Sonntag, April 19, 2009

Sehr geehrte Inder,

ich werde mich vermutlich nie daran gewöhnen. Aber zum Glück bin ich nicht der einzige. Sogar der Radiomoderator konnte sich heute Morgen den Hinweis nicht verkneifen, dass es sich um das "frühere Bombay" handelt, als in der Ankündigung eines Beitrags von Mumbai die Rede war.

Und dabei kamen Ihre Politiker bereits vor über zehn Jahren auf die Idee, diese phänomenale Stadt im südlichen Teil Indiens offiziell umzubenennen. Zuvor verwendete man über den mickrigen Zeitraum von etwa 500 Jahren den Namen Bombay. Da Englisch die am weitesten verbreitete Sprache in Ihrem Staat ist, könnte einen Teil Ihrer Landsleute die Ahnung beschlichen haben, im Begriff "Bombay" verstecke sich eine militaristische Metaphorik. Das würde Ihre Landsleute ehren, Militarismus ist irgendwie unappetitlich und sollte bei der Namensgebung von Metropolen keine Rolle spielen. Aber diese Herleitung wäre falsch, denn das Wort hat seinen Ursprung in der portugiesischen Bezeichnung "Bom Bahia", was "Gute Bucht" bedeutet. Das ist doch gar nicht schlecht, oder? Und weit erhaben über jeden Verdacht auf Militarismus.

Nachschlagewerke verbreiten die Behauptung, die beiden Namen würden seit jeher parallel verwendet, da sich Mumbai von Mumbadevi ableiten ließe, einer hinduistischen Göttin. Auch wenn ich während zahlreicher Aufenthalte in Bombay keinen Inder getroffen habe, der mir bestätigen konnte, dass die beiden Namen traditionell gleichermaßen verwendet werden, möchte ich dieses philologische Konstrukt nicht attackieren. Bei der Vorstellung, das Meisterwerk "Salaam Bombay" hieße "Salaam Mumbai", würde man allerdings im Nachhinein am liebsten den Kinobesuch stornieren und einen großartigen Film verpassen.

Nebenbei bemerkt, erleichtert es meine Begeisterung für Ihren Subkontinent, dass Sie Bombay nicht in Dumbai umbenannt haben, denn dass klingt in meiner Sprache noch merkwürdiger. Aber eine Bitte hätte ich noch: Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt nicht auch noch "Bollywood" in "Mollywood" ändern würden. Ok? Obwohl das immerhin genauso lustig klingen würde.

Mit etymologischen Grüßen,
mq

14 Comments:

Blogger MudShark said...

vielleicht überlegen es sich die inder in eine paar jahren auch wieder anders. solche umbenamsungen waren bei uns auch eine ganze weile hip: chemnitz -wobei mir der vorübergehende name karl marx stadt besser gefällt.

20.4.09  
Blogger Der_grosse_Transzendentale_Steini said...

Wird Zeit, dass New York umbenannt wird. So neu ist das ja nun auch nicht mehr. Aber dann wär ja vielleicht was los...

20.4.09  
Anonymous c.s. said...

wenn jetzt alle städte auf der welt umbenannt würden, wäre das dann nicht das ende der wirtschaftkrise. ich meine überlegen sie doch mal wie viel arbeit das wäre und was man alles neu kaufen müsste und so. alleine die ganzen seminare für orientierungslos vielflieger und piloten und...und...und...ich bin begeistert.

20.4.09  
Blogger mq said...

/MudShark: An Saigon erinnert man sich auch noch, aber spätestens bei Stalingrad dürften die Ansichten geteilt sein.

/DGT Steini: Wie wäre es mit New Fork?

/c.s.: Gebongt. Aus Chemnitz wird Stalingrad und New Fork nennen wir Saigon.

20.4.09  
Blogger Jan Spengler said...

Lieber Wanderer, alles schön und gut, aber wo bleibt die Fortsetzung der Alpentour?

21.4.09  
Anonymous eon said...

wenn man weiterhin bombay sagen will, muss man einfach dabei die zähne fest zusammenbeißen. dann hört es sich genau wie die politisch korrigierte version an!

21.4.09  
Anonymous ttr said...

Chemnitz in Stalingrad, New York in New Fork und anschließend in Saigon... alles realitätsferne Träume der digitalen Bohème. Die bürokratischen Mühlen werden es zu verhindern wissen.

