Donnerstag, Dezember 12, 2013

Nur die Größe der Zelle

Wozu das ganze Geschwafel von der Freiheit? Als ob es jemals einen freien Menschen gegeben hat. Jeder Mensch, jedes Lebewesen, sogar jeder Stein, jedes Atom ist an irgendeine Form der Abhängigkeit seiner Existenz gekettet.

Buddha hat der Legende zufolge über einen langen Zeitraum gefastet, um während seiner Meditation die Erleuchtung zu erlangen. Wieviele Tage hält es ein Mensch ohne Wasser aus? Wo der Mensch an die Grenzen der Naturgesetze stößt, wird es abrupt mythologisch. Die Geistesgeschichte unserer Spezies kennt zahlreiche Belege dafür, dass phantastische Erklärungsmodelle gegenüber naturwissenschaftlichen Begründungen bevorzugt werden. Folgerichtig lässt der Mensch seine Götter nicht verdursten, wenn sie einen Tag zu lange in der Sonne hocken, sondern spricht sie heilig. Und überhaupt, was soll das eigentlich sein, die Erleuchtung.

Die Legendenfigur Buddha war nicht frei, sondern in der Idee gefangen, die Erleuchtung zu erlangen. Und auch andere Götter wären nicht frei, wenn es sie gäbe, denn auch sie wären Gefangene ihrer Ideen. (Nebenbei: Würde ein Gott sich die Sinnfrage stellen?) Und wenn es keine Götter gibt, sind sie gefangen als Idee in den Köpfen der Menschen.

Freiwillig verdursten oder verhungern ist machbar, aber der Mensch besitzt noch nicht einmal die Befähigung zur Freiheit, aus eigenem Willen mit dem Atmen aufzuhören. Nur mit einem Strick oder in Abhängigkeit anderer Hilfsmittel gelingt es. Und selbst ein Freitod erfolgt nicht freiwillig, sondern ist eine zwangsläufige Konsequenz, die aus anderen Zwängen resultiert.

Alles befindet sich in gegenseitigen Abhängigkeiten. Der freie Wille ist eine Illusion. Jede Entscheidung ist geprägt von Erfahrungen, und die wenigsten Erfahrungen geschehen ohne fremde Einflüsse. Die Unfreiheit und die Unfreiwilligkeit sind real in ihren unterschiedlichen selbst und fremd verschuldeten Konstellationen. Die Formen der Gefangenschaft unterscheiden sich allein in der Größe der Zelle.

Zum Teufel mit dem Pathos der Freiheit. Lieber ein Leben in der Auseinandersetzung mit vielen unberechenbaren Abhängigkeiten als ein Dasein in einer einzigen durchsichtigen Illusion.

4 Comments:

Blogger Frau H. said...

Ok, ich glaube, jetzt verstehe ich Ihren "Determiniertheitsgedanken" etwas besser. ;)

Würde sagen: Eh klar...ABER in diesem Rahmen wähle und entscheide ich, bin ich FREI zu tun, was ich möchte. Es geht nicht darum - meiner Meinung nach - immer und zu jeder Zeit das tun zu können was man vielleicht gerne möchte. Ich finde es geht darum, sich bewusst zu machen, dass man trotz "Rahmen" nicht gefangen ist.

Für mich ist dieser "Rahmen" die Verbindung, das, was zusammengehört. Aber nur, weil etwas zusammengehört, muss noch lange nichts immer "gleich" sein. Da gibt es Spielraum, Bewegung, Veränderungsmöglichkeiten... Ungefähr so.

Dass ist mein "Freiheitsgedanke", so Sie so wollen.

12.12.13  
Anonymous der Nachbar said...

Dazu fällt mir spontan ein: es ist ja bekannt, dass es nichts Absolutes gibt. Auch eine absolute Freiheit gibt es nicht. Aber doch eine relative, großartige Freiheit, in der wir unsere Ansichten äußern können, ohne uns kurz darauf in kafkaesken Situationen wiederzufinden. Aber wer weiß...was Dir gerade widerfährt - oder in wenigen Stunden. Ich kann nicht anders, als ein Hohelied auf unsere Freiheit anstimmen zu wollen, vielleicht auch deswegen, weil ich ein dikatatorisches, die individuellen Freiheiten einschränkendes und somit zutiefst menschenverachtendes System am eigenen Leibe kennenlernen musste.

13.12.13  
Blogger DanielSubreal said...

Ha! Sie wollen uns doch nur von Ihnen abhängig machen! Darauf fall ich nicht rein! Ich les nur noch diesen Text und vielleicht die nächsten beiden, aber dann, dann ist engültig Schluss...

15.12.13  
Blogger mq said...

/Frau H.: "Determiniertheitsgedanken"? Was soll denn das jetzt für eine Schweinerei sein? Ich bin ein anständiger Nihilist.

/der Nachbar: Doch. Vodka.

/Daniel Subreal: Dann gibt's jetzt erstmal ein Bild als Substitut.

23.12.13  

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