Selbstbildnisse im Elektromarkt
Es muss ein magischer Moment gewesen sein, als der Mensch sich zum ersten Mal selbst wahrnahm. Er beobachtete die glatte Wasseroberfläche und erkannte plötzlich, dass es sich bei dem Wesen, das ihm in die Augen blickte und seinen Bewegungen spiegelbildlich folgte, um ihn selbst handelte. In diesem Augenblick verankerte sich das menschliche Selbstbewusstsein.
Seither versucht der Mensch, dieses Bild im Bewusstsein festzuhalten. Er will der Vergänglichkeit entrinnen, die er bereits vor seinem Blick auf jene glatte Wasseroberfläche kennengelernt hatte.
Die glatten Wasseroberflächen unserer Zeit sind die Displays von Smartphones und Tablet Computern. Per Berührung lassen sich Spiegelbilder konservieren und die Vergänglichkeit scheinbar überlisten.
In Elektromärkten öffne ich die Fotospeicher von Geräten und betrachte Menschen, die sich zuvor selbst angesehen und bildlich festgehalten haben. Im Hinblick auf die Bewältigung der Vergänglichkeit erscheint es nicht rätselhaft, warum offenbar die wenigsten ihre Selbstbildnisse löschen, um sich fremden Blicken zu entziehen.
Unbekannte überlassen einen Teil ihrer Identität einem Unbekannten, der die Porträts ablichtet und anschließend vom Gerätespeicher löscht.
Übrigens erkennen Affen ihr Spiegelbild nur, wenn sie mit sozialem Kontakt aufgewachsen sind. Isolierte Affen erkennen ihr Spiegelbild nicht.*
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*G. G. Gallup: Self-recognition in primates: A comparative approach to the bidirectional properties of conciousness. In: American Psychologist. Band 32, 1977, S. 329-337.
Seither versucht der Mensch, dieses Bild im Bewusstsein festzuhalten. Er will der Vergänglichkeit entrinnen, die er bereits vor seinem Blick auf jene glatte Wasseroberfläche kennengelernt hatte.
Die glatten Wasseroberflächen unserer Zeit sind die Displays von Smartphones und Tablet Computern. Per Berührung lassen sich Spiegelbilder konservieren und die Vergänglichkeit scheinbar überlisten.
In Elektromärkten öffne ich die Fotospeicher von Geräten und betrachte Menschen, die sich zuvor selbst angesehen und bildlich festgehalten haben. Im Hinblick auf die Bewältigung der Vergänglichkeit erscheint es nicht rätselhaft, warum offenbar die wenigsten ihre Selbstbildnisse löschen, um sich fremden Blicken zu entziehen.
Unbekannte überlassen einen Teil ihrer Identität einem Unbekannten, der die Porträts ablichtet und anschließend vom Gerätespeicher löscht.
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*G. G. Gallup: Self-recognition in primates: A comparative approach to the bidirectional properties of conciousness. In: American Psychologist. Band 32, 1977, S. 329-337.
14 Comments:
haha, geile idee. früher hat man (ich) bei ausgestellten computern folgendes eingegeben:
10 print "wer das liest ist doof. ";
20 goto 10;
Haha, oder:
10 print "wer das liest ist doof. ";
20 wait 86400;
30 goto 10;
Erschreckend. Von sowohl als auch betrachtet...
Und zum Thema Affen (sehr interessant, das...) fällt mir jener ein:
http://de.wikipedia.org/wiki/Harry_Harlow
(Sir MQ, eine Frage kann ich mir nicht verkneifen: WIE zum Teufel kamen Sie auf die Idee das zu tun??? Also überhaupt "nachzusehen"???)
/Frau H.: Unter meinem Bett wohnt ein verwarzter Zwerg, der in einer gewittrigen Nacht nach meinem Knöchel griff, als ich die Schlafstätte verlassen wollte, um ein Glas Wasser zu trinken ... nein, es war anders, unwesentlich unspektakulärer. Ich habe ein Gerät im Elektromarkt gestestet und wollte das Bild anschließend löschen. Dabei fielen mir die vielen anderen Bilder auf.
ein kabinett des flüchtigen sozialen, das Sie da entdeckt haben. sehr geil!
spiegelbild? was das?
die frage ist doch, ob ein in völliger isolation "aufgezogener" MENSCH sich im spiegel erkennt? wenn man sich so die "experimente" von harlow ansieht (danke frau h.) würde ich sagen nein. warum? zitat wiki:
"und völlig isoliert aufgezogene Tiere waren später derart verhaltensgestört.."
ja ach?
/DanielSubreal: Hat DasKleineTeilchen etwa mit Ihnen experimentiert?
/DasKleineTeilchen: Lassen Sie Herrn Subreal in Ruhe! Oder besser, lassen Sie ihn nicht in Ruhe!
:D *lachen*
http://www.willempopelier.nl/showroom.html
@Sir MQ: Ah, das beruhigt mich! (Also dass da kein und so....) Wobei es ja schon auch "lustig" (kann das, was ich gerade dazu empfinde nur schwer in Worte fassen), dass Sie ein Foto von sich machen und dann, als Sie es löschen wollen, die Fotos anderer entdecken...Das mit dem sehen und gesehen werden (wollen) ist echt so eine Sache, meiner Meinung nach. ;)
@das kleine Teilchen: Gerne. Wir sind doch alle kleine Teilchen des großen Teilchens (Ganzen).
@Anonym: Das war ich....
/Frau H.: Wer weiß ...
Nach langer Zeit mal wieder hier vorbeigeschaut und muss sagen: sehr herrlich, Herr Quint!
Ich hinterlasse hier mal diesen Link zu anderen Primaten, die sich selbst abgelichtet haben
http://www.universetoday.com/105234/best-ever-astronaut-selfies/
/ein Texttourist: Großartige Weltraumserie! Das Foto am Ende der Seite ist in dem Buch "Der Mensch verlässt die Erde" abgebildet, das meine fanatische Weltraumfahrtbegeisterung im Alter von neun Jahren weckte.
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