Herr Texttourist, zum Beispiel, war letztens zwecks Beantragung neues Ausweises beim Bürgerservice. Schon als ich die Nummer 666 aus dem Automaten zog, ahnte ich – einfach wird es nicht.
Doch ein Versuch kostet nichts und so antwortete ich der Sachbearbeiterin auf ihre Frage, ob die Angaben aus dem alten Ausweis übernommen werden können im Radio Eriwan Stil. Im Prinzip wäre es okay, aber schön wäre es, wenn der neue Name der Stadt eingetragen wäre.
"Ja" antwortete die Sachbearbeiterin, "hierzu brauche ich eine Urkunde".

Ich wurde dann plötzlich schrecklich müde.

22.4.09  
Blogger Christian 55 said...

Kommentar zum Thema auf der Website des Ekici Restaurant im Yachthafen von Antalya (Motto: "Begrenzen Sie Ihre Vorstellungen nicht"):
"Als der König Attalos der 2. nach Bergamon kam sagte er das Kaleiçi das Paradis auf der Erde sei. Die Geschichte kommt schon seit Jahrhunderten. König Attalos befehlte seinen Leuten Das Paradis auf der Welt zufinden. Es sollte ein Platz sein welches all die anderen Könige und Prinzen beneiden. Als die Soldaten nach Antalya kamen sahen sie das sie es gefunden haben. Nachdem König Attalos nach Antalya kam gefiel es ihm hier sehr.Er benannte die Region nach seinem namen Attaleia. Als die Stadt in 1085 von den Selchuken erobert wurde,, wurde die Stadt mit verschiedenen Namen wie zum Beispiel Stelia, Satalya, Adayla oder Antalya erwähnt."
Das Restaurant als eine ihrer "warmen Worspeisen" übrigens eine Sosis Tava. Übesetzt ist das eine simple Bratwurst (also nichts für Vegetarier).

22.4.09  
Blogger Der_grosse_Transzendentale_Steini said...

Es ist eigentlich fast vermessen, sich über einen neuen Städtenamen aufzuregen. Was sollen die armen Bürger von Wanne-Eickel sagen? Die haben nur einen Gebrauchtnamen bekommen und sind dann noch durchnumeriert worden: Herne 2. Frustrierend! Die hätten sich über Mumbai sehr gefreut.

22.4.09  
Blogger mkh said...

Ich hörte, man wolle Bankfurt am Main auch umtaufen, es soll "Frankfurt" heißen! Unglaublich.

24.4.09  
Anonymous eon said...

um ein haar hätte berlin heute vatikanstadt II gehießen!

26.4.09  
Blogger Der_grosse_Transzendentale_Steini said...

@mkh: So wie die Würstchen?? Die spinnen doch.

29.4.09  
Blogger mkh said...

Denke ich auch @Steini! Obwohl ja viele Städte nach Essbarem benannt sind. Aber WENN sich Bankfurt unbedingt kulinarisch umbenennen will, dann doch besser in "Äppelwoi", und das klingt schon wieder ähnlich wie "Mumbai". Passt.

29.4.09  
Blogger mq said...

/Andie Kanne: Ich halte mich gewissenhaft an den Redaktionsplan.

/eon: Beim Sprachlabortest stellte sich heraus, dass man auch unter oraler Anwendung von Hansaplast zu verwendbaren phonetischen Ergebnissen gelangt.

/ttr: Vielleicht könnte ich noch eine Siegerurkunde von den Bundesjugendspielen 1978 auftreiben, aber das würde nur bedingt weiterhelfen, denn auf der nächsten Eskalationsstufe des bürokratischen Terrors wird man eine Beglaubigung von den Vereinten Nationen verlangen.

/Christian 55: An Selbstbewusstsein mangelte es King Atze offenbar nicht. Aber die Etablierung der Bratwurst weist auf deutliche Einflüsse von Eroberern Antalyas in jüngster Zeit hin.

/DGT Steini: Das ist tatsächlich eine bedenkenswerte Benamungssituation, aber könnte der Magistrat von Herne 2 die finanziellen Mittel aufbringen, um entsprechende Namensrechte von den Indern zu erwerben?

/mkh: Solange ich hier wohne, wird es zumindest keine Frankenkrise geben.

/eon: Vielleicht kann Berlin zumindest den ersten Teil des Namens günstig an Herne (2) abgeben, die Nummerierung ist dort bereits vorhanden.

/DGT Steini + mhk: Meine Herren, ich muss doch sehr bitten! Hier handelt es sich um eine Angelegenheit, die unseren ungeteilten Ernst erfordert.

3.5.09  

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