetes Wort...aber nu ja, ich bin gerade ein wenig... Überreizt? Lüge oder Wahrheit? Auch so ein Würfelspiel...

27.12.09  
Blogger 100 Goldfischli said...

Nur so kann es sein: Dass die Schöpfung mit dem Spaten entstanden ist und nicht mit dem Zauberstab oder durch schöpfender Hände Formgebung.

Jedenfalls sieht sie so aus, die Welt: Nach unfiligraner Modellierung mit dem Spaten. Dieser Herr Gott ist ein Grobmotoriker.

Warum muss ausgerechnet so ein Unberufener schöpfen wollen? Der hätte es doch beim Spielen und Saufen belassen können (Huren haben sie da ja nicht, im himmlischen Zentralwirtshaus, oder?).

Und weil das alles auch für ihn keinen Sinn ergab, weder verkatert noch nüchtern, erschuf er die Irrationalität und wurde ihr begeisterter Großverbraucher.

Von dem, was bei seiner exzessiven Anwendung der Irrationalität übrigbleibt, ernähren sich die Weltreligionen. Sowie einige andere.

28.12.09  
Blogger MudShark said...

der übermenschliche durst! ja klar, das isses! die ganzen erlöser und erschaffer sind nach feierabend einen ballern gegangen. sowas kann dauern. im rausch entstehen bisweilen bizarre ideen, das wissen wir alle.

29.12.09  
Blogger mq said...

/Christian 55: Mit Größenwahnsinnigen scheint er auffällig gern zu trinken. Man denke an diesen alten Mann in der sogenannten ewigen Stadt, der sich für seinen Stellvertreter hält und an dessen Kumpels, die Alkohol als geheiligtes Blut verkaufen. (Aber ich will hier kein altes Blut aus neuen Schläuchen vergießen.)

/Frau H.: Denken Sie dabei an Bertrand Russel? Das Problem mit den lügenden Kretern ist weniger komplex als es scheint. Bei einem pragmatischen Denkansatz könnte es sein, dass Epimenides nicht grundsätzlich gelogen hat. Für jede Regel lässt sich eine Ausnahme (er)finden.

/100 Goldfischli: Die Frage aller Fragen besteht demnach nicht darin, ob es einen Gott gibt, sondern in wessen Auftrag er handelt. Vielleicht waren Profis zu teuer, so dass man hat einen aufstrebenden Amateur, der mit einem vergoldeten Spaten Eindruck schinden konnte, unter Vertrag genommen hatte. Und jetzt streiten sich beide Seiten um die Bonuszahlung - oder eine Abfindung.

/MudShark: Lass uns hoffen, dass keine weiteren Rauschmittel ins Spiel kommen. Finger weg von weichen Drogen!

31.12.09  
Blogger DanielSubreal said...

"Preisen will dich Dich mein Gott
in der Verlassenheit
und alle Angst verweht
und jeder Tod schenkt mir der Augen Licht
mein Gott ich preise Dich
wie lang die Zeit auch währt
ich bin nicht mehr allein
bei Dir bin ich
und froh
zerflattert sind die Vögel
schwarz
und wieder
schwarz
die Zahl zerspringt
der Mond schreit auf
ich aber bin
vorbei."

Thomas Bernhard

5.1.10  

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