Sonntag, Mai 14, 2006

Überflüssige Todesarten (I)

Der Tod gehört merkwürdiger Weise zu den Ereignissen, vor denen ich keine Angst verspüre. Das hat nichts mit der Unvermeidlichkeit zu tun. Wie die meisten Religionslosen ängstigt mich eher der Gedanke an die Momente kurz vor dem Tod, als die Unvorstellbarkeit des Nichts danach.

Sollte es also besser ein schneller Tod sein? Wenn ich mir einen natürlichen oder auch einen anderen gewaltsamen Tod aussuchen könnte - denn der Tod ist immer gewaltsam - würde mir auf Anhieb nichts Geeignetes einfallen.

Es gibt allerdings eine Todesart, die mir Kopfzerbrechen bereitet. Da ich ein Stadtbewohner bin, befürchte ich, dass mir irgendwann ein aus einem Fenster fallender oder geworfener Gegenstand den Schädel zerschmettern könnte. Aus diesem Grund schaue ich oft nach oben, während ich durch die Straßen gehe.

Den Schriftsteller Ödön von Horváth ereilte bekanntlich eine skurile Todesart. An einem Junitag 1938 traf er sich in einem Pariser Café mit dem Regisseur Robert Siodmak, um mit ihm die Verfilmung seines Romans Jugend ohne Gott zu besprechen. Am selben Abend wurde Horváth auf den Champs-Élysées während eines Sommergewitters von einem herabfallenden Ast erschlagen.

Schon zweimal fielen wenige Meter hinter mir Gegenstände aus einem der oberen Stockwerke auf den Bürgersteig. Das erste Mal war es ein Blumentopf. Beim zweiten Mal war es ein Fernseher, dessen Bildröhre mit einem monumentalen Knall implodierte. Und nie war jemand zu sehen, als ich nach oben schaute. Ich bin gespannt, was als nächstes vom Himmel fällt.

Jedenfalls will ich so nicht sterben, weil mir das völlig überflüssig erscheint. Außerdem würde dann jeder sagen: Das war doch der Typ, der so ähnlich starb wie Ödön von Horváth, oder?

Ich werde also weiterhin nach oben schauen, während ich durch die Straßen der Städte gehe. Und vermutlich werde ich irgendwann völlig banal von einem Auto überfahren.
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>> Ödön von Horváth