Sonntag, Mai 10, 2009

Zwischenfrage

Ist es möglich, dass man die Geborgenheit vertrauter Gedankengehäuse verlässt, ohne am Anfang eines Satzes, dem von Narzissenduft umwölkte Unschuldsheucheleien einer taufrischen Idee anhaften, zu wissen, wohin der Reisebericht jener Geisterfahrt, die bereits vor Antritt mit einem gekonnten Totalschaden beendet zu sein schien, führen wird, noch nicht einmal von einer Ahnung berührt, welche Verzweigungen die Worte nehmen, an welche nächtlichen Kurven und unübersichtlichen Kreuzungen weiterer Ideen sie gelangen werden, wobei man auf der Reise durch die geistige Taiga im Vehikel eines prototypischen Satzbaus mit abgefahrenen Profilen ohne Bodenhaftung sitzt und als schwarzweißblinder Testfahrer ständig vor neue Entscheidungen gestellt wird, die Wörter wie Hagelkörner aus dem Gedächtnis auf die gedankliche Überholspur schleudern und Blitzeis im Bewusstsein verursachen, dabei das klebrige Lachen des Konstrukteurs wie Gelatine im Ohr haftet, man jedoch nicht angemessen mittels eines Brems- oder Fallschirms reagieren, sondern nur den Tankinhalt überwachen, die Buchstabenketten auf Touren bringen und das Aufmerksamkeitspedal bis ans Bodenblech der Wahrnehmung durchtreten kann, während sinnverfinsternde Wolken am Horizont auftauchen, sich in einer kaum wahrnehmbaren, unwirklichen Geschwindigkeit nähern und in ihrer Bedrohlichkeit vermitteln, dass Aufrüstungen des Wortwaffenarsenals notwendig sind, um in Nebensatzscharmützeln, die mit massiven Sprachverlusten und kognitiven Kollateralschäden enden können, zu überleben, jedoch die Bedrohung unaufhaltsam voranrückt, als unterläge sie einem planetarischen Gesetz, das aus sich selbst entstand und sich selbst immer wieder zu neuen Fassungen umschreibt, um sämtliche Geschichten, die jemals passiert sein werden, im Gelee einer erstarrten Zeitlandschaft gefrieren zu lassen, weil alles gleichzeitig passiert und Raum und Zeit sich ineinander verschränken, ohne Unterschiede zwischen innen und außen, nah und fern, ich und du und sämtlichen anderen scheinbaren Gegensätzen zuzulassen?

12 Comments:

Anonymous stilhäschen said...

Vielleicht.

("Kann schon sein" ist da fast schon zu lang.)

11.5.09  
Blogger MudShark said...

falls der wahnsinn dein vertrautes, geborgenheit verleihendes gedankengehäuse ist, dann nein, sonst schon.

haha, geile wortbestätigung:
-reelicin-
wolle kaufe?

11.5.09  
Anonymous ttr said...

Grundsätzlich ist so einiges möglich. Die einzige Gefahr, die ich sehe, ist die, dass man des springenden Punkts wegen, einmal am Ende des Satzes angekommen, schon wieder zum Anfang scrollen muss und das wieder und wieder, immer vom Anfang zum Ende, gefangen im Teufelskreis der verbalen Iteration, ohne Hoffnung auf eine Pause – in Form eines Semikolons etwa – wurmartig frisst man sich durch diese Zelle, deren einziger Ausblick – wie es scheint – das synaptische Labyrinth der Eigengedanken ist, man schichtet Wort für Wort um, und man kann nur von Glück reden, wenn der jenige umschichtende-lesende, Herr Zufall sei gepriesen, an einer Überdosis Adjektive sanft entschläft.

11.5.09  
Blogger Frau H. said...

Was ich früher liebte, das hasse ich nun; Semikolon, zumindest, muss sein, damit sich die Gedanken nicht immer in Schleifen nur winden, Band um Band, mit vermeintlich zarter Hand in die Tasten geflochen, weil; ja, weil: wir alle doch nur sind, so wie wir sind und auch das Leben, der Gedanke, sich am Besten noch in Reduktion verständlich macht. Einzig manchmal, bei manchen, vermag ich es noch zu ertragen; gebühre Ihnen Ehre! ;)

(Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich Thomas Mann nicht ausstehen kann???)

Und: Phamnest!

(Diese Wortbestätigungswortneuschöpfung sollte in diesem Zusammenhang in die Geschichte eingehen, finde ich...)

11.5.09  
Blogger Christian 55 said...

Ich sesse, also bin ich!

12.5.09  
Blogger mkh said...

Das muss man differenziert betrachten.

12.5.09  
Blogger Der_grosse_Transzendentale_Steini said...

42.

13.5.09  
Blogger Christian 55 said...

chablepp als Wortbestätigung klingt auch nicht schlecht. I füu mi heut so chablepp - klingt irgendwie bayrisch oder österreichisch.

14.5.09  
Anonymous joppi said...

Ich mag einfach klare, kurze prägnante Sätze. Möglichst mit "!" vorne und hinten damit klar ist wo andere Sätze anfangen oder enden.

Aber Wortwaffenarsenal und Nebensatzscharmützel sind haften geblieben.

Auch schon was...

28.5.09  
Blogger mkh said...

Ähm... *räusper*
Kleine Zwischenantwort?!?

29.5.09  
Blogger mq said...

/stilhäschen: Hm.

/MudShark: Das Konzept, im Wahnsinn Geborgenheit zu suchen, erscheint mir allzu gewagt. Aber wogegen hilft Reelicin?

/ttr: Nach dem endgültigen Sieg der Revolution werden sowieso alle Semikolons an die Wand gestellt.

/Frau H.: Ich habe jedenfalls nichts gegen blutrote Gedankenschleifen, die um Überraschungsideenpakete gewickelt sind. Und manchmal sind wir nicht, wie wir sind, sondern wie wir sein könnten, wenn wir nicht wären, wie wir sein wollten.
Zu T. Mann äußere ich mich jetzt nicht, bitte wenden Sie sich an Herrn Reich-Ranicki.

/Christian 55: Ich weiß genau, wovon Sie sprechen. Manchmal tue ich auch die unmöglichsten Dinge, um einfach nur zu sein.

/mkh: Und dann?

/Der_grosse_Transzendentale_Steini: 666.

/Christian 55: ... könnte aber auch ein Modetanz aus den 1920ern sein.

/joppi: !Ok!

/mkh: Warum nicht?

11.6.09  
Blogger MudShark said...

gegen abschweifung.

19.6.09  

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