Donnerstag, Dezember 24, 2009

Vixerunt*

Sie haben überlebensgroße Staffeleien in der Manege aufgestellt. Hinter dem Vorhang aus Blei scharren trojanische Zirkuspferde mit den Hufen. Das Dasein erscheint dir wie Malen nach Zahlen unter Verwendung einer Vorlage von Jackson Pollock. Während der gesamten Vorstellung hörst du Rufe aus der Menge, ohne Inhalte zu verstehen. Du hältst den Lärm für Applaus, bis man spitze Gegenstände und Beschimpfungen in deine Richtung wirft.

Als Konturen erkennbar werden und das Bild eine Interpretation zulässt, die deiner Vorstellung entspricht, gibt der Boden unter dir nach. Aber nicht nur, dass du im Moor der Manege versinkst: Deine Füße sind auch noch an Gewichte gekettet. Während die schwarze Masse deinen Hals umschließt, wird dir bewusst, dass jede Geburt gleichzeitig ein Todesurteil ist. Fühlt sich an wie Trost.


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*Übers. (lat.): "Sie haben gelebt."

(Ciceros kürzeste Rede, gehalten anstelle einer Rechtfertigung vor dem römischen Volk nach Vollstreckung der Todesurteile gegen die Verbündeten des Catalina.)

6 Comments:

Blogger frech'n'nett said...

"In the long run, we are all dead."
(John Maynard Keynes)

24.12.09  
Blogger frech'n'nett said...

Merci für den Beitrag, rief mir ad hoc die "news of the world" ins Gedächtnis zurück:

all dead

ach ja: rohes Fest dann noch....

24.12.09  
Blogger mq said...

Keynes als Verkünder froher Botschaften, Freddy als Nachrichtensänger mit Millionenpublikum - und alles vor Web X.0! Heute kaum noch nachvollziehbar.

24.12.09  
Blogger mkh said...

Ich übe noch, um die Geschichte zu verstehen. Der Kontrapunkt zur grandiosen Weihnachtsillusion ist jedenfalls gewaltig. Aber wo ist dein t in hälst?

26.12.09  
Blogger mq said...

Das war Freut! Das war Freut!

26.12.09  
Blogger 100 Goldfischli said...

Das freut mich, dass auch anderen sowas passiert. Nur so aus Solidarität natürlich.

"Wenn du an Hinrichtungen denkst, stell dir zuerst den Hals vor."

28.12.09  

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