Donnerstag, August 12, 2010

Clogs

Kürzlich wurde im Beitrag eines Nachrichtenmagazins ein Herr, dessen Namen ich sofort wieder vergessen habe, mit der Behauptung zitiert, dass ein Mann nur Sandalen tragen dürfe, wenn er der Sohn Gottes sei. Ich fragte mich sofort, wie sich dieser Herr über einen Mann äußern würde, der Clogs trägt.

Vermutlich wäre unter den Augen der stilkritischen Öffentlichkeit nur Gott höchstpersönlich oder seinen Medizinmannkollegen das Tragen von Clogs gestattet. Zwar nicht Gott, aber ein nahezu ebenso beeindruckender Clogsträger war mein Französischlehrer auf jenem humanistischen Gymnasium Anfang der 1980er Jahre. Er besaß eine Mobylette, auf der er täglich, ausgestattet mit einem langen, schwarzen Ledermantel, einer Sturmhaube, einer Fliegerbrille (WK II) und einem wetterabweisenden Vollbart zur Hölle fuhr.

Aber das Beste waren seine nietenbeschlagenen Clogs, mit denen er über die Linoleumflure klackerte, während sich seine Silhouette auf der Oberfläche des Bodens bedrohlich spiegelte. Diese Ungetüme aus Holz und Leder besaßen einen fetten Wulst, der sich über dem Spann wölbte. Ich habe sowas später nie wieder gesehen.

Mit zunehmendem Alter erscheinen die meisten Stilfragen ebenso lächerlich wie die unterschiedlichen Antworten darauf, und so entschloss ich mich vor einigen Jahren zum Kauf dieses hinterorientalisch anmutenden Schuhwerks. Damals erfüllte ich mir einen Alptraum, und auch wenn sie keinen fetten Wulst besitzen, sind meine Clogs immerhin nietenbeschlagen.

Dieses martialische Geräusch, wenn die Holzfersen auf den Asphalt schlagen, könnte Springerstiefeln das Fürchten lehren und bringt sogar die Teenies zum Verstummen, die immer vor dem Haus herumlungern. Neulich murmelte eine Nachbarin, die mich ansonsten grundsätzlich nicht grüßt, im Vorbeischlurfen: "Tolle Schuhe". Es klang irgendwie verächtlich, und darüber habe ich mich ganz besonders gefreut. In Zukunft werde ich sie noch freundlicher grüßen.

11 Comments:

Blogger mkh said...

Herrlich! Kann man die vielleicht so tunen, dass sie Funken schlagen?

12.8.10  
Anonymous joppi said...

warum fällt mir dazu ein Italo-Western ein - bodenständig aber ein Italowestern!

(Ha... Die Wortbestätigung verlangt nach "glock" abgefahren...)

12.8.10  
Anonymous Frau H. said...

Clogs! Sie tragen Clogs! DAS hätte ich ja nun nicht vermutet, aber es adelt Sie nur noch mehr.
Außerdem erinnert es mich an eine dieser Geschichten, von denen ich mir vorgenommen habe, wieder mehr aufzuschreiben...so denn: Merci! Und weiterhin gutes Kleppern ;)

12.8.10  
Anonymous Pest Krause said...

Mein ehemaliger Physiklehrer, der, der nach funkenschlagenden Experimenten immer theatralisch schrie: "Ich hätte tot sein können!", dieser Mann also trug mit Vorliebe lange Regenmäntel aus Latex oder Vinyl, am liebsten in silbermetallic. Keine Ahnung, ob das als Kommentar relevant für Ihren Beitrag ist, aber ich dacht mir, hey, was solls.

13.8.10  
Anonymous stilhäschen said...

Oh. Jetzt hab' ich Angst vor Ihnen. (Trauma eins: der fliegende Clog, der beim Fußballspielen die Tür eines parkenden Autos... nunja, ein wenig verformte bzw. die Wut des Besitzers. Trauma zwei: der Studienkollege, der seine Ziegenfell-Clogs im örtlichen Fernfahrerbedarf erstanden hatte; der war schon nett, aber mir fachlich so überlegen, daß ich mich nicht erinnern möchte.) Schade.

13.8.10  
Blogger Christian 55 said...

Clogs werden ja offenbar vor allem von Krankenschwestern, Köchen und Schweden getragen. Wikipedia definiert sie überdies als "pantoffelartige Unisex-Schuhe". Wenn ich mir solche in Kombination mit Ihrem vollbärtigen Französischleher mit Sturmhaube, Fliegerbrille und schwarzem Ledermantel vorstelle, würde mich schon wundern nehmen, wie denn der Französischunterricht bei diesem Herrn so war. Vielleicht ein bisschen Ionesco- oder Jarry-artig surreal und absurd? Ganz daneben wohl nicht, denn immerhin haben Sie ihn ein wenig zu Ihrem Vorbild gewählt. Sich einen Alptraum zu erfüllen erfordert eine gewisse Grosszügigkeit sich selber gegenüber, finde ich.

15.8.10  
Blogger mq said...

/mkh: Theoretisch kann man alles tunen, bis es Funken schlägt. Sogar Wackelpudding.

/joppi: Während meiner Kindheit erhielt ich die Information, das filmische Pferdegetrappel in Western werde mit Hilfe von Kokosnussschalen erzeugt. Später ahnte ich: Alles Lüge, es war mein Französischlehrer.

/Frau H.: Ihre schöne Geschichte ist eines der (gewiss seltenen) Beispiele für zwischengeschlechtliche Harmonie mittels Schuhen.

/Pest Krause: Ihr Kommentar ist als weiterer Beleg für den augenscheinlichen Zusammenhang zwischen intellektueller Brillianz und geschmackloser Kleidung sogar von höchster Relevanz!

/stilhäschen: Und dabei bietet mein Schuhwerk noch den geringsten Anlass dafür, Angst vor mir zu haben. Aber sowieso nicht für Sie, denn weder sind meine Clogs mit Ziegenfell ausgestattet, noch verfüge ich über gespaltene Pupillen. Und als Wurfobjekte bevorzuge ich spitze Gegenstände.

/Christian 55: Die gesamte Schulzeit war ein einziger surrealistischer Zustand, ich hätte keine Unterscheidung zwischen Französisch und anderen Fächern - sagen wir zum Beispiel Physik - treffen können.

16.8.10  
Anonymous Frau H. said...

Das verwirrt mich jetzt...??? Taten Sie nur so? Oder kam die Erkenntnis zeitversetzt???

16.8.10  
Blogger mq said...

Welche Erkenntnis.

16.8.10  
Blogger mq said...

Bzw.: ?

16.8.10  
Anonymous Frau H. said...

Machen Sie mich nicht irre..ich meinte das: WO?
Und das haben Sie doch scheinbar schon..wegen der Geschichte...

16.8.10  

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